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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

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Capitel XIII.

Wenn mich Signora nicht verstand, so wirst
du, lieber Leser, mich gewiß besser verstehen.
Auch Mylady verstand mich, und dies Verständ¬
niß weckte wieder ihre gute Laune. Doch als
ich -- ich weiß nicht mehr ob mit ernsthaftem
Gesichte -- der Meinung beypflichten wollte, daß
das Volk einer bestimmten Religion bedürfe, konnte
sie wieder nicht umhin, mir in ihrer Weise entge¬
gen zu streiten.

Das Volk muß eine Religion haben! rief sie.
Eifrig höre ich diesen Satz predigen von tausend
dummen und abertausend scheinheiligen Lippen --

Und dennoch ist es wahr, Mylady. Wie die

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Capitel XIII.

Wenn mich Signora nicht verſtand, ſo wirſt
du, lieber Leſer, mich gewiß beſſer verſtehen.
Auch Mylady verſtand mich, und dies Verſtaͤnd¬
niß weckte wieder ihre gute Laune. Doch als
ich — ich weiß nicht mehr ob mit ernſthaftem
Geſichte — der Meinung beypflichten wollte, daß
das Volk einer beſtimmten Religion beduͤrfe, konnte
ſie wieder nicht umhin, mir in ihrer Weiſe entge¬
gen zu ſtreiten.

Das Volk muß eine Religion haben! rief ſie.
Eifrig hoͤre ich dieſen Satz predigen von tauſend
dummen und abertauſend ſcheinheiligen Lippen —

Und dennoch iſt es wahr, Mylady. Wie die

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[[97]/0111] Capitel XIII. Wenn mich Signora nicht verſtand, ſo wirſt du, lieber Leſer, mich gewiß beſſer verſtehen. Auch Mylady verſtand mich, und dies Verſtaͤnd¬ niß weckte wieder ihre gute Laune. Doch als ich — ich weiß nicht mehr ob mit ernſthaftem Geſichte — der Meinung beypflichten wollte, daß das Volk einer beſtimmten Religion beduͤrfe, konnte ſie wieder nicht umhin, mir in ihrer Weiſe entge¬ gen zu ſtreiten. Das Volk muß eine Religion haben! rief ſie. Eifrig hoͤre ich dieſen Satz predigen von tauſend dummen und abertauſend ſcheinheiligen Lippen — Und dennoch iſt es wahr, Mylady. Wie die 7

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. [97]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/111>, abgerufen am 21.11.2024.