von allen Gliedmaassen, der Thiere sowohl als der Men- schen; und es erklärt sich daraus jede Art des leiblichen Handelns, auch ohne Hände. Aber die menschliche Hand, durch ihre ausgezeichnete Geschicklichkeit, bewaffnet die Strebungen und Begehrungen des Geistes ungleich voll- ständiger, ungleich erfolgreicher, als dies bey den Thier- geschlechtern der Fall seyn kann. Die Hand macht aus jeder körperlichen Masse einen Diener und Verkündiger des Willens; ja sie macht aus einem Klotze vermittelst eines andern Klotzes durch Schlagen, Stossen, Reiben, endlich ein passendes Werkzeug für bestimmte Absich- ten; aus den ersten Werkzeugen werden andre kunstrei- chere; und aus der Zusammensetzung der Werkzeuge werden Maschinen. Auf diesem Wege bilden sich zahl- lose Beobachtungen und Erfahrungen, die den Gedan- kenkreis bereichern; und beynahe an jede Begehrung knüpft sich die Vorstellung eines Mittels, wodurch die- selbe könnte befriedigt werden.
§. 130.
Das Sprechen ist ursprünglich eine Art des Handelns. Anfangs schreyet das Kind, anstatt zu sprechen; und be- sonders bey eigensinnigen Kindern, deren Wünsche auf ihr Geschrey mehrmals sind befriedigt worden, sieht man deutlich, wie die Begierde das Schreyen in Dienst nimmt, und dasselbe gerade wie ein Werkzeug gebraucht. Auf ganz ähnliche Weise werden späterhin die articulirten Laute angewendet, welche mit den Vorstellungen der Gegenstände und ihrer Veränderungen sich compliciren. Denn es bedarf kaum einer Erinnerung, dass die Worte der Muttersprache mit ihren Bedeutungen vollkommene Complexionen bilden; deren Bewegungen aus den da- hin gehörigen Gesetzen der Statik und Mechanik des Geistes zu erklären sind.
Die Hemmungen unter Complexionen hängen be- kanntlich von den Hemmungen unter ihren Elementen ab. (§. 58. u. s. w.) Also müssen auch die Hemmungen der Vor- stellungen von Dingen bedeutende Modificationen anneh-
von allen Gliedmaaſsen, der Thiere sowohl als der Men- schen; und es erklärt sich daraus jede Art des leiblichen Handelns, auch ohne Hände. Aber die menschliche Hand, durch ihre ausgezeichnete Geschicklichkeit, bewaffnet die Strebungen und Begehrungen des Geistes ungleich voll- ständiger, ungleich erfolgreicher, als dies bey den Thier- geschlechtern der Fall seyn kann. Die Hand macht aus jeder körperlichen Masse einen Diener und Verkündiger des Willens; ja sie macht aus einem Klotze vermittelst eines andern Klotzes durch Schlagen, Stoſsen, Reiben, endlich ein passendes Werkzeug für bestimmte Absich- ten; aus den ersten Werkzeugen werden andre kunstrei- chere; und aus der Zusammensetzung der Werkzeuge werden Maschinen. Auf diesem Wege bilden sich zahl- lose Beobachtungen und Erfahrungen, die den Gedan- kenkreis bereichern; und beynahe an jede Begehrung knüpft sich die Vorstellung eines Mittels, wodurch die- selbe könnte befriedigt werden.
§. 130.
Das Sprechen ist ursprünglich eine Art des Handelns. Anfangs schreyet das Kind, anstatt zu sprechen; und be- sonders bey eigensinnigen Kindern, deren Wünsche auf ihr Geschrey mehrmals sind befriedigt worden, sieht man deutlich, wie die Begierde das Schreyen in Dienst nimmt, und dasselbe gerade wie ein Werkzeug gebraucht. Auf ganz ähnliche Weise werden späterhin die articulirten Laute angewendet, welche mit den Vorstellungen der Gegenstände und ihrer Veränderungen sich compliciren. Denn es bedarf kaum einer Erinnerung, daſs die Worte der Muttersprache mit ihren Bedeutungen vollkommene Complexionen bilden; deren Bewegungen aus den da- hin gehörigen Gesetzen der Statik und Mechanik des Geistes zu erklären sind.
Die Hemmungen unter Complexionen hängen be- kanntlich von den Hemmungen unter ihren Elementen ab. (§. 58. u. s. w.) Also müssen auch die Hemmungen der Vor- stellungen von Dingen bedeutende Modificationen anneh-
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von allen Gliedmaaſsen, der Thiere sowohl als der Men-
schen; und es erklärt sich daraus jede Art des leiblichen
Handelns, auch ohne Hände. Aber die menschliche Hand,
durch ihre ausgezeichnete Geschicklichkeit, bewaffnet die
Strebungen und Begehrungen des Geistes ungleich voll-
ständiger, ungleich erfolgreicher, als dies bey den Thier-
geschlechtern der Fall seyn kann. Die Hand macht aus
jeder körperlichen Masse einen Diener und Verkündiger
des Willens; ja sie macht aus einem Klotze vermittelst
eines andern Klotzes durch Schlagen, Stoſsen, Reiben,
endlich ein passendes Werkzeug für bestimmte Absich-
ten; aus den ersten Werkzeugen werden andre kunstrei-
chere; und aus der Zusammensetzung der Werkzeuge
werden Maschinen. Auf diesem Wege bilden sich zahl-
lose Beobachtungen und Erfahrungen, die den Gedan-
kenkreis bereichern; und beynahe an jede Begehrung
knüpft sich die Vorstellung eines Mittels, wodurch die-
selbe könnte befriedigt werden.
§. 130.
Das Sprechen ist ursprünglich eine Art des Handelns.
Anfangs schreyet das Kind, anstatt zu sprechen; und be-
sonders bey eigensinnigen Kindern, deren Wünsche auf
ihr Geschrey mehrmals sind befriedigt worden, sieht man
deutlich, wie die Begierde das Schreyen in Dienst nimmt,
und dasselbe gerade wie ein Werkzeug gebraucht. Auf
ganz ähnliche Weise werden späterhin die articulirten
Laute angewendet, welche mit den Vorstellungen der
Gegenstände und ihrer Veränderungen sich compliciren.
Denn es bedarf kaum einer Erinnerung, daſs die Worte
der Muttersprache mit ihren Bedeutungen vollkommene
Complexionen bilden; deren Bewegungen aus den da-
hin gehörigen Gesetzen der Statik und Mechanik des
Geistes zu erklären sind.
Die Hemmungen unter Complexionen hängen be-
kanntlich von den Hemmungen unter ihren Elementen ab.
(§. 58. u. s. w.) Also müssen auch die Hemmungen der Vor-
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/268>, abgerufen am 21.11.2024.
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