gemacht hat. Ich habe schon früherhin über jenes Buch gesprochen, ehe ich den Stoff den es behandelt, gekannt habe, und ich finde jetzt mein ahnendes Urtheil vollauf bestätigt. Wir schauen nemlich darin überall thatsächliche Auffassung und die Ruhe der Natur. Goethe hält ihr den Spiegel vor, oder, besser gesagt, er ist selbst der Spiegel der Natur. Die Natur wollte wissen, wie sie aussieht, und sie erschuf Goethe. Sogar die Gedanken, die Intenzionen der Natur ver¬ mag er uns wiederzuspiegeln, und es ist einem hitzigen Goethianer, zumahl in den Hundstagen, nicht zu verargen, wenn er über die Identität der Spiegelbilder mit den Objekten selbst so sehr erstaunt, daß er dem Spiegel sogar Schöpfungs¬ kraft, die Kraft, ähnliche Objecte zu erschaffen, zutraut. Ein Herr Eckermann hat mahl ein Buch über Goethe geschrieben, worin er ganz ernsthaft versichert: hätte der liebe Gott bey Erschaffung der Welt zu Goethe gesagt "lieber
gemacht hat. Ich habe ſchon fruͤherhin uͤber jenes Buch geſprochen, ehe ich den Stoff den es behandelt, gekannt habe, und ich finde jetzt mein ahnendes Urtheil vollauf beſtaͤtigt. Wir ſchauen nemlich darin uͤberall thatſaͤchliche Auffaſſung und die Ruhe der Natur. Goethe haͤlt ihr den Spiegel vor, oder, beſſer geſagt, er iſt ſelbſt der Spiegel der Natur. Die Natur wollte wiſſen, wie ſie ausſieht, und ſie erſchuf Goethe. Sogar die Gedanken, die Intenzionen der Natur ver¬ mag er uns wiederzuſpiegeln, und es iſt einem hitzigen Goethianer, zumahl in den Hundstagen, nicht zu verargen, wenn er uͤber die Identitaͤt der Spiegelbilder mit den Objekten ſelbſt ſo ſehr erſtaunt, daß er dem Spiegel ſogar Schoͤpfungs¬ kraft, die Kraft, aͤhnliche Objecte zu erſchaffen, zutraut. Ein Herr Eckermann hat mahl ein Buch uͤber Goethe geſchrieben, worin er ganz ernſthaft verſichert: haͤtte der liebe Gott bey Erſchaffung der Welt zu Goethe geſagt “lieber
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0163"n="155"/>
gemacht hat. Ich habe ſchon fruͤherhin uͤber<lb/>
jenes Buch geſprochen, ehe ich den Stoff den es<lb/>
behandelt, gekannt habe, und ich finde jetzt mein<lb/>
ahnendes Urtheil vollauf beſtaͤtigt. Wir ſchauen<lb/>
nemlich darin uͤberall thatſaͤchliche Auffaſſung<lb/>
und die Ruhe der Natur. Goethe haͤlt ihr den<lb/>
Spiegel vor, oder, beſſer geſagt, er iſt ſelbſt der<lb/>
Spiegel der Natur. Die Natur wollte wiſſen,<lb/>
wie ſie ausſieht, und ſie erſchuf Goethe. Sogar<lb/>
die Gedanken, die Intenzionen der Natur ver¬<lb/>
mag er uns wiederzuſpiegeln, und es iſt einem<lb/>
hitzigen Goethianer, zumahl in den Hundstagen,<lb/>
nicht zu verargen, wenn er uͤber die Identitaͤt<lb/>
der Spiegelbilder mit den Objekten ſelbſt ſo ſehr<lb/>
erſtaunt, daß er dem Spiegel ſogar Schoͤpfungs¬<lb/>
kraft, die Kraft, aͤhnliche Objecte zu erſchaffen,<lb/>
zutraut. Ein Herr Eckermann hat mahl ein<lb/>
Buch uͤber Goethe geſchrieben, worin er ganz<lb/>
ernſthaft verſichert: haͤtte der liebe Gott bey<lb/>
Erſchaffung der Welt zu Goethe geſagt “lieber<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[155/0163]
gemacht hat. Ich habe ſchon fruͤherhin uͤber
jenes Buch geſprochen, ehe ich den Stoff den es
behandelt, gekannt habe, und ich finde jetzt mein
ahnendes Urtheil vollauf beſtaͤtigt. Wir ſchauen
nemlich darin uͤberall thatſaͤchliche Auffaſſung
und die Ruhe der Natur. Goethe haͤlt ihr den
Spiegel vor, oder, beſſer geſagt, er iſt ſelbſt der
Spiegel der Natur. Die Natur wollte wiſſen,
wie ſie ausſieht, und ſie erſchuf Goethe. Sogar
die Gedanken, die Intenzionen der Natur ver¬
mag er uns wiederzuſpiegeln, und es iſt einem
hitzigen Goethianer, zumahl in den Hundstagen,
nicht zu verargen, wenn er uͤber die Identitaͤt
der Spiegelbilder mit den Objekten ſelbſt ſo ſehr
erſtaunt, daß er dem Spiegel ſogar Schoͤpfungs¬
kraft, die Kraft, aͤhnliche Objecte zu erſchaffen,
zutraut. Ein Herr Eckermann hat mahl ein
Buch uͤber Goethe geſchrieben, worin er ganz
ernſthaft verſichert: haͤtte der liebe Gott bey
Erſchaffung der Welt zu Goethe geſagt “lieber
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/163>, abgerufen am 30.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.