erklären können, sondern allemal auf die hinzutretenden Grössenbestimmungen muss Rücksicht genommen werden. Dies wird sich nun im Nachfolgenden gar bald zeigen.
Am schwersten übrigens ist die negative Bedingung des metaphysischen Denkens zu erfüllen; das Verhüten fremdartiger Einmischungen. Je schwerer die Probleme, desto mehr muss man sich bemühen sie gesondert zu hal- ten, um sie einzeln und deutlich zu betrachten. Nirgends muss mehr Metaphysik angehäuft werden, als der Gegen- stand fordert. Aus den Grundlehren der praktischen Phi- losophie muss sie ganz wegbleiben. Und obgleich zum vollständigen Aufschluss über das Ich, auch die Unter- suchung über den Raum, und seine Analoga, nöthig ist: so würde doch, wenn ich den Raum, oder gar die Ma- terie und den Leib, schon hier hätte einmischen wollen, die Finsterniss undurchdringlich geworden seyn.
Viertes Capitel. Vorbereitung der mathematisch-psychologischen Untersuchungen.
§. 36.
Es sind die Betrachtungen des §. 29., deren Faden wir wieder aufnehmen müssen. Dort fand sich der Satz, dass die mannigfaltigen Vorstellungen eines Subjects, wel- ches zur Ichheit gelangen soll, unter einander entgegen- gesetzt seyn müssen; und dieses zwar in dem Sinne, dass ein Vorstellen das andere vermindere, oder gar aufhebe. Was das heissen solle, ist jetzt noch näher zu über- legen.
Man denke sich zuvörderst ein Vorstellendes, noch ohne Selbstbewusstseyn; auch, um nichts willkührlich an- zunehmen und voreilig vorauszusetzen, noch ohne alle
I. K
erklären können, sondern allemal auf die hinzutretenden Gröſsenbestimmungen muſs Rücksicht genommen werden. Dies wird sich nun im Nachfolgenden gar bald zeigen.
Am schwersten übrigens ist die negative Bedingung des metaphysischen Denkens zu erfüllen; das Verhüten fremdartiger Einmischungen. Je schwerer die Probleme, desto mehr muſs man sich bemühen sie gesondert zu hal- ten, um sie einzeln und deutlich zu betrachten. Nirgends muſs mehr Metaphysik angehäuft werden, als der Gegen- stand fordert. Aus den Grundlehren der praktischen Phi- losophie muſs sie ganz wegbleiben. Und obgleich zum vollständigen Aufschluſs über das Ich, auch die Unter- suchung über den Raum, und seine Analoga, nöthig ist: so würde doch, wenn ich den Raum, oder gar die Ma- terie und den Leib, schon hier hätte einmischen wollen, die Finsterniſs undurchdringlich geworden seyn.
Viertes Capitel. Vorbereitung der mathematisch-psychologischen Untersuchungen.
§. 36.
Es sind die Betrachtungen des §. 29., deren Faden wir wieder aufnehmen müssen. Dort fand sich der Satz, daſs die mannigfaltigen Vorstellungen eines Subjects, wel- ches zur Ichheit gelangen soll, unter einander entgegen- gesetzt seyn müssen; und dieses zwar in dem Sinne, daſs ein Vorstellen das andere vermindere, oder gar aufhebe. Was das heiſsen solle, ist jetzt noch näher zu über- legen.
Man denke sich zuvörderst ein Vorstellendes, noch ohne Selbstbewuſstseyn; auch, um nichts willkührlich an- zunehmen und voreilig vorauszusetzen, noch ohne alle
I. K
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erklären können, sondern allemal auf die hinzutretenden
Gröſsenbestimmungen muſs Rücksicht genommen werden.
Dies wird sich nun im Nachfolgenden gar bald zeigen.
Am schwersten übrigens ist die negative Bedingung
des metaphysischen Denkens zu erfüllen; das Verhüten
fremdartiger Einmischungen. Je schwerer die Probleme,
desto mehr muſs man sich bemühen sie gesondert zu hal-
ten, um sie einzeln und deutlich zu betrachten. Nirgends
muſs mehr Metaphysik angehäuft werden, als der Gegen-
stand fordert. Aus den Grundlehren der praktischen Phi-
losophie muſs sie ganz wegbleiben. Und obgleich zum
vollständigen Aufschluſs über das Ich, auch die Unter-
suchung über den Raum, und seine Analoga, nöthig ist:
so würde doch, wenn ich den Raum, oder gar die Ma-
terie und den Leib, schon hier hätte einmischen wollen,
die Finsterniſs undurchdringlich geworden seyn.
Viertes Capitel.
Vorbereitung der mathematisch-psychologischen
Untersuchungen.
§. 36.
Es sind die Betrachtungen des §. 29., deren Faden
wir wieder aufnehmen müssen. Dort fand sich der Satz,
daſs die mannigfaltigen Vorstellungen eines Subjects, wel-
ches zur Ichheit gelangen soll, unter einander entgegen-
gesetzt seyn müssen; und dieses zwar in dem Sinne, daſs
ein Vorstellen das andere vermindere, oder gar aufhebe.
Was das heiſsen solle, ist jetzt noch näher zu über-
legen.
Man denke sich zuvörderst ein Vorstellendes, noch
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/165>, abgerufen am 21.11.2024.
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