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Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847.

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der obersten Classe der Gymnasien und dem Urtheile der Lehrer über
die wissenschaftlichen Leistungen der Schüler dieser Classe zum Grunde
liegt, und bei der Schlußberathung über den Ausfall der Prüfung
soll nur dasjenige Wissen und Können und nur diejenige Bildung der
Schüler entscheidend sein, welche ein wirkliches Eigenthum derselben
geworden ist. Eine solche Bildung läßt sich nicht durch eine übermä-
ßige Anstrengung während der letzten Monate vor der Prüfung, noch
weniger durch ein verworrenes Auswendiglernen von Namen, Jahres-
zahlen und unzusammenhängenden Notizen erjagen, sondern sie ist die
langsam reifende Frucht eines regelmäßigen, während des ganzen Gym-
nasial-Cursus stätigen Fleißes.

Diese Gesichtspunkte, welche das ganze Prüfungs-Geschäft leiten
sollen, sind den Schülern der obern Classen bei jeder schicklichen Ge-
legenheit möglichst eindringlich vorzuhalten, damit sie zur rechten Zeit
und auf die rechte Art sich eine gediegene Schulbildung erwerben, nicht
aber durch ein zweckwidriges, auf Ostentation berechnetes Sichabrichten
für die Prüfung, sich selbst täuschen, und die Prüfungsbehörde zu
täuschen suchen.

§. 12. Formen der Prüfung.

Die Prüfung zerfällt in eine schriftliche und mündliche; die eine
dient zur Berichtigung und Ergänzung der andern.

§. 13. Schriftliche Prüfung.

Mit der schriftlichen Prüfung, welche möglichst bald nach der
Meldung vorzunehmen ist, wird der Anfang gemacht.

§. 14. Wahl der Aufgaben für die schriftliche Prüfung.

Behufs der schriftlichen Prüfung sind solche Aufgaben zu wählen,
welche im Gesichtskreise der Schüler liegen, und zu deren augenblick-
lichen Behandlung auf eine, dem Zwecke entsprechende Weise Verstand,
Ueberlegung und Sprachkenntnisse ohne specielle Vorstudien hinreichen,
und über welche eine ausreichende Belehrung durch den vorgängigen
Gymnasial-Unterricht vorausgesetzt werden kann.

Die zu stellenden Aufgaben dürfen von den Abiturienten nicht
schon früher in der Schule bearbeitet sein.

§. 15.

Für jede schriftliche Arbeit werden mehrere Aufgaben von dem
Director und den prüfenden Lehrern vorgeschlagen, und dem Königl

der oberſten Claſſe der Gymnaſien und dem Urtheile der Lehrer über
die wiſſenſchaftlichen Leiſtungen der Schüler dieſer Claſſe zum Grunde
liegt, und bei der Schlußberathung über den Ausfall der Prüfung
ſoll nur dasjenige Wiſſen und Können und nur diejenige Bildung der
Schüler entſcheidend ſein, welche ein wirkliches Eigenthum derſelben
geworden iſt. Eine ſolche Bildung läßt ſich nicht durch eine übermä-
ßige Anſtrengung während der letzten Monate vor der Prüfung, noch
weniger durch ein verworrenes Auswendiglernen von Namen, Jahres-
zahlen und unzuſammenhängenden Notizen erjagen, ſondern ſie iſt die
langſam reifende Frucht eines regelmäßigen, während des ganzen Gym-
naſial-Curſus ſtätigen Fleißes.

Dieſe Geſichtspunkte, welche das ganze Prüfungs-Geſchäft leiten
ſollen, ſind den Schülern der obern Claſſen bei jeder ſchicklichen Ge-
legenheit möglichſt eindringlich vorzuhalten, damit ſie zur rechten Zeit
und auf die rechte Art ſich eine gediegene Schulbildung erwerben, nicht
aber durch ein zweckwidriges, auf Oſtentation berechnetes Sichabrichten
für die Prüfung, ſich ſelbſt täuſchen, und die Prüfungsbehörde zu
täuſchen ſuchen.

§. 12. Formen der Prüfung.

Die Prüfung zerfällt in eine ſchriftliche und mündliche; die eine
dient zur Berichtigung und Ergänzung der andern.

§. 13. Schriftliche Prüfung.

Mit der ſchriftlichen Prüfung, welche möglichſt bald nach der
Meldung vorzunehmen iſt, wird der Anfang gemacht.

§. 14. Wahl der Aufgaben für die ſchriftliche Prüfung.

Behufs der ſchriftlichen Prüfung ſind ſolche Aufgaben zu wählen,
welche im Geſichtskreiſe der Schüler liegen, und zu deren augenblick-
lichen Behandlung auf eine, dem Zwecke entſprechende Weiſe Verſtand,
Ueberlegung und Sprachkenntniſſe ohne ſpecielle Vorſtudien hinreichen,
und über welche eine ausreichende Belehrung durch den vorgängigen
Gymnaſial-Unterricht vorausgeſetzt werden kann.

Die zu ſtellenden Aufgaben dürfen von den Abiturienten nicht
ſchon früher in der Schule bearbeitet ſein.

§. 15.

Für jede ſchriftliche Arbeit werden mehrere Aufgaben von dem
Director und den prüfenden Lehrern vorgeſchlagen, und dem Königl

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[524/0538] der oberſten Claſſe der Gymnaſien und dem Urtheile der Lehrer über die wiſſenſchaftlichen Leiſtungen der Schüler dieſer Claſſe zum Grunde liegt, und bei der Schlußberathung über den Ausfall der Prüfung ſoll nur dasjenige Wiſſen und Können und nur diejenige Bildung der Schüler entſcheidend ſein, welche ein wirkliches Eigenthum derſelben geworden iſt. Eine ſolche Bildung läßt ſich nicht durch eine übermä- ßige Anſtrengung während der letzten Monate vor der Prüfung, noch weniger durch ein verworrenes Auswendiglernen von Namen, Jahres- zahlen und unzuſammenhängenden Notizen erjagen, ſondern ſie iſt die langſam reifende Frucht eines regelmäßigen, während des ganzen Gym- naſial-Curſus ſtätigen Fleißes. Dieſe Geſichtspunkte, welche das ganze Prüfungs-Geſchäft leiten ſollen, ſind den Schülern der obern Claſſen bei jeder ſchicklichen Ge- legenheit möglichſt eindringlich vorzuhalten, damit ſie zur rechten Zeit und auf die rechte Art ſich eine gediegene Schulbildung erwerben, nicht aber durch ein zweckwidriges, auf Oſtentation berechnetes Sichabrichten für die Prüfung, ſich ſelbſt täuſchen, und die Prüfungsbehörde zu täuſchen ſuchen. §. 12. Formen der Prüfung. Die Prüfung zerfällt in eine ſchriftliche und mündliche; die eine dient zur Berichtigung und Ergänzung der andern. §. 13. Schriftliche Prüfung. Mit der ſchriftlichen Prüfung, welche möglichſt bald nach der Meldung vorzunehmen iſt, wird der Anfang gemacht. §. 14. Wahl der Aufgaben für die ſchriftliche Prüfung. Behufs der ſchriftlichen Prüfung ſind ſolche Aufgaben zu wählen, welche im Geſichtskreiſe der Schüler liegen, und zu deren augenblick- lichen Behandlung auf eine, dem Zwecke entſprechende Weiſe Verſtand, Ueberlegung und Sprachkenntniſſe ohne ſpecielle Vorſtudien hinreichen, und über welche eine ausreichende Belehrung durch den vorgängigen Gymnaſial-Unterricht vorausgeſetzt werden kann. Die zu ſtellenden Aufgaben dürfen von den Abiturienten nicht ſchon früher in der Schule bearbeitet ſein. §. 15. Für jede ſchriftliche Arbeit werden mehrere Aufgaben von dem Director und den prüfenden Lehrern vorgeſchlagen, und dem Königl

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Zitationshilfe: Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847, S. 524. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847/538>, abgerufen am 21.11.2024.