Heine, Heinrich: Buch der Lieder. Hamburg, 1827.LXVIII. Von schonen Lippen fortgedrängt, getrieben Aus schönen Armen, die uns fest umschlossen! Ich wäre gern noch einen Tag geblieben. Doch kam der Schwager schon mit seinen Rossen. Das ist das Leben, Kind, ein ewig Jammern, Ein ewig Abschiednehmen, ew'ges Trennen! Konnt' denn dein Herz das mein'ge nicht umklammern? Hat selbst dein Auge mich nicht halten können? LXIX. Wir fuhren allein im dunkeln Postwagen die ganze Nacht; Wir ruhten einander am Herzen, Wir haben gescherzt und gelacht. Doch als es Morgens tagte, Mein Kind, wie staunten wir! Denn zwischen uns saß Amor, Der blinde Passagier. LXVIII. Von ſchonen Lippen fortgedrängt, getrieben Aus ſchönen Armen, die uns feſt umſchloſſen! Ich wäre gern noch einen Tag geblieben. Doch kam der Schwager ſchon mit ſeinen Roſſen. Das iſt das Leben, Kind, ein ewig Jammern, Ein ewig Abſchiednehmen, ew'ges Trennen! Konnt' denn dein Herz das mein'ge nicht umklammern? Hat ſelbſt dein Auge mich nicht halten können? LXIX. Wir fuhren allein im dunkeln Poſtwagen die ganze Nacht; Wir ruhten einander am Herzen, Wir haben geſcherzt und gelacht. Doch als es Morgens tagte, Mein Kind, wie ſtaunten wir! Denn zwiſchen uns ſaß Amor, Der blinde Paſſagier. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0250" n="242"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq">LXVIII.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Von ſchonen Lippen fortgedrängt, getrieben</l><lb/> <l>Aus ſchönen Armen, die uns feſt umſchloſſen!</l><lb/> <l>Ich wäre gern noch einen Tag geblieben.</l><lb/> <l>Doch kam der Schwager ſchon mit ſeinen Roſſen.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Das iſt das Leben, Kind, ein ewig Jammern,</l><lb/> <l>Ein ewig Abſchiednehmen, ew'ges Trennen!</l><lb/> <l>Konnt' denn dein Herz das mein'ge nicht umklammern?</l><lb/> <l>Hat ſelbſt dein Auge mich nicht halten können?</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq">LXIX.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wir fuhren allein im dunkeln</l><lb/> <l>Poſtwagen die ganze Nacht;</l><lb/> <l>Wir ruhten einander am Herzen,</l><lb/> <l>Wir haben geſcherzt und gelacht.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Doch als es Morgens tagte,</l><lb/> <l>Mein Kind, wie ſtaunten wir!</l><lb/> <l>Denn zwiſchen uns ſaß Amor,</l><lb/> <l>Der blinde Paſſagier.</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [242/0250]
LXVIII.
Von ſchonen Lippen fortgedrängt, getrieben
Aus ſchönen Armen, die uns feſt umſchloſſen!
Ich wäre gern noch einen Tag geblieben.
Doch kam der Schwager ſchon mit ſeinen Roſſen.
Das iſt das Leben, Kind, ein ewig Jammern,
Ein ewig Abſchiednehmen, ew'ges Trennen!
Konnt' denn dein Herz das mein'ge nicht umklammern?
Hat ſelbſt dein Auge mich nicht halten können?
LXIX.
Wir fuhren allein im dunkeln
Poſtwagen die ganze Nacht;
Wir ruhten einander am Herzen,
Wir haben geſcherzt und gelacht.
Doch als es Morgens tagte,
Mein Kind, wie ſtaunten wir!
Denn zwiſchen uns ſaß Amor,
Der blinde Paſſagier.
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