diesen Werken, selbst abgesehen von dem Verdienst, den Idealismus mit einer bis dahin unbekannten Conse- quenz zu verfolgen, schon deshalb Gerechtigkeit wider- fahren lassen, weil darin das Ich als Mittelpunct von Be- ziehungen aufgestellt, und der erste Versuch gemacht ist, ein weitläuftiges System von Beziehungen nach allen Richtungen hin zu durchsuchen. Fichte's grösster Feh- ler bestand darin, dass er der einmal angenommenen Ge- wohnheit, das Ich absolut zu setzen, auch dann noch an- hing, als ihn schon die Untersuchung in ihrem Verlauf durch jeden Schritt aufmerksam machte, dass er nicht mit einem Absoluten, sondern mit einem vielfach Beding- ten zu thun habe; welcher Folgerung er dadurch zu ent- gehn meinte, dass er alle die gefundenen Bedingungen in das Ich selbst einschloss. Aber die unrichtige Ansicht verdarb selbst die Kenntniss dieser Bedingungen, und daher konnte freylich nur eine unhaltbare Theorie her- auskommen. Dieselbe Art der Untersuchung über den- selben Gegenstand, aber nach einer ganz entgegengesetz- ten Methode, (welche trennt, wo Fichte verbinden wollte,) und zu ganz entgegengesetzten Resultaten hinführend, wird einen Theil dieses Buches ausmachen; und das eben Gesagte mag als entfernte Vorbereitung dazu dienen.
§. 13.
Wenn es Methoden giebt, durch welche man ver- borgene Beziehungen aufdecken kann, so ist eben der Umstand, welcher zuvor der wahre Ursprung psychologi- scher Schwierigkeiten zu seyn schien, und welcher in der That eine empirische Naturgeschichte des Geistes unmöglich macht, -- für die speculative Psychologie eher vortheilhaft als nachtheilig. Der Umstand nämlich, dass alle psychologische Wahrnehmung, um vestgehalten zu werden, sich unwillkührlich in eine Abstraction verlieren muss; und daher von den wirklichen Thatsachen nur Bruchstücke liefert. Dieses ist nicht nachtheilig:
Denn der abstracte Begriff kann durch seine Bezie- hungen wieder ergänzt werden; und je allgemeiner er ist,
diesen Werken, selbst abgesehen von dem Verdienst, den Idealismus mit einer bis dahin unbekannten Conse- quenz zu verfolgen, schon deshalb Gerechtigkeit wider- fahren lassen, weil darin das Ich als Mittelpunct von Be- ziehungen aufgestellt, und der erste Versuch gemacht ist, ein weitläuftiges System von Beziehungen nach allen Richtungen hin zu durchsuchen. Fichte’s gröſster Feh- ler bestand darin, daſs er der einmal angenommenen Ge- wohnheit, das Ich absolut zu setzen, auch dann noch an- hing, als ihn schon die Untersuchung in ihrem Verlauf durch jeden Schritt aufmerksam machte, daſs er nicht mit einem Absoluten, sondern mit einem vielfach Beding- ten zu thun habe; welcher Folgerung er dadurch zu ent- gehn meinte, daſs er alle die gefundenen Bedingungen in das Ich selbst einschloſs. Aber die unrichtige Ansicht verdarb selbst die Kenntniſs dieser Bedingungen, und daher konnte freylich nur eine unhaltbare Theorie her- auskommen. Dieselbe Art der Untersuchung über den- selben Gegenstand, aber nach einer ganz entgegengesetz- ten Methode, (welche trennt, wo Fichte verbinden wollte,) und zu ganz entgegengesetzten Resultaten hinführend, wird einen Theil dieses Buches ausmachen; und das eben Gesagte mag als entfernte Vorbereitung dazu dienen.
§. 13.
Wenn es Methoden giebt, durch welche man ver- borgene Beziehungen aufdecken kann, so ist eben der Umstand, welcher zuvor der wahre Ursprung psychologi- scher Schwierigkeiten zu seyn schien, und welcher in der That eine empirische Naturgeschichte des Geistes unmöglich macht, — für die speculative Psychologie eher vortheilhaft als nachtheilig. Der Umstand nämlich, daſs alle psychologische Wahrnehmung, um vestgehalten zu werden, sich unwillkührlich in eine Abstraction verlieren muſs; und daher von den wirklichen Thatsachen nur Bruchstücke liefert. Dieses ist nicht nachtheilig:
Denn der abstracte Begriff kann durch seine Bezie- hungen wieder ergänzt werden; und je allgemeiner er ist,
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diesen Werken, selbst abgesehen von dem Verdienst,
den Idealismus mit einer bis dahin unbekannten Conse-
quenz zu verfolgen, schon deshalb Gerechtigkeit wider-
fahren lassen, weil darin das Ich als Mittelpunct von Be-
ziehungen aufgestellt, und der erste Versuch gemacht ist,
ein weitläuftiges System von Beziehungen nach allen
Richtungen hin zu durchsuchen. Fichte’s gröſster Feh-
ler bestand darin, daſs er der einmal angenommenen Ge-
wohnheit, das Ich absolut zu setzen, auch dann noch an-
hing, als ihn schon die Untersuchung in ihrem Verlauf
durch jeden Schritt aufmerksam machte, daſs er nicht
mit einem Absoluten, sondern mit einem vielfach Beding-
ten zu thun habe; welcher Folgerung er dadurch zu ent-
gehn meinte, daſs er alle die gefundenen Bedingungen
in das Ich selbst einschloſs. Aber die unrichtige Ansicht
verdarb selbst die Kenntniſs dieser Bedingungen, und
daher konnte freylich nur eine unhaltbare Theorie her-
auskommen. Dieselbe Art der Untersuchung über den-
selben Gegenstand, aber nach einer ganz entgegengesetz-
ten Methode, (welche trennt, wo Fichte verbinden wollte,)
und zu ganz entgegengesetzten Resultaten hinführend,
wird einen Theil dieses Buches ausmachen; und das eben
Gesagte mag als entfernte Vorbereitung dazu dienen.
§. 13.
Wenn es Methoden giebt, durch welche man ver-
borgene Beziehungen aufdecken kann, so ist eben der
Umstand, welcher zuvor der wahre Ursprung psychologi-
scher Schwierigkeiten zu seyn schien, und welcher in der
That eine empirische Naturgeschichte des Geistes
unmöglich macht, — für die speculative Psychologie eher
vortheilhaft als nachtheilig. Der Umstand nämlich, daſs
alle psychologische Wahrnehmung, um vestgehalten zu
werden, sich unwillkührlich in eine Abstraction verlieren
muſs; und daher von den wirklichen Thatsachen nur
Bruchstücke liefert. Dieses ist nicht nachtheilig:
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/51>, abgerufen am 21.11.2024.
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