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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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§. 92. Völkerrecht im Zustand des Friedens.
a. Freundschaftsbündnisse oder Alliancen.

92. Zu den Freundschaftsbündnissen oder Alliancen im weitern
Umfang dürfen wir rechnen:

I. Verträge, welche lediglich ein friedliches und freundschaftli-
ches Verhalten gegen Einander zum Zweck haben und eine
gegenseitige Dikäodosie nach den Grundsätzen des Völkerrechts
ausdrücklich oder stillschweigend mit sich führen.

So schloß man in der älteren Zeit eigene Verträge, sich gegenseitig
nicht zu beleidigen und für etwanige Verletzungen Genugthuung
zu geben; 1 aus der neueren Praxis lassen sich dahin die Aner-
kennungsverträge
rechnen, wodurch man neue oder veränderte
Staatsgestaltungen und Titel als rechtgiltige annimmt und für die
Zukunft im gegenseitigen Verhalten als Norm gelten läßt. Bei-
spiele von umfassenderer Art und eigenthümlichen Inhalt sind die
bereits S. 9. angeführte h. Alliance 2 und die Aachener Congreßer-
klärung von 1818.

II. Verträge, wodurch man sich einen bestimmten Verkehr oder
gewisse Begünstigungen dabei, oder Gemeinsamkeit gewisser
Rechte einräumt.

1 So die griechischen sumbola peri tou me adikein. Vgl. des Verfassers
Athen. Ger. Verf. S. 89 flg. und die Zusätze dazu; auch Prolus. acad.
de antiquo j. gent. p. 7. s.
Dergleichen Verträge sind der erste Schritt
zu einem völkerrechtlichen Verhältniß. Sie kommen in dieser allgemeinen
Weise nicht mehr vor. Vgl. auch Vattel II, 12, §. 171.
2 Art. I. "Les trois monarques contractans demeureront unis par les
liens d'une fraternite veritable et indissolubile et se considerant comme
compatriotes, ils se preteront en toute occasion et en tout lieu assi-
stance, aide et secours; se regardant envers leurs sujets et armees
comme peres de famille, ils les dirigeront dans le meme esprit de fra-
ternite pour proteger la religion, la paix et la justice."
Art. II. "En
consequence le seul principe en vigueur soit entre les dits gouverne-
mens
soit entre leurs sujets sera celui de se rendre reciproquement
service, de se temoigner par une bienveillance inalterable l'affection mu-
tuelle dont ils doivent etre animes, de ne se considerer que comme
membres d'une meme nation chretienne etc."
Als juristische Wirkung sol-
cher Stipulationen kann hauptsächlich nur die Verbindlichkeit angesehn wer-
den, jede Feindseligkeit möglichst auszuschließen und freundschaftlichen Vor-
stellungen und Verhandlungen bei Abweichung von dem Princip der Ver-
einigung Raum zu geben, darin also keine unbefugte Einmischung zu er-
kennen, und sich eine den Umständen angemessene Unterstützung zu leisten.
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§. 92. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens.
a. Freundſchaftsbündniſſe oder Alliancen.

92. Zu den Freundſchaftsbündniſſen oder Alliancen im weitern
Umfang dürfen wir rechnen:

I. Verträge, welche lediglich ein friedliches und freundſchaftli-
ches Verhalten gegen Einander zum Zweck haben und eine
gegenſeitige Dikäodoſie nach den Grundſätzen des Völkerrechts
ausdrücklich oder ſtillſchweigend mit ſich führen.

So ſchloß man in der älteren Zeit eigene Verträge, ſich gegenſeitig
nicht zu beleidigen und für etwanige Verletzungen Genugthuung
zu geben; 1 aus der neueren Praxis laſſen ſich dahin die Aner-
kennungsverträge
rechnen, wodurch man neue oder veränderte
Staatsgeſtaltungen und Titel als rechtgiltige annimmt und für die
Zukunft im gegenſeitigen Verhalten als Norm gelten läßt. Bei-
ſpiele von umfaſſenderer Art und eigenthümlichen Inhalt ſind die
bereits S. 9. angeführte h. Alliance 2 und die Aachener Congreßer-
klärung von 1818.

II. Verträge, wodurch man ſich einen beſtimmten Verkehr oder
gewiſſe Begünſtigungen dabei, oder Gemeinſamkeit gewiſſer
Rechte einräumt.

1 So die griechiſchen σύμβολα πεϱὶ τοῦ μὴ ἀδικεῖν. Vgl. des Verfaſſers
Athen. Ger. Verf. S. 89 flg. und die Zuſätze dazu; auch Prolus. acad.
de antiquo j. gent. p. 7. s.
Dergleichen Verträge ſind der erſte Schritt
zu einem völkerrechtlichen Verhältniß. Sie kommen in dieſer allgemeinen
Weiſe nicht mehr vor. Vgl. auch Vattel II, 12, §. 171.
2 Art. I. „Les trois monarques contractans démeureront unis par les
liens d’une fraternité véritable et indissolubile et se considérant comme
compatriotes, ils se prêteront en toute occasion et en tout lieu assi-
stance, aide et sécours; se regardant envèrs leurs sujets et armées
comme pères de famille, ils les dirigeront dans le même esprit de fra-
ternité pour protéger la réligion, la paix et la justice.“
Art. II. „En
conséquence le seul principe en vigueur soit entre les dits gouverne-
mens
soit entre leurs sujets sera celui de se rendre reciproquement
service, de se témoigner par une bienveillance inaltérable l’affection mu-
tuelle dont ils doivent être animés, de ne se considérer que comme
membres d’une même nation chrétienne etc.“
Als juriſtiſche Wirkung ſol-
cher Stipulationen kann hauptſächlich nur die Verbindlichkeit angeſehn wer-
den, jede Feindſeligkeit möglichſt auszuſchließen und freundſchaftlichen Vor-
ſtellungen und Verhandlungen bei Abweichung von dem Princip der Ver-
einigung Raum zu geben, darin alſo keine unbefugte Einmiſchung zu er-
kennen, und ſich eine den Umſtänden angemeſſene Unterſtützung zu leiſten.
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[161/0185] §. 92. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens. a. Freundſchaftsbündniſſe oder Alliancen. 92. Zu den Freundſchaftsbündniſſen oder Alliancen im weitern Umfang dürfen wir rechnen: I. Verträge, welche lediglich ein friedliches und freundſchaftli- ches Verhalten gegen Einander zum Zweck haben und eine gegenſeitige Dikäodoſie nach den Grundſätzen des Völkerrechts ausdrücklich oder ſtillſchweigend mit ſich führen. So ſchloß man in der älteren Zeit eigene Verträge, ſich gegenſeitig nicht zu beleidigen und für etwanige Verletzungen Genugthuung zu geben; 1 aus der neueren Praxis laſſen ſich dahin die Aner- kennungsverträge rechnen, wodurch man neue oder veränderte Staatsgeſtaltungen und Titel als rechtgiltige annimmt und für die Zukunft im gegenſeitigen Verhalten als Norm gelten läßt. Bei- ſpiele von umfaſſenderer Art und eigenthümlichen Inhalt ſind die bereits S. 9. angeführte h. Alliance 2 und die Aachener Congreßer- klärung von 1818. II. Verträge, wodurch man ſich einen beſtimmten Verkehr oder gewiſſe Begünſtigungen dabei, oder Gemeinſamkeit gewiſſer Rechte einräumt. 1 So die griechiſchen σύμβολα πεϱὶ τοῦ μὴ ἀδικεῖν. Vgl. des Verfaſſers Athen. Ger. Verf. S. 89 flg. und die Zuſätze dazu; auch Prolus. acad. de antiquo j. gent. p. 7. s. Dergleichen Verträge ſind der erſte Schritt zu einem völkerrechtlichen Verhältniß. Sie kommen in dieſer allgemeinen Weiſe nicht mehr vor. Vgl. auch Vattel II, 12, §. 171. 2 Art. I. „Les trois monarques contractans démeureront unis par les liens d’une fraternité véritable et indissolubile et se considérant comme compatriotes, ils se prêteront en toute occasion et en tout lieu assi- stance, aide et sécours; se regardant envèrs leurs sujets et armées comme pères de famille, ils les dirigeront dans le même esprit de fra- ternité pour protéger la réligion, la paix et la justice.“ Art. II. „En conséquence le seul principe en vigueur soit entre les dits gouverne- mens soit entre leurs sujets sera celui de se rendre reciproquement service, de se témoigner par une bienveillance inaltérable l’affection mu- tuelle dont ils doivent être animés, de ne se considérer que comme membres d’une même nation chrétienne etc.“ Als juriſtiſche Wirkung ſol- cher Stipulationen kann hauptſächlich nur die Verbindlichkeit angeſehn wer- den, jede Feindſeligkeit möglichſt auszuſchließen und freundſchaftlichen Vor- ſtellungen und Verhandlungen bei Abweichung von dem Princip der Ver- einigung Raum zu geben, darin alſo keine unbefugte Einmiſchung zu er- kennen, und ſich eine den Umſtänden angemeſſene Unterſtützung zu leiſten. 11

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/185>, abgerufen am 21.11.2024.