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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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eine wissenschaftliche Abstraction sind sie im Vorher-
gehenden davon getrennt worden. Diese Abstraction aber
ist die allernothwendigste, wenn man zur Wahrheit ge-
langen will. Mit falschem Gewicht und falscher Wag-
schaale wägen alle diejenigen, welche vor der Untersu-
chung voraus schon wünschen, dass etwas wahr seyn
möge
.


§. 150.

Wir haben noch von demjenigen zu reden, was man
praktische Vernunft nennt.

Ehe wir diesen wichtigen Gegenstand selbst verneh-
men, wird es nöthig seyn, das zusammenzustellen und zu
ergänzen, was oben (§. 104. u. f.) über das Begehren
gesagt worden.

Die einfache Begierde ist nichts anderes als eine
Vorstellung, die wider eine Hemmung aufstrebt. Hiebey
wird aber vorausgesetzt, dass noch irgend eine andre
Kraft im Spiele sey; weil sonst auf die Hemmung ein
Sinken erfolgen müsste.

Bey den gewöhnlichen thierischen Begierden ist ohne
Zweifel diese andere Kraft eine physiologische. Da über-
haupt leibliche und geistige Zustände zusammengehören,
(wovon mehr im folgenden Abschnitte,) so halten sich,
ja erheben sich wider eine vorhandene Hemmung diejeni-
gen Vorstellungen, denen die Bedürfnisse des Leibes
entsprechen. Diesen Gegenstand setzen wir bey Seite;
man wird ihn verfolgen können, sobald die Verbindung
zwischen Leib und Seele zuvor wird in Betracht gezo-
gen seyn.

Der einfachste, rein psychologische Grund, aus wel-
chem eine Begierde entstehen kann, ist eine Verschmel-
zungs- oder Complications-Hülfe; (§. 57. u. f.). Es
sey a mit a complicirt, es werde a eben jetzt durch eine
gleichartige neue Empfindung oder Wahrnehmung re-
producirt; und zugleich sey im Bewusstseyn die Vorstel-
lung b dem a entgegengesetzt; so wird a zugleich ge-

eine wissenschaftliche Abstraction sind sie im Vorher-
gehenden davon getrennt worden. Diese Abstraction aber
ist die allernothwendigste, wenn man zur Wahrheit ge-
langen will. Mit falschem Gewicht und falscher Wag-
schaale wägen alle diejenigen, welche vor der Untersu-
chung voraus schon wünschen, daſs etwas wahr seyn
möge
.


§. 150.

Wir haben noch von demjenigen zu reden, was man
praktische Vernunft nennt.

Ehe wir diesen wichtigen Gegenstand selbst verneh-
men, wird es nöthig seyn, das zusammenzustellen und zu
ergänzen, was oben (§. 104. u. f.) über das Begehren
gesagt worden.

Die einfache Begierde ist nichts anderes als eine
Vorstellung, die wider eine Hemmung aufstrebt. Hiebey
wird aber vorausgesetzt, daſs noch irgend eine andre
Kraft im Spiele sey; weil sonst auf die Hemmung ein
Sinken erfolgen müſste.

Bey den gewöhnlichen thierischen Begierden ist ohne
Zweifel diese andere Kraft eine physiologische. Da über-
haupt leibliche und geistige Zustände zusammengehören,
(wovon mehr im folgenden Abschnitte,) so halten sich,
ja erheben sich wider eine vorhandene Hemmung diejeni-
gen Vorstellungen, denen die Bedürfnisse des Leibes
entsprechen. Diesen Gegenstand setzen wir bey Seite;
man wird ihn verfolgen können, sobald die Verbindung
zwischen Leib und Seele zuvor wird in Betracht gezo-
gen seyn.

Der einfachste, rein psychologische Grund, aus wel-
chem eine Begierde entstehen kann, ist eine Verschmel-
zungs- oder Complications-Hülfe; (§. 57. u. f.). Es
sey a mit α complicirt, es werde a eben jetzt durch eine
gleichartige neue Empfindung oder Wahrnehmung re-
producirt; und zugleich sey im Bewuſstseyn die Vorstel-
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[402/0437] eine wissenschaftliche Abstraction sind sie im Vorher- gehenden davon getrennt worden. Diese Abstraction aber ist die allernothwendigste, wenn man zur Wahrheit ge- langen will. Mit falschem Gewicht und falscher Wag- schaale wägen alle diejenigen, welche vor der Untersu- chung voraus schon wünschen, daſs etwas wahr seyn möge. §. 150. Wir haben noch von demjenigen zu reden, was man praktische Vernunft nennt. Ehe wir diesen wichtigen Gegenstand selbst verneh- men, wird es nöthig seyn, das zusammenzustellen und zu ergänzen, was oben (§. 104. u. f.) über das Begehren gesagt worden. Die einfache Begierde ist nichts anderes als eine Vorstellung, die wider eine Hemmung aufstrebt. Hiebey wird aber vorausgesetzt, daſs noch irgend eine andre Kraft im Spiele sey; weil sonst auf die Hemmung ein Sinken erfolgen müſste. Bey den gewöhnlichen thierischen Begierden ist ohne Zweifel diese andere Kraft eine physiologische. Da über- haupt leibliche und geistige Zustände zusammengehören, (wovon mehr im folgenden Abschnitte,) so halten sich, ja erheben sich wider eine vorhandene Hemmung diejeni- gen Vorstellungen, denen die Bedürfnisse des Leibes entsprechen. Diesen Gegenstand setzen wir bey Seite; man wird ihn verfolgen können, sobald die Verbindung zwischen Leib und Seele zuvor wird in Betracht gezo- gen seyn. Der einfachste, rein psychologische Grund, aus wel- chem eine Begierde entstehen kann, ist eine Verschmel- zungs- oder Complications-Hülfe; (§. 57. u. f.). Es sey a mit α complicirt, es werde a eben jetzt durch eine gleichartige neue Empfindung oder Wahrnehmung re- producirt; und zugleich sey im Bewuſstseyn die Vorstel- lung β dem α entgegengesetzt; so wird α zugleich ge-

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/437>, abgerufen am 03.12.2024.