die Europäer wieder Barbaren werden, so sind wenigstens die Deutschen [d]ie letzten.
25. Während jedoch Ausbildung der Sprache und Litteratur die Nation vereinigte, ward das po- litische Band, das alle umschlingen sollte, immer schlaffer. Dem Kayser blieb wenig mehr als sein mittelbarer Einfluß; und welcher Publicist außer- halb Oestreich hätte leicht eine Vergrößerung der Macht des Oberhaupts zu empfehlen gewagt? Die Zeit der Ruhe schien die Zeit für die Reformen zu seyn; 1776aber nicht mal die der Reichsgerichte konnte durch- gesetzt werden; wie wären, bey dem Verhältniß Oestreichs und Preußens, größere möglich gewesen? Trauriges Schicksal der Völker! Die Verderbniß ihrer Verfassungen ist unvermeidlich; und ihre Ver- besserung ohne gänzlichen Umsturz grenzt an die Unmöglichkeit!
6. Preußen.
26. Die Preussische Monarchie, von Friedrich II. in den Rang der ersten Mächte geho- ben, ward beynahe verdoppelt an Umfang und Volkszahl; aber die Grundlage der innern Organi- sation, schon von dem Vater gemacht, und mit ihr der innere Character dieses Staats, blieb der Hauptsache nach unverändert. Friedrich erweiterte,
ver-
II. Per. C. I. Geſch. d. ſuͤdl. Eur. Staatenſyſt.
die Europaͤer wieder Barbaren werden, ſo ſind wenigſtens die Deutſchen [d]ie letzten.
25. Waͤhrend jedoch Ausbildung der Sprache und Litteratur die Nation vereinigte, ward das po- litiſche Band, das alle umſchlingen ſollte, immer ſchlaffer. Dem Kayſer blieb wenig mehr als ſein mittelbarer Einfluß; und welcher Publiciſt außer- halb Oeſtreich haͤtte leicht eine Vergroͤßerung der Macht des Oberhaupts zu empfehlen gewagt? Die Zeit der Ruhe ſchien die Zeit fuͤr die Reformen zu ſeyn; 1776aber nicht mal die der Reichsgerichte konnte durch- geſetzt werden; wie waͤren, bey dem Verhaͤltniß Oeſtreichs und Preußens, groͤßere moͤglich geweſen? Trauriges Schickſal der Voͤlker! Die Verderbniß ihrer Verfaſſungen iſt unvermeidlich; und ihre Ver- beſſerung ohne gaͤnzlichen Umſturz grenzt an die Unmoͤglichkeit!
6. Preußen.
26. Die Preuſſiſche Monarchie, von Friedrich II. in den Rang der erſten Maͤchte geho- ben, ward beynahe verdoppelt an Umfang und Volkszahl; aber die Grundlage der innern Organi- ſation, ſchon von dem Vater gemacht, und mit ihr der innere Character dieſes Staats, blieb der Hauptſache nach unveraͤndert. Friedrich erweiterte,
ver-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><p><pbfacs="#f0482"n="444"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">II.</hi> Per. <hirendition="#aq">C. I.</hi> Geſch. d. ſuͤdl. Eur. Staatenſyſt.</hi></fw><lb/>
die Europaͤer wieder Barbaren werden, ſo ſind<lb/>
wenigſtens die Deutſchen <supplied>d</supplied>ie letzten.</p><lb/><p>25. Waͤhrend jedoch Ausbildung der Sprache<lb/>
und Litteratur die Nation vereinigte, ward das po-<lb/>
litiſche Band, das alle umſchlingen ſollte, immer<lb/>ſchlaffer. Dem Kayſer blieb wenig mehr als ſein<lb/>
mittelbarer Einfluß; und welcher Publiciſt außer-<lb/>
halb Oeſtreich haͤtte leicht eine Vergroͤßerung der<lb/>
Macht des Oberhaupts zu empfehlen gewagt? Die<lb/>
Zeit der Ruhe ſchien die Zeit fuͤr die Reformen zu ſeyn;<lb/><noteplace="left">1776</note>aber nicht mal die der Reichsgerichte konnte durch-<lb/>
geſetzt werden; wie waͤren, bey dem Verhaͤltniß<lb/>
Oeſtreichs und Preußens, groͤßere moͤglich geweſen?<lb/>
Trauriges Schickſal der Voͤlker! Die Verderbniß<lb/>
ihrer Verfaſſungen iſt unvermeidlich; und ihre Ver-<lb/>
beſſerung ohne gaͤnzlichen Umſturz grenzt an die<lb/>
Unmoͤglichkeit!</p></div><lb/><divn="6"><head>6. <hirendition="#g">Preußen</hi>.</head><lb/><p>26. Die <hirendition="#g">Preuſſiſche Monarchie</hi>, von<lb/>
Friedrich <hirendition="#aq">II.</hi> in den Rang der erſten Maͤchte geho-<lb/>
ben, ward beynahe verdoppelt an Umfang und<lb/>
Volkszahl; aber die Grundlage der innern Organi-<lb/>ſation, ſchon von dem Vater gemacht, und mit<lb/>
ihr der innere Character dieſes Staats, blieb der<lb/>
Hauptſache nach unveraͤndert. Friedrich erweiterte,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ver-</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[444/0482]
II. Per. C. I. Geſch. d. ſuͤdl. Eur. Staatenſyſt.
die Europaͤer wieder Barbaren werden, ſo ſind
wenigſtens die Deutſchen die letzten.
25. Waͤhrend jedoch Ausbildung der Sprache
und Litteratur die Nation vereinigte, ward das po-
litiſche Band, das alle umſchlingen ſollte, immer
ſchlaffer. Dem Kayſer blieb wenig mehr als ſein
mittelbarer Einfluß; und welcher Publiciſt außer-
halb Oeſtreich haͤtte leicht eine Vergroͤßerung der
Macht des Oberhaupts zu empfehlen gewagt? Die
Zeit der Ruhe ſchien die Zeit fuͤr die Reformen zu ſeyn;
aber nicht mal die der Reichsgerichte konnte durch-
geſetzt werden; wie waͤren, bey dem Verhaͤltniß
Oeſtreichs und Preußens, groͤßere moͤglich geweſen?
Trauriges Schickſal der Voͤlker! Die Verderbniß
ihrer Verfaſſungen iſt unvermeidlich; und ihre Ver-
beſſerung ohne gaͤnzlichen Umſturz grenzt an die
Unmoͤglichkeit!
1776
6. Preußen.
26. Die Preuſſiſche Monarchie, von
Friedrich II. in den Rang der erſten Maͤchte geho-
ben, ward beynahe verdoppelt an Umfang und
Volkszahl; aber die Grundlage der innern Organi-
ſation, ſchon von dem Vater gemacht, und mit
ihr der innere Character dieſes Staats, blieb der
Hauptſache nach unveraͤndert. Friedrich erweiterte,
ver-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/482>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.