Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

tritt zuletzt ein anderes Sprichwort ein, daß der Krug so lange zum Brunnen gehe, bis er bricht.

12.

Nun kommen zwey Sprichwörter und die sind beyde wahr, wenn sie schon einander widersprechen. Von zwey unbemittelten Brüdern hatte der eine keine Lust und keinen Muth etwas zu erwerben, weil ihm das Geld nicht zu den Fenstern hineinregnete. Er sagte immer: Wo nichts ist, kommt nichts hin. Und so war es auch. Er blieb sein Lebenlang der arme Bruder Wonichtsist, weil es ihm nie der Mühe werth war, mit einem kleinen Ersparniß den Anfang zu machen, um nach und nach zu einem größern Vermögen zu kommen. So dachte der jüngere Bruder nicht. Der pflegte zu sagen: Was nicht ist, das kann werden. Er hielt das Wenige, was ihm von der Verlassenschaft der Eltern zu Theil worden war, zu Rath, und vermehrte es nach und nach durch eigenes Ersparniß, indem er fleißig arbeitete und eingezogen lebte. Anfänglich gieng es hart und langsam. Aber sein Sprichwort: Was nicht ist, kann werden, gab ihm immer Muth und Hoffnung. Mit der Zeit gieng es besser. Er wurde durch unverdrossenen Fleiß und Gottes Segen noch ein reicher Mann, und ernährt jezt die Kinder des armen Bruders Wonichtsist, der selber nichts zu beissen und zu nagen hat.


tritt zuletzt ein anderes Sprichwort ein, daß der Krug so lange zum Brunnen gehe, bis er bricht.

12.

Nun kommen zwey Sprichwörter und die sind beyde wahr, wenn sie schon einander widersprechen. Von zwey unbemittelten Brüdern hatte der eine keine Lust und keinen Muth etwas zu erwerben, weil ihm das Geld nicht zu den Fenstern hineinregnete. Er sagte immer: Wo nichts ist, kommt nichts hin. Und so war es auch. Er blieb sein Lebenlang der arme Bruder Wonichtsist, weil es ihm nie der Mühe werth war, mit einem kleinen Ersparniß den Anfang zu machen, um nach und nach zu einem größern Vermögen zu kommen. So dachte der jüngere Bruder nicht. Der pflegte zu sagen: Was nicht ist, das kann werden. Er hielt das Wenige, was ihm von der Verlassenschaft der Eltern zu Theil worden war, zu Rath, und vermehrte es nach und nach durch eigenes Ersparniß, indem er fleißig arbeitete und eingezogen lebte. Anfänglich gieng es hart und langsam. Aber sein Sprichwort: Was nicht ist, kann werden, gab ihm immer Muth und Hoffnung. Mit der Zeit gieng es besser. Er wurde durch unverdrossenen Fleiß und Gottes Segen noch ein reicher Mann, und ernährt jezt die Kinder des armen Bruders Wonichtsist, der selber nichts zu beissen und zu nagen hat.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0096" n="88"/>
tritt zuletzt ein anderes Sprichwort ein, <hi rendition="#g">daß der Krug so lange zum Brunnen gehe, bis er bricht.</hi></p>
        </div>
        <div n="2">
          <head>12.</head><lb/>
          <p>Nun kommen zwey Sprichwörter und die sind beyde wahr, wenn sie schon einander widersprechen. Von zwey unbemittelten Brüdern hatte der eine keine Lust und keinen Muth etwas zu erwerben, weil ihm das Geld nicht zu den Fenstern hineinregnete. Er sagte immer: <hi rendition="#g">Wo nichts ist, kommt nichts hin</hi>. Und so war es auch. Er blieb sein Lebenlang der arme Bruder <hi rendition="#g">Wonichtsist</hi>, weil es ihm nie der Mühe werth war, mit einem kleinen Ersparniß den Anfang zu machen, um nach und nach zu einem größern Vermögen zu kommen. So dachte der jüngere Bruder nicht. Der pflegte zu sagen: <hi rendition="#g">Was nicht ist, das kann werden</hi>. Er hielt das Wenige, was ihm von der Verlassenschaft der Eltern zu Theil worden war, zu Rath, und vermehrte es nach und nach durch eigenes Ersparniß, indem er fleißig arbeitete und eingezogen lebte. Anfänglich gieng es hart und langsam. Aber sein Sprichwort: <hi rendition="#g">Was nicht ist, kann werden</hi>, gab ihm immer Muth und Hoffnung. Mit der Zeit gieng es besser. Er wurde durch unverdrossenen Fleiß und Gottes Segen noch ein reicher Mann, und ernährt jezt die Kinder des armen Bruders <hi rendition="#g">Wonichtsist</hi>, der selber nichts zu beissen und zu nagen hat. <milestone rendition="#hr" unit="section"/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0096] tritt zuletzt ein anderes Sprichwort ein, daß der Krug so lange zum Brunnen gehe, bis er bricht. 12. Nun kommen zwey Sprichwörter und die sind beyde wahr, wenn sie schon einander widersprechen. Von zwey unbemittelten Brüdern hatte der eine keine Lust und keinen Muth etwas zu erwerben, weil ihm das Geld nicht zu den Fenstern hineinregnete. Er sagte immer: Wo nichts ist, kommt nichts hin. Und so war es auch. Er blieb sein Lebenlang der arme Bruder Wonichtsist, weil es ihm nie der Mühe werth war, mit einem kleinen Ersparniß den Anfang zu machen, um nach und nach zu einem größern Vermögen zu kommen. So dachte der jüngere Bruder nicht. Der pflegte zu sagen: Was nicht ist, das kann werden. Er hielt das Wenige, was ihm von der Verlassenschaft der Eltern zu Theil worden war, zu Rath, und vermehrte es nach und nach durch eigenes Ersparniß, indem er fleißig arbeitete und eingezogen lebte. Anfänglich gieng es hart und langsam. Aber sein Sprichwort: Was nicht ist, kann werden, gab ihm immer Muth und Hoffnung. Mit der Zeit gieng es besser. Er wurde durch unverdrossenen Fleiß und Gottes Segen noch ein reicher Mann, und ernährt jezt die Kinder des armen Bruders Wonichtsist, der selber nichts zu beissen und zu nagen hat.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-12-03T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-12-03T13:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-12-03T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811/96
Zitationshilfe: Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811/96>, abgerufen am 22.12.2024.