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Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811.

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Aber der Fremde sagte ganz kaltblütig und gelassen: "Ich hab ihn euch für falsch verkauft. Diese Herren hier sind Zeugen. Der Ring ist euer. Hab ich euch ihn angeschwätzt, oder habt ihr ihn mir abgeschwätzt?" Alle Anwesenden mußten gestehen: "Ja er hat ihm den Stein für falsch verkauft, und gesagt: der Ring ist euer." Also mußte der Jud den Ring behalten, und die Sache wurde nachher unterdrückt.-


Das schlaue Mädchen.

In einer großen Stadt hatten viele reiche und vornehme Herren einen lustigen Tag. Einer von ihnen dachte: "Könnt ihr heute dem Wirth und den Musikanten wenigstens 1500 Gulden zu verdienen geben, so könnt ihr auch etwas für die liebe Armuth steuren." Also kam, als die Herren am fröhlichsten waren, ein hübsches und nett gekleidetes Mädchen mit einem Teller, und bat mit süßen Blicken und liebem Wort um eine Steuer für die Armen. Jeder gab, der eine weniger, der andere mehr, je nachdem der Geldbeutel beschaffen war und das Herz. Denn kleiner Beutel und enges Herz gibt wenig. Weiter Beutel und großes Herz gibt viel. So ein Herz hatte derjenige, zu welchem das Mägdlein jetzt kommt. Denn als er ihm in die hellen schmeichelnden Augen schaute, gieng ihm das Herz fast in Liebe auf. Deßwegen legte er zwei Louisd'or auf den Teller und sagte dem Mägdlein ins Ohr: "Für deine zwey schönen blauen Augen." Das war nemlich so gemeint: "Weil du schöne Fürbitterin für die Armen, zwey so schöne Augen hast, so geb ich den Armen

Aber der Fremde sagte ganz kaltblütig und gelassen: „Ich hab ihn euch für falsch verkauft. Diese Herren hier sind Zeugen. Der Ring ist euer. Hab ich euch ihn angeschwätzt, oder habt ihr ihn mir abgeschwätzt?“ Alle Anwesenden mußten gestehen: „Ja er hat ihm den Stein für falsch verkauft, und gesagt: der Ring ist euer.“ Also mußte der Jud den Ring behalten, und die Sache wurde nachher unterdrückt.-


Das schlaue Mädchen.

In einer großen Stadt hatten viele reiche und vornehme Herren einen lustigen Tag. Einer von ihnen dachte: „Könnt ihr heute dem Wirth und den Musikanten wenigstens 1500 Gulden zu verdienen geben, so könnt ihr auch etwas für die liebe Armuth steuren.“ Also kam, als die Herren am fröhlichsten waren, ein hübsches und nett gekleidetes Mädchen mit einem Teller, und bat mit süßen Blicken und liebem Wort um eine Steuer für die Armen. Jeder gab, der eine weniger, der andere mehr, je nachdem der Geldbeutel beschaffen war und das Herz. Denn kleiner Beutel und enges Herz gibt wenig. Weiter Beutel und großes Herz gibt viel. So ein Herz hatte derjenige, zu welchem das Mägdlein jetzt kommt. Denn als er ihm in die hellen schmeichelnden Augen schaute, gieng ihm das Herz fast in Liebe auf. Deßwegen legte er zwei Louisd’or auf den Teller und sagte dem Mägdlein ins Ohr: „Für deine zwey schönen blauen Augen.“ Das war nemlich so gemeint: „Weil du schöne Fürbitterin für die Armen, zwey so schöne Augen hast, so geb ich den Armen

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[243/0251] Aber der Fremde sagte ganz kaltblütig und gelassen: „Ich hab ihn euch für falsch verkauft. Diese Herren hier sind Zeugen. Der Ring ist euer. Hab ich euch ihn angeschwätzt, oder habt ihr ihn mir abgeschwätzt?“ Alle Anwesenden mußten gestehen: „Ja er hat ihm den Stein für falsch verkauft, und gesagt: der Ring ist euer.“ Also mußte der Jud den Ring behalten, und die Sache wurde nachher unterdrückt.- Das schlaue Mädchen. In einer großen Stadt hatten viele reiche und vornehme Herren einen lustigen Tag. Einer von ihnen dachte: „Könnt ihr heute dem Wirth und den Musikanten wenigstens 1500 Gulden zu verdienen geben, so könnt ihr auch etwas für die liebe Armuth steuren.“ Also kam, als die Herren am fröhlichsten waren, ein hübsches und nett gekleidetes Mädchen mit einem Teller, und bat mit süßen Blicken und liebem Wort um eine Steuer für die Armen. Jeder gab, der eine weniger, der andere mehr, je nachdem der Geldbeutel beschaffen war und das Herz. Denn kleiner Beutel und enges Herz gibt wenig. Weiter Beutel und großes Herz gibt viel. So ein Herz hatte derjenige, zu welchem das Mägdlein jetzt kommt. Denn als er ihm in die hellen schmeichelnden Augen schaute, gieng ihm das Herz fast in Liebe auf. Deßwegen legte er zwei Louisd’or auf den Teller und sagte dem Mägdlein ins Ohr: „Für deine zwey schönen blauen Augen.“ Das war nemlich so gemeint: „Weil du schöne Fürbitterin für die Armen, zwey so schöne Augen hast, so geb ich den Armen

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Zitationshilfe: Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811/251>, abgerufen am 21.11.2024.