Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite
Ratkliff.

Der Traumgott brachte mich in eine Landschaft,
Wo Trauerweiden mir "Willkommen" winkten,
Mit ihren langen, grünen Armen, wo die Blumen
Mit klugen Schwesteraugen still mich ansahn,
Wo mir vertraulich klang der Vögel Zwitschern,
Wo gar der Hunde Bellen mir bekannt schien,
Und Stimmen und Gestalten mich begrüßten,
Wie einen alten Freund, und wo doch Alles
So fremd mir schien, so wunderseltsam fremd.
Vor einem ländlich schmucken Hause stand ich,
In meiner Brust bewegte sich's, im Kopfe
War's ruhig, ruhig schüttelte ich ab
Den Staub von meinen Reisekleidern,
Dumpf klang die Klingel, und die Thür ging auf.
Das waren Männer, Frauen, viel bekannte
Gesichter. Stiller Kummer lag auf allen
Ratkliff.

Der Traumgott brachte mich in eine Landſchaft,
Wo Trauerweiden mir “Willkommen” winkten,
Mit ihren langen, gruͤnen Armen, wo die Blumen
Mit klugen Schweſteraugen ſtill mich anſahn,
Wo mir vertraulich klang der Voͤgel Zwitſchern,
Wo gar der Hunde Bellen mir bekannt ſchien,
Und Stimmen und Geſtalten mich begruͤßten,
Wie einen alten Freund, und wo doch Alles
So fremd mir ſchien, ſo wunderſeltſam fremd.
Vor einem laͤndlich ſchmucken Hauſe ſtand ich,
In meiner Bruſt bewegte ſich's, im Kopfe
War's ruhig, ruhig ſchuͤttelte ich ab
Den Staub von meinen Reiſekleidern,
Dumpf klang die Klingel, und die Thuͤr ging auf.
Das waren Maͤnner, Frauen, viel bekannte
Geſichter. Stiller Kummer lag auf allen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0098" n="86"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#g">Ratkliff.</hi><lb/>
          </head>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Der Traumgott brachte mich in eine Land&#x017F;chaft,</l><lb/>
              <l>Wo Trauerweiden mir &#x201C;Willkommen&#x201D; winkten,</l><lb/>
              <l>Mit ihren langen, gru&#x0364;nen Armen, wo die Blumen</l><lb/>
              <l>Mit klugen Schwe&#x017F;teraugen &#x017F;till mich an&#x017F;ahn,</l><lb/>
              <l>Wo mir vertraulich klang der Vo&#x0364;gel Zwit&#x017F;chern,</l><lb/>
              <l>Wo gar der Hunde Bellen mir bekannt &#x017F;chien,</l><lb/>
              <l>Und Stimmen und Ge&#x017F;talten mich begru&#x0364;ßten,</l><lb/>
              <l>Wie einen alten Freund, und wo doch Alles</l><lb/>
              <l>So fremd mir &#x017F;chien, &#x017F;o wunder&#x017F;elt&#x017F;am fremd.</l><lb/>
              <l>Vor einem la&#x0364;ndlich &#x017F;chmucken Hau&#x017F;e &#x017F;tand ich,</l><lb/>
              <l>In meiner Bru&#x017F;t bewegte &#x017F;ich's, im Kopfe</l><lb/>
              <l>War's ruhig, ruhig &#x017F;chu&#x0364;ttelte ich ab</l><lb/>
              <l>Den Staub von meinen Rei&#x017F;ekleidern,</l><lb/>
              <l>Dumpf klang die Klingel, und die Thu&#x0364;r ging auf.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Das waren Ma&#x0364;nner, Frauen, viel bekannte</l><lb/>
              <l>Ge&#x017F;ichter. Stiller Kummer lag auf allen</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86/0098] Ratkliff. Der Traumgott brachte mich in eine Landſchaft, Wo Trauerweiden mir “Willkommen” winkten, Mit ihren langen, gruͤnen Armen, wo die Blumen Mit klugen Schweſteraugen ſtill mich anſahn, Wo mir vertraulich klang der Voͤgel Zwitſchern, Wo gar der Hunde Bellen mir bekannt ſchien, Und Stimmen und Geſtalten mich begruͤßten, Wie einen alten Freund, und wo doch Alles So fremd mir ſchien, ſo wunderſeltſam fremd. Vor einem laͤndlich ſchmucken Hauſe ſtand ich, In meiner Bruſt bewegte ſich's, im Kopfe War's ruhig, ruhig ſchuͤttelte ich ab Den Staub von meinen Reiſekleidern, Dumpf klang die Klingel, und die Thuͤr ging auf. Das waren Maͤnner, Frauen, viel bekannte Geſichter. Stiller Kummer lag auf allen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/98
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/98>, abgerufen am 25.12.2024.