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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Zweites Buch. §. 147.
zu entheben und entweder Repressalien zu gebrauchen oder aber
eine Kriegserklärung ergehen zu lassen.

Ist die Neutralität eine unvollkommene, so sind ihre Grenzen
der strengsten Auslegung unterworfen. Es kann auch, wenn durch
vorausgegangene Verträge einem kriegführenden Theile gewisse vor-
theilhafte Zugeständnisse gemacht sind, der hierdurch benachtheilig-
ten Partei das Recht nicht abgesprochen werden, diese Vergünsti-
gungen durch Reactionen zu paralysiren, wenn nicht darauf von
ihm verzichtet ist. 1 Keinesweges kann er aber präcise von dem
Neutralen dieselbe Vergünstigung als ein Recht fordern. 2

Im Einzelnen.

147. In der ersten Hinsicht des vorigen Paragraphen darf
kein neutraler Staat zugeben, daß eine Kriegspartei in seinem Ge-
biete eine unmittelbar feindselige Handlung gegen Personen oder
Sachen der anderen Partei vornehme oder auch fortsetze, wenn er
es zu hindern im Stande ist. Vermag er dies nicht, so darf er
wenigstens keine Billigung zu erkennen geben, wodurch er fernere
Handlungen der Art legalisiren würde. Er muß demnach den ver-
folgten Theil, so viel er ohne eigene Gefahr und Nachtheil vermag,
in Schutz nehmen, und das ihm etwa schon Entzogene von dem
anderen Theile wieder herausgeben lassen. 3 Damit hängt zusam-
men, daß ein Neutraler keiner Partei die Ausübung der Prisenge-
richtsbarkeit gegen die andere in seinem Gebiete erlauben darf, so
wenig als er eine solche zu Gunsten des einen Theiles gegen die
andere selbst auszuüben berechtigt ist, es sei denn in denjenigen
Fällen, wo überhaupt einem Neutralen zusteht, über die Rechtmä-
ßigkeit oder Unrechtmäßigkeit einer Prise zu erkennen. 4 -- Völlig
unverfänglich ist, wie sich von selbst versteht, jede Beihilfe, welche
einzelnen Nothleidenden der einen oder anderen Kriegspartei aus
Menschlichkeit geleistet wird.

In der zweiten Hinsicht des vorigen Paragraphen darf der

1 Vgl. Nau's Völkerr. §. 233. a. E.
2 Streitigkeiten über einen solchen Punct zwischen Großbritannien u. Nord-
america s. bei Wheaton IV, 3, 3.
3 Bynkershoeck quaest. I, 8. v. Martens, Caper §. 18. Wheaton IV,
3. §. 4. 6. 7. 9. Bouchaud, theorie des traites de commerce. p. 183.
4 Darüber s. §. 138. und unten §. 167.

Zweites Buch. §. 147.
zu entheben und entweder Repreſſalien zu gebrauchen oder aber
eine Kriegserklärung ergehen zu laſſen.

Iſt die Neutralität eine unvollkommene, ſo ſind ihre Grenzen
der ſtrengſten Auslegung unterworfen. Es kann auch, wenn durch
vorausgegangene Verträge einem kriegführenden Theile gewiſſe vor-
theilhafte Zugeſtändniſſe gemacht ſind, der hierdurch benachtheilig-
ten Partei das Recht nicht abgeſprochen werden, dieſe Vergünſti-
gungen durch Reactionen zu paralyſiren, wenn nicht darauf von
ihm verzichtet iſt. 1 Keinesweges kann er aber präciſe von dem
Neutralen dieſelbe Vergünſtigung als ein Recht fordern. 2

Im Einzelnen.

147. In der erſten Hinſicht des vorigen Paragraphen darf
kein neutraler Staat zugeben, daß eine Kriegspartei in ſeinem Ge-
biete eine unmittelbar feindſelige Handlung gegen Perſonen oder
Sachen der anderen Partei vornehme oder auch fortſetze, wenn er
es zu hindern im Stande iſt. Vermag er dies nicht, ſo darf er
wenigſtens keine Billigung zu erkennen geben, wodurch er fernere
Handlungen der Art legaliſiren würde. Er muß demnach den ver-
folgten Theil, ſo viel er ohne eigene Gefahr und Nachtheil vermag,
in Schutz nehmen, und das ihm etwa ſchon Entzogene von dem
anderen Theile wieder herausgeben laſſen. 3 Damit hängt zuſam-
men, daß ein Neutraler keiner Partei die Ausübung der Priſenge-
richtsbarkeit gegen die andere in ſeinem Gebiete erlauben darf, ſo
wenig als er eine ſolche zu Gunſten des einen Theiles gegen die
andere ſelbſt auszuüben berechtigt iſt, es ſei denn in denjenigen
Fällen, wo überhaupt einem Neutralen zuſteht, über die Rechtmä-
ßigkeit oder Unrechtmäßigkeit einer Priſe zu erkennen. 4 — Völlig
unverfänglich iſt, wie ſich von ſelbſt verſteht, jede Beihilfe, welche
einzelnen Nothleidenden der einen oder anderen Kriegspartei aus
Menſchlichkeit geleiſtet wird.

In der zweiten Hinſicht des vorigen Paragraphen darf der

1 Vgl. Nau’s Völkerr. §. 233. a. E.
2 Streitigkeiten über einen ſolchen Punct zwiſchen Großbritannien u. Nord-
america ſ. bei Wheaton IV, 3, 3.
3 Bynkershoeck quaest. I, 8. v. Martens, Caper §. 18. Wheaton IV,
3. §. 4. 6. 7. 9. Bouchaud, théorie des traités de commerce. p. 183.
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[246/0270] Zweites Buch. §. 147. zu entheben und entweder Repreſſalien zu gebrauchen oder aber eine Kriegserklärung ergehen zu laſſen. Iſt die Neutralität eine unvollkommene, ſo ſind ihre Grenzen der ſtrengſten Auslegung unterworfen. Es kann auch, wenn durch vorausgegangene Verträge einem kriegführenden Theile gewiſſe vor- theilhafte Zugeſtändniſſe gemacht ſind, der hierdurch benachtheilig- ten Partei das Recht nicht abgeſprochen werden, dieſe Vergünſti- gungen durch Reactionen zu paralyſiren, wenn nicht darauf von ihm verzichtet iſt. 1 Keinesweges kann er aber präciſe von dem Neutralen dieſelbe Vergünſtigung als ein Recht fordern. 2 Im Einzelnen. 147. In der erſten Hinſicht des vorigen Paragraphen darf kein neutraler Staat zugeben, daß eine Kriegspartei in ſeinem Ge- biete eine unmittelbar feindſelige Handlung gegen Perſonen oder Sachen der anderen Partei vornehme oder auch fortſetze, wenn er es zu hindern im Stande iſt. Vermag er dies nicht, ſo darf er wenigſtens keine Billigung zu erkennen geben, wodurch er fernere Handlungen der Art legaliſiren würde. Er muß demnach den ver- folgten Theil, ſo viel er ohne eigene Gefahr und Nachtheil vermag, in Schutz nehmen, und das ihm etwa ſchon Entzogene von dem anderen Theile wieder herausgeben laſſen. 3 Damit hängt zuſam- men, daß ein Neutraler keiner Partei die Ausübung der Priſenge- richtsbarkeit gegen die andere in ſeinem Gebiete erlauben darf, ſo wenig als er eine ſolche zu Gunſten des einen Theiles gegen die andere ſelbſt auszuüben berechtigt iſt, es ſei denn in denjenigen Fällen, wo überhaupt einem Neutralen zuſteht, über die Rechtmä- ßigkeit oder Unrechtmäßigkeit einer Priſe zu erkennen. 4 — Völlig unverfänglich iſt, wie ſich von ſelbſt verſteht, jede Beihilfe, welche einzelnen Nothleidenden der einen oder anderen Kriegspartei aus Menſchlichkeit geleiſtet wird. In der zweiten Hinſicht des vorigen Paragraphen darf der 1 Vgl. Nau’s Völkerr. §. 233. a. E. 2 Streitigkeiten über einen ſolchen Punct zwiſchen Großbritannien u. Nord- america ſ. bei Wheaton IV, 3, 3. 3 Bynkershoeck quaest. I, 8. v. Martens, Caper §. 18. Wheaton IV, 3. §. 4. 6. 7. 9. Bouchaud, théorie des traités de commerce. p. 183. 4 Darüber ſ. §. 138. und unten §. 167.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/270>, abgerufen am 21.11.2024.