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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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anstatt des gewöhnlichen Flusses der Vorstellungen ein-
tritt, so kann die Zeit nicht mehr wahrgenommen werden.

§. 116.

Beynahe so wichtig, als das Entstehen der Reihen,
ist das Abbrechen und Verändern derselben. Eigentlich
sollten alle successive Vorstellungen während des gan-
zen Lebens eine einzige Reihe bilden. Aber oft genug
werden wir innerhalb eines zusammengefassten Ganzen
beschäfftigt und aufgehalten (§. 114.); oft genug dringen
Vorstellungen aus unserm Innern hervor, welche das fer-
nere Merken auf die Wahrnehmung abschneiden (§. 95
bis 97., wenn S>bph); endlich, was am merkwürdig-
sten ist, wenn eine Reihe durch Versetzung ihrer
Glieder verändert wird, so ändern sich die dadurch be-
stimmten Reproductionen. Durchläuft die Ternion a b c
alle ihre sechs Versetzungen: so verschmilzt jedes Glied
auf gleiche Weise mit allen, und die Reproductionen
kreuzen sich nach allen Richtungen; das bestimmte Zwi-
schen
verschwindet; es erzeugt sich dagegen die unbe-
stimmte Vorstellung des Vielen. Der Anblick einer
Heerde, einer Schaar von Menschen, oder selbst
nur unser Umhergehn unter einer Menge von Gegen-
ständen, giebt die Beyspiele dazu. -- Das Viele wird
näher bestimmt theils durch den allgemeinen Begriff
des in ihm vorhandenen Gleichartigen, theils durch Zahl-
begriffe
. Von allgemeinen Begriffen handelt das nächste
Capitel. Hier aber mag ein schicklicher Ort seyn, um
im Vorübergehn etwas über die Vorstellung von der
Zahl zu sagen. Ein Gegenstand, der zwar in der That
noch zu früh kommt, den aber ein ziemlich gangbarer
Irrthum hieher versetzt. Denn seit Kant hat man oft
genug wiederholt, die successive Addition von Einem zu
Einem ergebe diese Vorstellung, welche hiemit an die
Zeit gebunden sey.

Zu dieser Meinung hat offenbar die gemeine Ope-
ration des Zählens den Anlass gegeben, in welcher die

Zahl

anstatt des gewöhnlichen Flusses der Vorstellungen ein-
tritt, so kann die Zeit nicht mehr wahrgenommen werden.

§. 116.

Beynahe so wichtig, als das Entstehen der Reihen,
ist das Abbrechen und Verändern derselben. Eigentlich
sollten alle successive Vorstellungen während des gan-
zen Lebens eine einzige Reihe bilden. Aber oft genug
werden wir innerhalb eines zusammengefaſsten Ganzen
beschäfftigt und aufgehalten (§. 114.); oft genug dringen
Vorstellungen aus unserm Innern hervor, welche das fer-
nere Merken auf die Wahrnehmung abschneiden (§. 95
bis 97., wenn S>βφ); endlich, was am merkwürdig-
sten ist, wenn eine Reihe durch Versetzung ihrer
Glieder verändert wird, so ändern sich die dadurch be-
stimmten Reproductionen. Durchläuft die Ternion a b c
alle ihre sechs Versetzungen: so verschmilzt jedes Glied
auf gleiche Weise mit allen, und die Reproductionen
kreuzen sich nach allen Richtungen; das bestimmte Zwi-
schen
verschwindet; es erzeugt sich dagegen die unbe-
stimmte Vorstellung des Vielen. Der Anblick einer
Heerde, einer Schaar von Menschen, oder selbst
nur unser Umhergehn unter einer Menge von Gegen-
ständen, giebt die Beyspiele dazu. — Das Viele wird
näher bestimmt theils durch den allgemeinen Begriff
des in ihm vorhandenen Gleichartigen, theils durch Zahl-
begriffe
. Von allgemeinen Begriffen handelt das nächste
Capitel. Hier aber mag ein schicklicher Ort seyn, um
im Vorübergehn etwas über die Vorstellung von der
Zahl zu sagen. Ein Gegenstand, der zwar in der That
noch zu früh kommt, den aber ein ziemlich gangbarer
Irrthum hieher versetzt. Denn seit Kant hat man oft
genug wiederholt, die successive Addition von Einem zu
Einem ergebe diese Vorstellung, welche hiemit an die
Zeit gebunden sey.

Zu dieser Meinung hat offenbar die gemeine Ope-
ration des Zählens den Anlaſs gegeben, in welcher die

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[160/0195] anstatt des gewöhnlichen Flusses der Vorstellungen ein- tritt, so kann die Zeit nicht mehr wahrgenommen werden. §. 116. Beynahe so wichtig, als das Entstehen der Reihen, ist das Abbrechen und Verändern derselben. Eigentlich sollten alle successive Vorstellungen während des gan- zen Lebens eine einzige Reihe bilden. Aber oft genug werden wir innerhalb eines zusammengefaſsten Ganzen beschäfftigt und aufgehalten (§. 114.); oft genug dringen Vorstellungen aus unserm Innern hervor, welche das fer- nere Merken auf die Wahrnehmung abschneiden (§. 95 bis 97., wenn S>βφ); endlich, was am merkwürdig- sten ist, wenn eine Reihe durch Versetzung ihrer Glieder verändert wird, so ändern sich die dadurch be- stimmten Reproductionen. Durchläuft die Ternion a b c alle ihre sechs Versetzungen: so verschmilzt jedes Glied auf gleiche Weise mit allen, und die Reproductionen kreuzen sich nach allen Richtungen; das bestimmte Zwi- schen verschwindet; es erzeugt sich dagegen die unbe- stimmte Vorstellung des Vielen. Der Anblick einer Heerde, einer Schaar von Menschen, oder selbst nur unser Umhergehn unter einer Menge von Gegen- ständen, giebt die Beyspiele dazu. — Das Viele wird näher bestimmt theils durch den allgemeinen Begriff des in ihm vorhandenen Gleichartigen, theils durch Zahl- begriffe. Von allgemeinen Begriffen handelt das nächste Capitel. Hier aber mag ein schicklicher Ort seyn, um im Vorübergehn etwas über die Vorstellung von der Zahl zu sagen. Ein Gegenstand, der zwar in der That noch zu früh kommt, den aber ein ziemlich gangbarer Irrthum hieher versetzt. Denn seit Kant hat man oft genug wiederholt, die successive Addition von Einem zu Einem ergebe diese Vorstellung, welche hiemit an die Zeit gebunden sey. Zu dieser Meinung hat offenbar die gemeine Ope- ration des Zählens den Anlaſs gegeben, in welcher die Zahl

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/195>, abgerufen am 22.12.2024.