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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824.

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fahrung: das kann sie nur dadurch wissen, dass das
Erfahrene ohne Voraussetzung des Verborge-
nen sich nicht denken lässt
. Denn nichts anders
als eben die Erfahrung ist ihr gegeben: in dieser muss
sie die Spuren alles dessen antreffen und erkennen, was
hinter dem Vorhange sich regt und wirkt.

In diesem Sinne also muss sie die Erfahrung
überschreiten
: welches übrigens von jeher jede Philo-
sophie gethan hat; auch jene, die zwar das Ueberschrei-
ten verbot, aber gleichwohl von einem noch unverbunde-
nen, in der Receptivität anzutreffenden Mannigfaltigen
redete; das in der Erfahrung niemals vorkommen kann,
vielmehr erst, indem es die Formen der Spontaneität an-
nähme, sich ins Bewusstseyn erhoben finden müsste: --
anderer Beyspiele nicht zu gedenken!

Wo nun und in wie vielen Puncten der ganzen Masse
aller innern Wahrnehmungen sich Beziehungen entdek-
ken lassen, die auf Voraussetzungen, auf Ergänzungen,
auf nothwendigen Zusammenhang mit anderem, das entwe-
der im Bewusstseyn oder hinter dem Bewusstseyn vorgegan-
gen seyn muss, hindeuten, und nach was immer für einer
Methode mit Sicherheit darauf zu schliessen erlauben: da,
und so vielfach sind die Principien der Psychologie.

§. 12.

Ein Paar Beyspiele von Beziehungen in der Psycho-
logie, wenn auch nur von den offenbarsten, sind viel-
leicht nicht überflüssig; sie können wenigstens einiger-
maassen dienen, um von der Gestalt psychologischer Nach-
forschungen einen vorläufigen Begriff zu fassen.

Das Begehren steht in offenbarer Beziehung zu dem
Vorstellen; denn es hat einen Gegenstand, auf welchen,
als auf sein Ziel, es sich richtet. Denselben in Verges-
senheit bringen, ist das sicherste Mittel, die Begierde
zu beschwichtigen. Wiewohl nun diese Beziehung vor
Augen liegt: so ist sie doch bey weitem noch nicht hinrei-
chend bestimmt. Denn es fragt sich: unter welchen Be-
dingungen wird das Vorgestellte ein Begehrtes? Wel-

fahrung: das kann sie nur dadurch wissen, daſs das
Erfahrene ohne Voraussetzung des Verborge-
nen sich nicht denken läſst
. Denn nichts anders
als eben die Erfahrung ist ihr gegeben: in dieser muſs
sie die Spuren alles dessen antreffen und erkennen, was
hinter dem Vorhange sich regt und wirkt.

In diesem Sinne also muſs sie die Erfahrung
überschreiten
: welches übrigens von jeher jede Philo-
sophie gethan hat; auch jene, die zwar das Ueberschrei-
ten verbot, aber gleichwohl von einem noch unverbunde-
nen, in der Receptivität anzutreffenden Mannigfaltigen
redete; das in der Erfahrung niemals vorkommen kann,
vielmehr erst, indem es die Formen der Spontaneität an-
nähme, sich ins Bewuſstseyn erhoben finden müſste: —
anderer Beyspiele nicht zu gedenken!

Wo nun und in wie vielen Puncten der ganzen Masse
aller innern Wahrnehmungen sich Beziehungen entdek-
ken lassen, die auf Voraussetzungen, auf Ergänzungen,
auf nothwendigen Zusammenhang mit anderem, das entwe-
der im Bewuſstseyn oder hinter dem Bewuſstseyn vorgegan-
gen seyn muſs, hindeuten, und nach was immer für einer
Methode mit Sicherheit darauf zu schlieſsen erlauben: da,
und so vielfach sind die Principien der Psychologie.

§. 12.

Ein Paar Beyspiele von Beziehungen in der Psycho-
logie, wenn auch nur von den offenbarsten, sind viel-
leicht nicht überflüssig; sie können wenigstens einiger-
maaſsen dienen, um von der Gestalt psychologischer Nach-
forschungen einen vorläufigen Begriff zu fassen.

Das Begehren steht in offenbarer Beziehung zu dem
Vorstellen; denn es hat einen Gegenstand, auf welchen,
als auf sein Ziel, es sich richtet. Denselben in Verges-
senheit bringen, ist das sicherste Mittel, die Begierde
zu beschwichtigen. Wiewohl nun diese Beziehung vor
Augen liegt: so ist sie doch bey weitem noch nicht hinrei-
chend bestimmt. Denn es fragt sich: unter welchen Be-
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[28/0048] fahrung: das kann sie nur dadurch wissen, daſs das Erfahrene ohne Voraussetzung des Verborge- nen sich nicht denken läſst. Denn nichts anders als eben die Erfahrung ist ihr gegeben: in dieser muſs sie die Spuren alles dessen antreffen und erkennen, was hinter dem Vorhange sich regt und wirkt. In diesem Sinne also muſs sie die Erfahrung überschreiten: welches übrigens von jeher jede Philo- sophie gethan hat; auch jene, die zwar das Ueberschrei- ten verbot, aber gleichwohl von einem noch unverbunde- nen, in der Receptivität anzutreffenden Mannigfaltigen redete; das in der Erfahrung niemals vorkommen kann, vielmehr erst, indem es die Formen der Spontaneität an- nähme, sich ins Bewuſstseyn erhoben finden müſste: — anderer Beyspiele nicht zu gedenken! Wo nun und in wie vielen Puncten der ganzen Masse aller innern Wahrnehmungen sich Beziehungen entdek- ken lassen, die auf Voraussetzungen, auf Ergänzungen, auf nothwendigen Zusammenhang mit anderem, das entwe- der im Bewuſstseyn oder hinter dem Bewuſstseyn vorgegan- gen seyn muſs, hindeuten, und nach was immer für einer Methode mit Sicherheit darauf zu schlieſsen erlauben: da, und so vielfach sind die Principien der Psychologie. §. 12. Ein Paar Beyspiele von Beziehungen in der Psycho- logie, wenn auch nur von den offenbarsten, sind viel- leicht nicht überflüssig; sie können wenigstens einiger- maaſsen dienen, um von der Gestalt psychologischer Nach- forschungen einen vorläufigen Begriff zu fassen. Das Begehren steht in offenbarer Beziehung zu dem Vorstellen; denn es hat einen Gegenstand, auf welchen, als auf sein Ziel, es sich richtet. Denselben in Verges- senheit bringen, ist das sicherste Mittel, die Begierde zu beschwichtigen. Wiewohl nun diese Beziehung vor Augen liegt: so ist sie doch bey weitem noch nicht hinrei- chend bestimmt. Denn es fragt sich: unter welchen Be- dingungen wird das Vorgestellte ein Begehrtes? Wel-

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/48>, abgerufen am 21.11.2024.