Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite
Die leichteste Todesstrafe.

Man hat gemeynt, die Güllotine sey's. Aber nein! Ein Mann, der sonst seinem Vaterland viele Dienste geleistet hatte, und bey dem Fürsten wohl angeschrieben war, wurde wegen eines Verbrechens, das er in der Leidenschaft begangen hatte, zum Tode verurtheilt. Da half nicht bitten, nicht beten. Weil er aber sonst bey dem Fürsten wohl angeschrieben war, ließ ihm derselbe die Wahl, wie er am liebsten sterben wolle, denn welche Todesart er wählen würde, die sollte ihm werden. Also kam zu ihm in den Thurn der Oberamtsschreiber: "der Herzog will euch eine Gnade erweisen. Wenn ihr wollt gerädert seyn, will er euch rädern lassen; wenn ihr wollt gehenkt seyn, will er euch henken lassen, es hängen zwar schon zwey am Galgen, aber bekanntlich ist er dreischläferig. Wenn ihr aber wollt lieber Rattenpulver essen, der Apotheker hat. Denn welche Todesart ihr wählen werdet, sagt der Herzog, die soll euch werden. Aber sterben müßt ihr, das werdet ihr wissen." Da sagte der Malefikant: "Wenn ich denn doch sterben muß, das Rädern ist ein biegsamer Tod, und das Henken, wenn besonders der Wind geht, ein beweglicher. Aber ihr verstehts doch nicht recht. Meines Orts, ich habe immer geglaubt, der Tod aus Altersschwäche sey der sanfteste, und den will ich denn auch wählen, weil mir der Herzog die Wahl läßt, und keinen andern," und dabey blieb er, und ließ sichs nicht ausreden. Da mußte man ihn wieder laufen und fortleben lassen, bis er an Altersschwäche selber starb. Denn der Herzog sagte: Ich habe mein Wort gegeben, so will ichs auch nicht brechen.

Die leichteste Todesstrafe.

Man hat gemeynt, die Güllotine sey’s. Aber nein! Ein Mann, der sonst seinem Vaterland viele Dienste geleistet hatte, und bey dem Fürsten wohl angeschrieben war, wurde wegen eines Verbrechens, das er in der Leidenschaft begangen hatte, zum Tode verurtheilt. Da half nicht bitten, nicht beten. Weil er aber sonst bey dem Fürsten wohl angeschrieben war, ließ ihm derselbe die Wahl, wie er am liebsten sterben wolle, denn welche Todesart er wählen würde, die sollte ihm werden. Also kam zu ihm in den Thurn der Oberamtsschreiber: „der Herzog will euch eine Gnade erweisen. Wenn ihr wollt gerädert seyn, will er euch rädern lassen; wenn ihr wollt gehenkt seyn, will er euch henken lassen, es hängen zwar schon zwey am Galgen, aber bekanntlich ist er dreischläferig. Wenn ihr aber wollt lieber Rattenpulver essen, der Apotheker hat. Denn welche Todesart ihr wählen werdet, sagt der Herzog, die soll euch werden. Aber sterben müßt ihr, das werdet ihr wissen.“ Da sagte der Malefikant: „Wenn ich denn doch sterben muß, das Rädern ist ein biegsamer Tod, und das Henken, wenn besonders der Wind geht, ein beweglicher. Aber ihr verstehts doch nicht recht. Meines Orts, ich habe immer geglaubt, der Tod aus Altersschwäche sey der sanfteste, und den will ich denn auch wählen, weil mir der Herzog die Wahl läßt, und keinen andern,“ und dabey blieb er, und ließ sichs nicht ausreden. Da mußte man ihn wieder laufen und fortleben lassen, bis er an Altersschwäche selber starb. Denn der Herzog sagte: Ich habe mein Wort gegeben, so will ichs auch nicht brechen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0276" n="268"/>
      <div n="1">
        <head>Die leichteste Todesstrafe.</head><lb/>
        <p>Man hat gemeynt, die Güllotine sey&#x2019;s. Aber nein! Ein Mann, der sonst seinem Vaterland viele Dienste geleistet hatte, und bey dem Fürsten wohl angeschrieben war, wurde wegen eines Verbrechens, das er in der Leidenschaft begangen hatte, zum Tode verurtheilt. Da half nicht bitten, nicht beten. Weil er aber sonst bey dem Fürsten wohl angeschrieben war, ließ ihm derselbe die Wahl, wie er am liebsten sterben wolle, denn welche Todesart er wählen würde, die sollte ihm werden. Also kam zu ihm in den Thurn der Oberamtsschreiber: &#x201E;der Herzog will euch eine Gnade erweisen. Wenn ihr wollt gerädert seyn, will er euch rädern lassen; wenn ihr wollt gehenkt seyn, will er euch henken lassen, es hängen zwar schon zwey am Galgen, aber bekanntlich ist er dreischläferig. Wenn ihr aber wollt lieber Rattenpulver essen, der Apotheker hat. Denn welche Todesart ihr wählen werdet, sagt der Herzog, die soll euch werden. Aber sterben müßt ihr, das werdet ihr wissen.&#x201C; Da sagte der Malefikant: &#x201E;Wenn ich denn doch sterben muß, das Rädern ist ein biegsamer Tod, und das Henken, wenn besonders der Wind geht, ein beweglicher. Aber ihr verstehts doch nicht recht. Meines Orts, ich habe immer geglaubt, der Tod aus Altersschwäche sey der sanfteste, und den will ich denn auch wählen, weil mir der Herzog die Wahl läßt, und keinen andern,&#x201C; und dabey blieb er, und ließ sichs nicht ausreden. Da mußte man ihn wieder laufen und fortleben lassen, bis er an Altersschwäche selber starb. Denn der Herzog sagte: Ich habe mein Wort gegeben, so will ichs auch nicht brechen.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[268/0276] Die leichteste Todesstrafe. Man hat gemeynt, die Güllotine sey’s. Aber nein! Ein Mann, der sonst seinem Vaterland viele Dienste geleistet hatte, und bey dem Fürsten wohl angeschrieben war, wurde wegen eines Verbrechens, das er in der Leidenschaft begangen hatte, zum Tode verurtheilt. Da half nicht bitten, nicht beten. Weil er aber sonst bey dem Fürsten wohl angeschrieben war, ließ ihm derselbe die Wahl, wie er am liebsten sterben wolle, denn welche Todesart er wählen würde, die sollte ihm werden. Also kam zu ihm in den Thurn der Oberamtsschreiber: „der Herzog will euch eine Gnade erweisen. Wenn ihr wollt gerädert seyn, will er euch rädern lassen; wenn ihr wollt gehenkt seyn, will er euch henken lassen, es hängen zwar schon zwey am Galgen, aber bekanntlich ist er dreischläferig. Wenn ihr aber wollt lieber Rattenpulver essen, der Apotheker hat. Denn welche Todesart ihr wählen werdet, sagt der Herzog, die soll euch werden. Aber sterben müßt ihr, das werdet ihr wissen.“ Da sagte der Malefikant: „Wenn ich denn doch sterben muß, das Rädern ist ein biegsamer Tod, und das Henken, wenn besonders der Wind geht, ein beweglicher. Aber ihr verstehts doch nicht recht. Meines Orts, ich habe immer geglaubt, der Tod aus Altersschwäche sey der sanfteste, und den will ich denn auch wählen, weil mir der Herzog die Wahl läßt, und keinen andern,“ und dabey blieb er, und ließ sichs nicht ausreden. Da mußte man ihn wieder laufen und fortleben lassen, bis er an Altersschwäche selber starb. Denn der Herzog sagte: Ich habe mein Wort gegeben, so will ichs auch nicht brechen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-12-03T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-12-03T13:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-12-03T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811/276
Zitationshilfe: Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811/276>, abgerufen am 21.11.2024.