negativen Prädicate, die ihm zukommen, weil er nicht so gestaltet, nicht so gefärbt ist, wie die vorigen; dann für die positiven, weil er anders gebaut, anders ge- färbt ist, u. s. w, Indem aber die Aehnlichkeiten aller Hunde dennoch vorwiegen, und jeder als Einer unter Vielen vorgestellt wird, (§. 122.) behalten die sämmtli- chen Subjecte der entstehenden Urtheile immer die Be- stimmung, dass sie Hunde vorstellen, durch ihre Prädi- cate aber werden daraus Hunde von verschiede- ner Art.
Es werde ferner eine kleinere Masse von beständi- gen Merkmalen jener grössern Masse gegeben, ohne hemmende Zusätze. So reproducirt sich zunächst die ganze Masse auch mit den übrigen beständigen Merkma- len; dann aber treten auch diejenigen Bestimmungen her- vor, welche früherhin solchen Massen bald negativ, bald positiv sind beygelegt worden. Dies giebt den Gemüths- zustand des Fragens, ob auch diese oder jene Bestim- mung zugegen seyn möge. -- Wir sehen z. B. ein blü- hendes Gewächs. Wir setzen sogleich voraus, das Ge- wächs habe eine Wurzel irgend einer Art; denn dies gehört zu den beständigen Merkmalen der Vorstellungs- masse, die hier reproducirt wird. Aber ob die Blüthe auch rieche, ob sie angenehm rieche, ob die Wurzel etwan eine Zwiebel sey, u. d. gl. das sind die Fragen, welche entstehn, indem in diesen Hinsichten sich meh- rere entgegengesetzte Merkmale in der Erinnerung dar- bieten.
Fünftes Capitel. Von der Apperception, dem inneren Sinne, und der Aufmerksamkeit.
§. 125.
Der innere Sinn gehört für den Psychologen zu den gefährlichen Klippen, denen er sich nur mit grosser Vor-
II. O
negativen Prädicate, die ihm zukommen, weil er nicht so gestaltet, nicht so gefärbt ist, wie die vorigen; dann für die positiven, weil er anders gebaut, anders ge- färbt ist, u. s. w, Indem aber die Aehnlichkeiten aller Hunde dennoch vorwiegen, und jeder als Einer unter Vielen vorgestellt wird, (§. 122.) behalten die sämmtli- chen Subjecte der entstehenden Urtheile immer die Be- stimmung, daſs sie Hunde vorstellen, durch ihre Prädi- cate aber werden daraus Hunde von verschiede- ner Art.
Es werde ferner eine kleinere Masse von beständi- gen Merkmalen jener gröſsern Masse gegeben, ohne hemmende Zusätze. So reproducirt sich zunächst die ganze Masse auch mit den übrigen beständigen Merkma- len; dann aber treten auch diejenigen Bestimmungen her- vor, welche früherhin solchen Massen bald negativ, bald positiv sind beygelegt worden. Dies giebt den Gemüths- zustand des Fragens, ob auch diese oder jene Bestim- mung zugegen seyn möge. — Wir sehen z. B. ein blü- hendes Gewächs. Wir setzen sogleich voraus, das Ge- wächs habe eine Wurzel irgend einer Art; denn dies gehört zu den beständigen Merkmalen der Vorstellungs- masse, die hier reproducirt wird. Aber ob die Blüthe auch rieche, ob sie angenehm rieche, ob die Wurzel etwan eine Zwiebel sey, u. d. gl. das sind die Fragen, welche entstehn, indem in diesen Hinsichten sich meh- rere entgegengesetzte Merkmale in der Erinnerung dar- bieten.
Fünftes Capitel. Von der Apperception, dem inneren Sinne, und der Aufmerksamkeit.
§. 125.
Der innere Sinn gehört für den Psychologen zu den gefährlichen Klippen, denen er sich nur mit groſser Vor-
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negativen Prädicate, die ihm zukommen, weil er nicht
so gestaltet, nicht so gefärbt ist, wie die vorigen; dann
für die positiven, weil er anders gebaut, anders ge-
färbt ist, u. s. w, Indem aber die Aehnlichkeiten aller
Hunde dennoch vorwiegen, und jeder als Einer unter
Vielen vorgestellt wird, (§. 122.) behalten die sämmtli-
chen Subjecte der entstehenden Urtheile immer die Be-
stimmung, daſs sie Hunde vorstellen, durch ihre Prädi-
cate aber werden daraus Hunde von verschiede-
ner Art.
Es werde ferner eine kleinere Masse von beständi-
gen Merkmalen jener gröſsern Masse gegeben, ohne
hemmende Zusätze. So reproducirt sich zunächst die
ganze Masse auch mit den übrigen beständigen Merkma-
len; dann aber treten auch diejenigen Bestimmungen her-
vor, welche früherhin solchen Massen bald negativ, bald
positiv sind beygelegt worden. Dies giebt den Gemüths-
zustand des Fragens, ob auch diese oder jene Bestim-
mung zugegen seyn möge. — Wir sehen z. B. ein blü-
hendes Gewächs. Wir setzen sogleich voraus, das Ge-
wächs habe eine Wurzel irgend einer Art; denn dies
gehört zu den beständigen Merkmalen der Vorstellungs-
masse, die hier reproducirt wird. Aber ob die Blüthe
auch rieche, ob sie angenehm rieche, ob die Wurzel
etwan eine Zwiebel sey, u. d. gl. das sind die Fragen,
welche entstehn, indem in diesen Hinsichten sich meh-
rere entgegengesetzte Merkmale in der Erinnerung dar-
bieten.
Fünftes Capitel.
Von der Apperception, dem inneren Sinne, und
der Aufmerksamkeit.
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/244>, abgerufen am 21.11.2024.
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