Das Denken, das sich in der äussern Reflexion hält, und von keinem andern Denken weiß, als der äussern Reflexion, kommt nicht dazu, die Identität wie sie so eben gefaßt worden ist, oder das Wesen, was dasselbe ist, zu erkennen. Solches Denken hat immer nur die abstracte Identität vor sich, und ausser und neben der- selben den Unterschied. Es meynt, die Vernunft sey weiter nichts als ein Webstuhl, auf dem sie den Zettel, etwa die Identität, und dann den Eintrag, den Unter- schied, äusserlich mit einander verbinde und verschlinge; oder auch wieder analysirend itzt die Identität besonders herausziehe, und dann auch wieder den Unterschied daneben erhalte, itzt ein Gleichsetzen, und dann auch wieder ein Ungleichsetzen sey; -- ein Gleich- setzen, indem man von Unterschiede, -- ein Ungleich- setzen, indem man vom Gleichsetzen abstrahire. -- Man muß diese Versicherungen und Meynungen von dem, was die Vernunft thue, ganz bey Seite gestellt lassen, indem sie gewissermassen bloß historische sind, und vielmehr die Betrachtung von Allem, was ist, an ihm selbst zeigt, daß es in seiner Gleichheit mit sich sich un- gleich und widersprechend, und in seiner Verschiedenheit, in seinem Widerspruche, mit sich identisch, und an ihm selbst, diese Bewegung des Uebergehens einer dieser Be- stimmungen in die andere ist, und diß darum, weil jede an ihr selbst das Gegentheil ihrer selbst ist. Der Begriff der Identität, einfache sich auf sich beziehende Negativi- tät zu seyn, ist nicht ein Product der äussern Reflexion, sondern hat sich an dem Seyn selbst ergeben. Da hinge- gen jene Identität, die ausser dem Unterschied, und der Unterschied, der ausser der Identität sey, Producte der äussern Reflexion und der Abstraction sind, die sich will- kührlicher Weise auf diesem Punkte der gleichgültigen Verschiedenheit festhält.
2. Die-
C 2
Das Weſen.
Anmerkung 1.
Das Denken, das ſich in der aͤuſſern Reflexion haͤlt, und von keinem andern Denken weiß, als der aͤuſſern Reflexion, kommt nicht dazu, die Identitaͤt wie ſie ſo eben gefaßt worden iſt, oder das Weſen, was daſſelbe iſt, zu erkennen. Solches Denken hat immer nur die abſtracte Identitaͤt vor ſich, und auſſer und neben der- ſelben den Unterſchied. Es meynt, die Vernunft ſey weiter nichts als ein Webſtuhl, auf dem ſie den Zettel, etwa die Identitaͤt, und dann den Eintrag, den Unter- ſchied, aͤuſſerlich mit einander verbinde und verſchlinge; oder auch wieder analyſirend itzt die Identitaͤt beſonders herausziehe, und dann auch wieder den Unterſchied daneben erhalte, itzt ein Gleichſetzen, und dann auch wieder ein Ungleichſetzen ſey; — ein Gleich- ſetzen, indem man von Unterſchiede, — ein Ungleich- ſetzen, indem man vom Gleichſetzen abſtrahire. — Man muß dieſe Verſicherungen und Meynungen von dem, was die Vernunft thue, ganz bey Seite geſtellt laſſen, indem ſie gewiſſermaſſen bloß hiſtoriſche ſind, und vielmehr die Betrachtung von Allem, was iſt, an ihm ſelbſt zeigt, daß es in ſeiner Gleichheit mit ſich ſich un- gleich und widerſprechend, und in ſeiner Verſchiedenheit, in ſeinem Widerſpruche, mit ſich identiſch, und an ihm ſelbſt, dieſe Bewegung des Uebergehens einer dieſer Be- ſtimmungen in die andere iſt, und diß darum, weil jede an ihr ſelbſt das Gegentheil ihrer ſelbſt iſt. Der Begriff der Identitaͤt, einfache ſich auf ſich beziehende Negativi- taͤt zu ſeyn, iſt nicht ein Product der aͤuſſern Reflexion, ſondern hat ſich an dem Seyn ſelbſt ergeben. Da hinge- gen jene Identitaͤt, die auſſer dem Unterſchied, und der Unterſchied, der auſſer der Identitaͤt ſey, Producte der aͤuſſern Reflexion und der Abſtraction ſind, die ſich will- kuͤhrlicher Weiſe auf dieſem Punkte der gleichguͤltigen Verſchiedenheit feſthaͤlt.
2. Die-
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Das Weſen.
Anmerkung 1.
Das Denken, das ſich in der aͤuſſern Reflexion haͤlt,
und von keinem andern Denken weiß, als der aͤuſſern
Reflexion, kommt nicht dazu, die Identitaͤt wie ſie ſo
eben gefaßt worden iſt, oder das Weſen, was daſſelbe
iſt, zu erkennen. Solches Denken hat immer nur die
abſtracte Identitaͤt vor ſich, und auſſer und neben der-
ſelben den Unterſchied. Es meynt, die Vernunft ſey
weiter nichts als ein Webſtuhl, auf dem ſie den Zettel,
etwa die Identitaͤt, und dann den Eintrag, den Unter-
ſchied, aͤuſſerlich mit einander verbinde und verſchlinge;
oder auch wieder analyſirend itzt die Identitaͤt beſonders
herausziehe, und dann auch wieder den Unterſchied
daneben erhalte, itzt ein Gleichſetzen, und dann
auch wieder ein Ungleichſetzen ſey; — ein Gleich-
ſetzen, indem man von Unterſchiede, — ein Ungleich-
ſetzen, indem man vom Gleichſetzen abſtrahire. —
Man muß dieſe Verſicherungen und Meynungen von dem,
was die Vernunft thue, ganz bey Seite geſtellt laſſen,
indem ſie gewiſſermaſſen bloß hiſtoriſche ſind, und
vielmehr die Betrachtung von Allem, was iſt, an ihm
ſelbſt zeigt, daß es in ſeiner Gleichheit mit ſich ſich un-
gleich und widerſprechend, und in ſeiner Verſchiedenheit,
in ſeinem Widerſpruche, mit ſich identiſch, und an ihm
ſelbſt, dieſe Bewegung des Uebergehens einer dieſer Be-
ſtimmungen in die andere iſt, und diß darum, weil jede
an ihr ſelbſt das Gegentheil ihrer ſelbſt iſt. Der Begriff
der Identitaͤt, einfache ſich auf ſich beziehende Negativi-
taͤt zu ſeyn, iſt nicht ein Product der aͤuſſern Reflexion,
ſondern hat ſich an dem Seyn ſelbſt ergeben. Da hinge-
gen jene Identitaͤt, die auſſer dem Unterſchied, und der
Unterſchied, der auſſer der Identitaͤt ſey, Producte der
aͤuſſern Reflexion und der Abſtraction ſind, die ſich will-
kuͤhrlicher Weiſe auf dieſem Punkte der gleichguͤltigen
Verſchiedenheit feſthaͤlt.
2. Die-
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,2. Nürnberg, 1813, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0102_1813/47>, abgerufen am 23.02.2025.
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