Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 35. Völkerrecht im Zustand des Friedens.
men widersprechen oder zum Präjudiz des concurrirenden
Staates gereichen; 1
II. insofern es bei Beurtheilung und Entscheidung inländischer
Zustände auf Souveränetätsacte und Rechtsverhältnisse des
Auslandes wenigstens thatsächlich ankommt. Hierbei kann
natürlich nur auf die Zustände der auswärtigen Staaten selbst
Rücksicht genommen werden, und es ist dabei den Mitthei-
lungen der dortigen Staatsbehörden Glauben beizumessen,
wenn gegen deren Aechtheit und Competenz keine Ausstel-
lung Platz greift. 2

Im Uebrigen steht es in der Willkühr jeden Staates, fremden
Regierungsacten auch in seiner Mitte bestimmte Wirkungen beizu-
legen, wiewohl dieses immer nur unter Bedingung der Reciproci-
tät oder mit stillschweigender Voraussetzung derselben zu geschehen
pflegt.

Haben endlich mehrere Staatsgewalten ein gleiches Bestim-
mungsrecht hinsichtlich desselben Falles oder Gegenstandes, so ver-
fährt jede unabhängig und die Priorität entscheidet sich allein nach
dem Gesetz der Prävention, d. h. des dermaligen Besitzstandes.

Insbesondere in Betreff der Justizverwaltung.

35. Aus denselben Gesichtspuncten des Rechts und der Con-
venienz ist das Verhältniß der Justizverwaltungen verschiedener Staa-
ten zu bestimmen. 3 Denn auch die Justizhoheit, d. h. die Gesetz-

1 So kann kein Staat den bei ihm beglaubigten diplomatischen Personen die-
jenigen Eigenschaften, Titel und dergl. versagen, welche ihnen von ihrem
Staat beigelegt sind. Vgl. Schmelzing, Völkerr. §. 14.
2 Zur Versicherung hierüber dienen die diplomatischen Agenten als Vermitt-
ler. Diese lassen Qualität und Competenz der Urkundenaussteller durch die
Behörden des fremden Landes, zuletzt gewöhnlich durch das Ministerium
der auswärtigen Angelegenheiten legalisiren; dann beglaubigen sie dessen
eigene Signatur. Unter Staaten die mit einander und mit ihren Einrich-
tungen genauer bekannt sind, bedarf es solcher Weitläuftigkeiten nicht. In
Preußen ist durch eine gemeinschaftliche Verfügung der Ministerien der Ju-
stiz- und ausw. Angel. v. 22. März 1833 (v. Kamptz Jahrb. XLI, 220)
eine passende Grenze gezogen; und so wird man es überall halten können,
wo man es sich nicht zur Schande, sondern zur Ehre rechnet, auch die
Institute anderer Nationen zu kennen.
3 Die umfassenderen Werke über diesen Gegenstand des internationalen Rechts
sind von Story, Commentaries on the conflict of laws foreign and do-
§. 35. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens.
men widerſprechen oder zum Präjudiz des concurrirenden
Staates gereichen; 1
II. inſofern es bei Beurtheilung und Entſcheidung inländiſcher
Zuſtände auf Souveränetätsacte und Rechtsverhältniſſe des
Auslandes wenigſtens thatſächlich ankommt. Hierbei kann
natürlich nur auf die Zuſtände der auswärtigen Staaten ſelbſt
Rückſicht genommen werden, und es iſt dabei den Mitthei-
lungen der dortigen Staatsbehörden Glauben beizumeſſen,
wenn gegen deren Aechtheit und Competenz keine Ausſtel-
lung Platz greift. 2

Im Uebrigen ſteht es in der Willkühr jeden Staates, fremden
Regierungsacten auch in ſeiner Mitte beſtimmte Wirkungen beizu-
legen, wiewohl dieſes immer nur unter Bedingung der Reciproci-
tät oder mit ſtillſchweigender Vorausſetzung derſelben zu geſchehen
pflegt.

Haben endlich mehrere Staatsgewalten ein gleiches Beſtim-
mungsrecht hinſichtlich deſſelben Falles oder Gegenſtandes, ſo ver-
fährt jede unabhängig und die Priorität entſcheidet ſich allein nach
dem Geſetz der Prävention, d. h. des dermaligen Beſitzſtandes.

Insbeſondere in Betreff der Juſtizverwaltung.

35. Aus denſelben Geſichtspuncten des Rechts und der Con-
venienz iſt das Verhältniß der Juſtizverwaltungen verſchiedener Staa-
ten zu beſtimmen. 3 Denn auch die Juſtizhoheit, d. h. die Geſetz-

1 So kann kein Staat den bei ihm beglaubigten diplomatiſchen Perſonen die-
jenigen Eigenſchaften, Titel und dergl. verſagen, welche ihnen von ihrem
Staat beigelegt ſind. Vgl. Schmelzing, Völkerr. §. 14.
2 Zur Verſicherung hierüber dienen die diplomatiſchen Agenten als Vermitt-
ler. Dieſe laſſen Qualität und Competenz der Urkundenausſteller durch die
Behörden des fremden Landes, zuletzt gewöhnlich durch das Miniſterium
der auswärtigen Angelegenheiten legaliſiren; dann beglaubigen ſie deſſen
eigene Signatur. Unter Staaten die mit einander und mit ihren Einrich-
tungen genauer bekannt ſind, bedarf es ſolcher Weitläuftigkeiten nicht. In
Preußen iſt durch eine gemeinſchaftliche Verfügung der Miniſterien der Ju-
ſtiz- und ausw. Angel. v. 22. März 1833 (v. Kamptz Jahrb. XLI, 220)
eine paſſende Grenze gezogen; und ſo wird man es überall halten können,
wo man es ſich nicht zur Schande, ſondern zur Ehre rechnet, auch die
Inſtitute anderer Nationen zu kennen.
3 Die umfaſſenderen Werke über dieſen Gegenſtand des internationalen Rechts
ſind von Story, Commentaries on the conflict of laws foreign and do-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <list>
                  <item><pb facs="#f0085" n="61"/><fw place="top" type="header">§. 35. <hi rendition="#g">Vo&#x0364;lkerrecht im Zu&#x017F;tand des Friedens</hi>.</fw><lb/>
men wider&#x017F;prechen oder zum Präjudiz des concurrirenden<lb/>
Staates gereichen; <note place="foot" n="1">So kann kein Staat den bei ihm beglaubigten diplomati&#x017F;chen Per&#x017F;onen die-<lb/>
jenigen Eigen&#x017F;chaften, Titel und dergl. ver&#x017F;agen, welche ihnen von ihrem<lb/>
Staat beigelegt &#x017F;ind. Vgl. Schmelzing, Völkerr. §. 14.</note></item><lb/>
                  <item><hi rendition="#aq">II.</hi><choice><sic>in&#x017F;o&#x017F;ern</sic><corr>in&#x017F;ofern</corr></choice> es bei Beurtheilung und Ent&#x017F;cheidung inländi&#x017F;cher<lb/>
Zu&#x017F;tände auf Souveränetätsacte und Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e des<lb/>
Auslandes wenig&#x017F;tens that&#x017F;ächlich ankommt. Hierbei kann<lb/>
natürlich nur auf die Zu&#x017F;tände der auswärtigen Staaten &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
Rück&#x017F;icht genommen werden, und es i&#x017F;t dabei den Mitthei-<lb/>
lungen der dortigen Staatsbehörden Glauben beizume&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
wenn gegen deren Aechtheit und Competenz keine Aus&#x017F;tel-<lb/>
lung Platz greift. <note place="foot" n="2">Zur Ver&#x017F;icherung hierüber dienen die diplomati&#x017F;chen Agenten als Vermitt-<lb/>
ler. Die&#x017F;e la&#x017F;&#x017F;en Qualität und Competenz der Urkundenaus&#x017F;teller durch die<lb/>
Behörden des fremden Landes, zuletzt gewöhnlich durch das Mini&#x017F;terium<lb/>
der auswärtigen Angelegenheiten legali&#x017F;iren; dann beglaubigen &#x017F;ie de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
eigene Signatur. Unter Staaten die mit einander und mit ihren Einrich-<lb/>
tungen genauer bekannt &#x017F;ind, bedarf es &#x017F;olcher Weitläuftigkeiten nicht. In<lb/>
Preußen i&#x017F;t durch eine gemein&#x017F;chaftliche Verfügung der Mini&#x017F;terien der Ju-<lb/>
&#x017F;tiz- und ausw. Angel. v. 22. März 1833 (v. Kamptz Jahrb. <hi rendition="#aq">XLI,</hi> 220)<lb/>
eine pa&#x017F;&#x017F;ende Grenze gezogen; und &#x017F;o wird man es überall halten können,<lb/>
wo man es &#x017F;ich nicht zur Schande, &#x017F;ondern zur Ehre rechnet, auch die<lb/>
In&#x017F;titute anderer Nationen zu kennen.</note></item>
                </list><lb/>
                <p>Im Uebrigen &#x017F;teht es in der Willkühr jeden Staates, fremden<lb/>
Regierungsacten auch in &#x017F;einer Mitte be&#x017F;timmte Wirkungen beizu-<lb/>
legen, wiewohl die&#x017F;es immer nur unter Bedingung der Reciproci-<lb/>
tät oder mit &#x017F;till&#x017F;chweigender Voraus&#x017F;etzung der&#x017F;elben zu ge&#x017F;chehen<lb/>
pflegt.</p><lb/>
                <p>Haben endlich mehrere Staatsgewalten ein gleiches Be&#x017F;tim-<lb/>
mungsrecht hin&#x017F;ichtlich de&#x017F;&#x017F;elben Falles oder Gegen&#x017F;tandes, &#x017F;o ver-<lb/>
fährt jede unabhängig und die Priorität ent&#x017F;cheidet &#x017F;ich allein nach<lb/>
dem Ge&#x017F;etz der Prävention, d. h. des dermaligen Be&#x017F;itz&#x017F;tandes.</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>Insbe&#x017F;ondere in Betreff der Ju&#x017F;tizverwaltung.</head><lb/>
                <p>35. Aus den&#x017F;elben Ge&#x017F;ichtspuncten des Rechts und der Con-<lb/>
venienz i&#x017F;t das Verhältniß der Ju&#x017F;tizverwaltungen ver&#x017F;chiedener Staa-<lb/>
ten zu be&#x017F;timmen. <note xml:id="note-0085" next="#note-0086" place="foot" n="3">Die umfa&#x017F;&#x017F;enderen Werke über die&#x017F;en Gegen&#x017F;tand des internationalen Rechts<lb/>
&#x017F;ind von <hi rendition="#aq">Story, Commentaries on the conflict of laws foreign and do-</hi></note> Denn auch die Ju&#x017F;tizhoheit, d. h. die Ge&#x017F;etz-<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0085] §. 35. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens. men widerſprechen oder zum Präjudiz des concurrirenden Staates gereichen; 1 II. inſofern es bei Beurtheilung und Entſcheidung inländiſcher Zuſtände auf Souveränetätsacte und Rechtsverhältniſſe des Auslandes wenigſtens thatſächlich ankommt. Hierbei kann natürlich nur auf die Zuſtände der auswärtigen Staaten ſelbſt Rückſicht genommen werden, und es iſt dabei den Mitthei- lungen der dortigen Staatsbehörden Glauben beizumeſſen, wenn gegen deren Aechtheit und Competenz keine Ausſtel- lung Platz greift. 2 Im Uebrigen ſteht es in der Willkühr jeden Staates, fremden Regierungsacten auch in ſeiner Mitte beſtimmte Wirkungen beizu- legen, wiewohl dieſes immer nur unter Bedingung der Reciproci- tät oder mit ſtillſchweigender Vorausſetzung derſelben zu geſchehen pflegt. Haben endlich mehrere Staatsgewalten ein gleiches Beſtim- mungsrecht hinſichtlich deſſelben Falles oder Gegenſtandes, ſo ver- fährt jede unabhängig und die Priorität entſcheidet ſich allein nach dem Geſetz der Prävention, d. h. des dermaligen Beſitzſtandes. Insbeſondere in Betreff der Juſtizverwaltung. 35. Aus denſelben Geſichtspuncten des Rechts und der Con- venienz iſt das Verhältniß der Juſtizverwaltungen verſchiedener Staa- ten zu beſtimmen. 3 Denn auch die Juſtizhoheit, d. h. die Geſetz- 1 So kann kein Staat den bei ihm beglaubigten diplomatiſchen Perſonen die- jenigen Eigenſchaften, Titel und dergl. verſagen, welche ihnen von ihrem Staat beigelegt ſind. Vgl. Schmelzing, Völkerr. §. 14. 2 Zur Verſicherung hierüber dienen die diplomatiſchen Agenten als Vermitt- ler. Dieſe laſſen Qualität und Competenz der Urkundenausſteller durch die Behörden des fremden Landes, zuletzt gewöhnlich durch das Miniſterium der auswärtigen Angelegenheiten legaliſiren; dann beglaubigen ſie deſſen eigene Signatur. Unter Staaten die mit einander und mit ihren Einrich- tungen genauer bekannt ſind, bedarf es ſolcher Weitläuftigkeiten nicht. In Preußen iſt durch eine gemeinſchaftliche Verfügung der Miniſterien der Ju- ſtiz- und ausw. Angel. v. 22. März 1833 (v. Kamptz Jahrb. XLI, 220) eine paſſende Grenze gezogen; und ſo wird man es überall halten können, wo man es ſich nicht zur Schande, ſondern zur Ehre rechnet, auch die Inſtitute anderer Nationen zu kennen. 3 Die umfaſſenderen Werke über dieſen Gegenſtand des internationalen Rechts ſind von Story, Commentaries on the conflict of laws foreign and do-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/85
Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/85>, abgerufen am 21.11.2024.