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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Zweites Buch. §. 131.
welche jeder Theil, wie ihn das Glück mehr oder weniger begün-
stigt, zu seinem Vortheil als glücklicher Besitzer für die rechtlichen
Zwecke des Krieges benutzen kann, ohne einer Dikäodosie deshalb
unterworfen zu sein. Immer findet jedoch dieser Besitzstand we-
sentlich nur gegen die feindliche Staatsgewalt Statt, gegen die
Angehörigen derselben blos in so weit, als sie derselben unterwor-
fen sind, oder als die Nothwendigkeit dazu treibt. Man sieht diese
Idee des neueren Kriegsrechtes seit Groot immer entschiedener her-
vortreten; sie kann gegenwärtig jede Schüchternheit ablegen; denn
sie findet überall in den gesitteten Völkern Europas einen Nach-
hall. 1

Fortsetzung.

131. Als unmittelbare Folgerungen aus dem vorstehenden
neueren Kriegsprincip ergeben sich die nachstehenden Sätze:

I. Der eindringende Feind tritt nicht sofort durch die bloße
Besitzergreifung des anderseitigen Gebietes oder eines Thei-
les desselben an die Stelle der bisherigen Staatsgewalt, so
lange der letzteren noch eine Fortsetzung des Krieges, mit-
hin auch eine Umkehr des Kriegsglückes möglich ist. Erst
wenn eine vollständige Besiegung der bekriegten Staatsge-
walt (debellatio) eingetreten und dieselbe zu fernerem Wi-
derstande unfähig gemacht ist, kann sich der siegreiche Theil
auch der Staatsgewalt bemächtigen, und nun ein eigenes,
1 Unter den neuesten Schriftstellern nennen wir Isambert, Annales politi-
ques et diplomat. Introduction Par. 1823. p. CXV. "Nous pensons
avec Grotius qu'on acquiert par une guerre iuste autant de choses
qu'il en faut pour indemniser completement des frais de la guerre;
mais il n'est pas vrai que par le droit des gens on acquiere le droit
de la propriete entiere des biens des sujets. On n'admet plus au-
jourdhui le principe que la conquete engendre des droits. Il n'y a
d'immuable, dans la pratique des nations, que les principes qui deri-
vent immediatement du droit de la nature."
Zachariä 40 B. vom
Staate, IV, 1. S. 102. "Feindesgut, das Privateigenthum ist, steht un-
ter dem Schutze des Völkerrechts; es darf nur ausnahmsweise, wenn und
in wie fern der Zweck des Krieges nach Zeit und Umständen nicht anders
erreichbar ist, angetastet werden. Denn das Privatvermögen der Untertha-
nen ist nur in sofern ein Bestandtheil der Kriegsmacht der Staaten, als
einem jeden Staate die Herrschaft über das Vermögen seiner Unterthanen
zusteht."

Zweites Buch. §. 131.
welche jeder Theil, wie ihn das Glück mehr oder weniger begün-
ſtigt, zu ſeinem Vortheil als glücklicher Beſitzer für die rechtlichen
Zwecke des Krieges benutzen kann, ohne einer Dikäodoſie deshalb
unterworfen zu ſein. Immer findet jedoch dieſer Beſitzſtand we-
ſentlich nur gegen die feindliche Staatsgewalt Statt, gegen die
Angehörigen derſelben blos in ſo weit, als ſie derſelben unterwor-
fen ſind, oder als die Nothwendigkeit dazu treibt. Man ſieht dieſe
Idee des neueren Kriegsrechtes ſeit Groot immer entſchiedener her-
vortreten; ſie kann gegenwärtig jede Schüchternheit ablegen; denn
ſie findet überall in den geſitteten Völkern Europas einen Nach-
hall. 1

Fortſetzung.

131. Als unmittelbare Folgerungen aus dem vorſtehenden
neueren Kriegsprincip ergeben ſich die nachſtehenden Sätze:

I. Der eindringende Feind tritt nicht ſofort durch die bloße
Beſitzergreifung des anderſeitigen Gebietes oder eines Thei-
les deſſelben an die Stelle der bisherigen Staatsgewalt, ſo
lange der letzteren noch eine Fortſetzung des Krieges, mit-
hin auch eine Umkehr des Kriegsglückes möglich iſt. Erſt
wenn eine vollſtändige Beſiegung der bekriegten Staatsge-
walt (debellatio) eingetreten und dieſelbe zu fernerem Wi-
derſtande unfähig gemacht iſt, kann ſich der ſiegreiche Theil
auch der Staatsgewalt bemächtigen, und nun ein eigenes,
1 Unter den neueſten Schriftſtellern nennen wir Iſambert, Annales politi-
ques et diplomat. Introduction Par. 1823. p. CXV. „Nous pensons
avec Grotius qu’on acquiert par une guerre iuste autant de choses
qu’il en faut pour indemniser complètement des frais de la guerre;
mais il n’est pas vrai que par le droit des gens on acquière le droit
de la propriété entière des biens des sujets. On n’admet plus au-
jourdhui le principe que la conquête engendre des droits. Il n’y a
d’immuable, dans la pratique des nations, que les principes qui déri-
vent immédiatement du droit de la nature.“
Zachariä 40 B. vom
Staate, IV, 1. S. 102. „Feindesgut, das Privateigenthum iſt, ſteht un-
ter dem Schutze des Völkerrechts; es darf nur ausnahmsweiſe, wenn und
in wie fern der Zweck des Krieges nach Zeit und Umſtänden nicht anders
erreichbar iſt, angetaſtet werden. Denn das Privatvermögen der Untertha-
nen iſt nur in ſofern ein Beſtandtheil der Kriegsmacht der Staaten, als
einem jeden Staate die Herrſchaft über das Vermögen ſeiner Unterthanen
zuſteht.“
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[220/0244] Zweites Buch. §. 131. welche jeder Theil, wie ihn das Glück mehr oder weniger begün- ſtigt, zu ſeinem Vortheil als glücklicher Beſitzer für die rechtlichen Zwecke des Krieges benutzen kann, ohne einer Dikäodoſie deshalb unterworfen zu ſein. Immer findet jedoch dieſer Beſitzſtand we- ſentlich nur gegen die feindliche Staatsgewalt Statt, gegen die Angehörigen derſelben blos in ſo weit, als ſie derſelben unterwor- fen ſind, oder als die Nothwendigkeit dazu treibt. Man ſieht dieſe Idee des neueren Kriegsrechtes ſeit Groot immer entſchiedener her- vortreten; ſie kann gegenwärtig jede Schüchternheit ablegen; denn ſie findet überall in den geſitteten Völkern Europas einen Nach- hall. 1 Fortſetzung. 131. Als unmittelbare Folgerungen aus dem vorſtehenden neueren Kriegsprincip ergeben ſich die nachſtehenden Sätze: I. Der eindringende Feind tritt nicht ſofort durch die bloße Beſitzergreifung des anderſeitigen Gebietes oder eines Thei- les deſſelben an die Stelle der bisherigen Staatsgewalt, ſo lange der letzteren noch eine Fortſetzung des Krieges, mit- hin auch eine Umkehr des Kriegsglückes möglich iſt. Erſt wenn eine vollſtändige Beſiegung der bekriegten Staatsge- walt (debellatio) eingetreten und dieſelbe zu fernerem Wi- derſtande unfähig gemacht iſt, kann ſich der ſiegreiche Theil auch der Staatsgewalt bemächtigen, und nun ein eigenes, 1 Unter den neueſten Schriftſtellern nennen wir Iſambert, Annales politi- ques et diplomat. Introduction Par. 1823. p. CXV. „Nous pensons avec Grotius qu’on acquiert par une guerre iuste autant de choses qu’il en faut pour indemniser complètement des frais de la guerre; mais il n’est pas vrai que par le droit des gens on acquière le droit de la propriété entière des biens des sujets. On n’admet plus au- jourdhui le principe que la conquête engendre des droits. Il n’y a d’immuable, dans la pratique des nations, que les principes qui déri- vent immédiatement du droit de la nature.“ Zachariä 40 B. vom Staate, IV, 1. S. 102. „Feindesgut, das Privateigenthum iſt, ſteht un- ter dem Schutze des Völkerrechts; es darf nur ausnahmsweiſe, wenn und in wie fern der Zweck des Krieges nach Zeit und Umſtänden nicht anders erreichbar iſt, angetaſtet werden. Denn das Privatvermögen der Untertha- nen iſt nur in ſofern ein Beſtandtheil der Kriegsmacht der Staaten, als einem jeden Staate die Herrſchaft über das Vermögen ſeiner Unterthanen zuſteht.“

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/244>, abgerufen am 21.11.2024.