Seyn und Nichts näher in ihm als die so eben betrach- teten Momente bestimmt haben, ist es nicht mehr in der ersten Form der Unmittelbarkeit, sondern ist reflectirtes Daseyn; es ist Daseyn, insofern es sich als Ansichseyn und als Seyn-für-Anderes bestimmt hat, und die Ein- heit von ihnen als seinen Momenten ist. Als diß re- flectirte Daseyn ist es Realität.
Anmerkung.
Realität kann ein vieldeutiges Wort zu seyn scheinen, weil es von sehr verschiedenen, ja entgegenge- setzten Bestimmungen gebraucht wird. Wenn von Ge- danken, Begriffen, Theorien gesagt wird, sie haben keine Realität, so heißt diß hier, daß ihnen kein äusserliches Daseyn, keine Wirklichkeit zukomme; an sich oder im Begriffe könne die Idee einer platoni- schen Republik z. B., wohl wahr seyn. -- Umgekehrt wenn z. B. nur der Schein des Reichthums im Aufwand vorhanden ist, wird gleichfalls gesagt, es fehle die Realität, es wird verstanden, daß jener Aufwand nur ein äusserliches Daseyn sey, das keinen innern Grund hat. Von gewissen Beschäftigungen wird gesagt, sie seyen keine reelle Beschäftigungen, nemlich keine solche, die Werth an sich haben; -- oder von Gründen, sie seyen nicht reell, insofern sie nicht aus dem Wesen der Sache geschöpft sind.
Das einemal ist also unter Realität das äusser- liche Daseyn, das anderemal das Ansichseyn ver- standen. Allein diß ist nicht eine verschiedene oder ent- gegengesetzte Bedeutung der Realität, sondern vielmehr nur Eine, weil die Realität wesentlich jene beyde Bestim- mungen in sich schließt. Wenn also nur das Ansich- seyn, oder nur das Seyn-für-Anderes vorhanden ist,
so
Erſtes Buch. I.Abſchnitt.
Seyn und Nichts naͤher in ihm als die ſo eben betrach- teten Momente beſtimmt haben, iſt es nicht mehr in der erſten Form der Unmittelbarkeit, ſondern iſt reflectirtes Daſeyn; es iſt Daſeyn, inſofern es ſich als Anſichſeyn und als Seyn-fuͤr-Anderes beſtimmt hat, und die Ein- heit von ihnen als ſeinen Momenten iſt. Als diß re- flectirte Daſeyn iſt es Realitaͤt.
Anmerkung.
Realitaͤt kann ein vieldeutiges Wort zu ſeyn ſcheinen, weil es von ſehr verſchiedenen, ja entgegenge- ſetzten Beſtimmungen gebraucht wird. Wenn von Ge- danken, Begriffen, Theorien geſagt wird, ſie haben keine Realitaͤt, ſo heißt diß hier, daß ihnen kein aͤuſſerliches Daſeyn, keine Wirklichkeit zukomme; an ſich oder im Begriffe koͤnne die Idee einer platoni- ſchen Republik z. B., wohl wahr ſeyn. — Umgekehrt wenn z. B. nur der Schein des Reichthums im Aufwand vorhanden iſt, wird gleichfalls geſagt, es fehle die Realitaͤt, es wird verſtanden, daß jener Aufwand nur ein aͤuſſerliches Daſeyn ſey, das keinen innern Grund hat. Von gewiſſen Beſchaͤftigungen wird geſagt, ſie ſeyen keine reelle Beſchaͤftigungen, nemlich keine ſolche, die Werth an ſich haben; — oder von Gruͤnden, ſie ſeyen nicht reell, inſofern ſie nicht aus dem Weſen der Sache geſchoͤpft ſind.
Das einemal iſt alſo unter Realitaͤt das aͤuſſer- liche Daſeyn, das anderemal das Anſichſeyn ver- ſtanden. Allein diß iſt nicht eine verſchiedene oder ent- gegengeſetzte Bedeutung der Realitaͤt, ſondern vielmehr nur Eine, weil die Realitaͤt weſentlich jene beyde Beſtim- mungen in ſich ſchließt. Wenn alſo nur das Anſich- ſeyn, oder nur das Seyn-fuͤr-Anderes vorhanden iſt,
ſo
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Erſtes Buch. I. Abſchnitt.
Seyn und Nichts naͤher in ihm als die ſo eben betrach-
teten Momente beſtimmt haben, iſt es nicht mehr in der
erſten Form der Unmittelbarkeit, ſondern iſt reflectirtes
Daſeyn; es iſt Daſeyn, inſofern es ſich als Anſichſeyn
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heit von ihnen als ſeinen Momenten iſt. Als diß re-
flectirte Daſeyn iſt es Realitaͤt.
Anmerkung.
Realitaͤt kann ein vieldeutiges Wort zu ſeyn
ſcheinen, weil es von ſehr verſchiedenen, ja entgegenge-
ſetzten Beſtimmungen gebraucht wird. Wenn von Ge-
danken, Begriffen, Theorien geſagt wird, ſie haben
keine Realitaͤt, ſo heißt diß hier, daß ihnen kein
aͤuſſerliches Daſeyn, keine Wirklichkeit zukomme;
an ſich oder im Begriffe koͤnne die Idee einer platoni-
ſchen Republik z. B., wohl wahr ſeyn. — Umgekehrt
wenn z. B. nur der Schein des Reichthums im Aufwand
vorhanden iſt, wird gleichfalls geſagt, es fehle die
Realitaͤt, es wird verſtanden, daß jener Aufwand
nur ein aͤuſſerliches Daſeyn ſey, das keinen innern
Grund hat. Von gewiſſen Beſchaͤftigungen wird geſagt,
ſie ſeyen keine reelle Beſchaͤftigungen, nemlich keine
ſolche, die Werth an ſich haben; — oder von Gruͤnden,
ſie ſeyen nicht reell, inſofern ſie nicht aus dem Weſen
der Sache geſchoͤpft ſind.
Das einemal iſt alſo unter Realitaͤt das aͤuſſer-
liche Daſeyn, das anderemal das Anſichſeyn ver-
ſtanden. Allein diß iſt nicht eine verſchiedene oder ent-
gegengeſetzte Bedeutung der Realitaͤt, ſondern vielmehr
nur Eine, weil die Realitaͤt weſentlich jene beyde Beſtim-
mungen in ſich ſchließt. Wenn alſo nur das Anſich-
ſeyn, oder nur das Seyn-fuͤr-Anderes vorhanden iſt,
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/102>, abgerufen am 22.02.2025.
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