Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Husar in Neisse.

Als im Anfang der französischen Revolution die Preussen mit den Franzosen Krieg führten, und durch die Provinz Champagne zogen, dachten sie nicht daran, daß sich das Blättlein wenden könnte, und daß der Franzos noch im Jahr 1806. nach Preußen kommen, und den ungebetenen Besuch wett machen werde. Denn nicht Jeder führte sich auf, wie es einem braven Soldaten in Feindesland wohl ansteht. Unter andern drang damals ein brauner preußischer Husar, der ein böser Mensch war, in das Haus eines friedlichen Mannes ein, nahm ihm all sein baares Geld, so viel war, und viel Geldswerth, zuletzt auch noch das schöne Bett mit nagelneuem Ueberzug, und mißhandelte Mann und Frau. Ein Knabe von 8 Jahren bat ihn knieend, er möchte doch seinen Eltern nur das Bett wieder geben. Der Husar stoßt ihn unbarmherzig von sich. Die Tochter lauft ihm nach, hält ihn am Dollmann fest, und fleht um Barmherzigkeit. Er nimmt sie, und wirft sie in den Sodbrunnen, so im Hofe steht, und rettet seinen Raub. Nach Jahr und Tagen bekommt er seinen Abschied, setzt sich in der Stadt Neisse in Schlesien, denkt nimmer daran, was er einmal verübt hat, und meynt, es sey schon lange Gras darüber gewachsen. Allein, was geschieht im Jahr 1806? Die Franzosen rücken in Neisse ein; ein junger Sergeant wird Abends einquartiert bey einer braven Frau, die ihm wohl aufwartet. Der Sergeant ist auch brav, führt sich ordentlich auf, und scheint guter Dinge zu seyn. Den andern Morgen kommt der Sergeant nicht zum

Der Husar in Neisse.

Als im Anfang der französischen Revolution die Preussen mit den Franzosen Krieg führten, und durch die Provinz Champagne zogen, dachten sie nicht daran, daß sich das Blättlein wenden könnte, und daß der Franzos noch im Jahr 1806. nach Preußen kommen, und den ungebetenen Besuch wett machen werde. Denn nicht Jeder führte sich auf, wie es einem braven Soldaten in Feindesland wohl ansteht. Unter andern drang damals ein brauner preußischer Husar, der ein böser Mensch war, in das Haus eines friedlichen Mannes ein, nahm ihm all sein baares Geld, so viel war, und viel Geldswerth, zuletzt auch noch das schöne Bett mit nagelneuem Ueberzug, und mißhandelte Mann und Frau. Ein Knabe von 8 Jahren bat ihn knieend, er möchte doch seinen Eltern nur das Bett wieder geben. Der Husar stoßt ihn unbarmherzig von sich. Die Tochter lauft ihm nach, hält ihn am Dollmann fest, und fleht um Barmherzigkeit. Er nimmt sie, und wirft sie in den Sodbrunnen, so im Hofe steht, und rettet seinen Raub. Nach Jahr und Tagen bekommt er seinen Abschied, setzt sich in der Stadt Neisse in Schlesien, denkt nimmer daran, was er einmal verübt hat, und meynt, es sey schon lange Gras darüber gewachsen. Allein, was geschieht im Jahr 1806? Die Franzosen rücken in Neisse ein; ein junger Sergeant wird Abends einquartiert bey einer braven Frau, die ihm wohl aufwartet. Der Sergeant ist auch brav, führt sich ordentlich auf, und scheint guter Dinge zu seyn. Den andern Morgen kommt der Sergeant nicht zum

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0179" n="171"/>
      <div n="1">
        <head>Der Husar in Neisse.</head><lb/>
        <p>Als im Anfang der französischen Revolution die Preussen mit den Franzosen Krieg führten, und durch die Provinz Champagne zogen, dachten sie nicht daran, daß sich das Blättlein wenden könnte, und daß der Franzos noch im Jahr 1806. nach Preußen kommen, und den ungebetenen Besuch wett machen werde. Denn nicht Jeder führte sich auf, wie es einem braven Soldaten in Feindesland wohl ansteht. Unter andern drang damals ein brauner preußischer Husar, der ein böser Mensch war, in das Haus eines friedlichen Mannes ein, nahm ihm all sein baares Geld, so viel war, und viel Geldswerth, zuletzt auch noch das schöne Bett mit nagelneuem Ueberzug, und mißhandelte Mann und Frau. Ein Knabe von 8 Jahren bat ihn knieend, er möchte doch seinen Eltern nur das Bett wieder geben. Der Husar stoßt ihn unbarmherzig von sich. Die Tochter lauft ihm nach, hält ihn am Dollmann fest, und fleht um Barmherzigkeit. Er nimmt sie, und wirft sie in den Sodbrunnen, so im Hofe steht, und rettet seinen Raub. Nach Jahr und Tagen bekommt er seinen Abschied, setzt sich in der Stadt <hi rendition="#g">Neisse</hi> in Schlesien, denkt nimmer daran, was er einmal verübt hat, und meynt, es sey schon lange Gras darüber gewachsen. Allein, was geschieht im Jahr 1806? Die Franzosen rücken in Neisse ein; ein junger Sergeant wird Abends einquartiert bey einer braven Frau, die ihm wohl aufwartet. Der Sergeant ist auch brav, führt sich ordentlich auf, und scheint guter Dinge zu seyn. Den andern Morgen kommt der Sergeant nicht zum
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[171/0179] Der Husar in Neisse. Als im Anfang der französischen Revolution die Preussen mit den Franzosen Krieg führten, und durch die Provinz Champagne zogen, dachten sie nicht daran, daß sich das Blättlein wenden könnte, und daß der Franzos noch im Jahr 1806. nach Preußen kommen, und den ungebetenen Besuch wett machen werde. Denn nicht Jeder führte sich auf, wie es einem braven Soldaten in Feindesland wohl ansteht. Unter andern drang damals ein brauner preußischer Husar, der ein böser Mensch war, in das Haus eines friedlichen Mannes ein, nahm ihm all sein baares Geld, so viel war, und viel Geldswerth, zuletzt auch noch das schöne Bett mit nagelneuem Ueberzug, und mißhandelte Mann und Frau. Ein Knabe von 8 Jahren bat ihn knieend, er möchte doch seinen Eltern nur das Bett wieder geben. Der Husar stoßt ihn unbarmherzig von sich. Die Tochter lauft ihm nach, hält ihn am Dollmann fest, und fleht um Barmherzigkeit. Er nimmt sie, und wirft sie in den Sodbrunnen, so im Hofe steht, und rettet seinen Raub. Nach Jahr und Tagen bekommt er seinen Abschied, setzt sich in der Stadt Neisse in Schlesien, denkt nimmer daran, was er einmal verübt hat, und meynt, es sey schon lange Gras darüber gewachsen. Allein, was geschieht im Jahr 1806? Die Franzosen rücken in Neisse ein; ein junger Sergeant wird Abends einquartiert bey einer braven Frau, die ihm wohl aufwartet. Der Sergeant ist auch brav, führt sich ordentlich auf, und scheint guter Dinge zu seyn. Den andern Morgen kommt der Sergeant nicht zum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-12-03T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-12-03T13:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-12-03T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811/179
Zitationshilfe: Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811/179>, abgerufen am 21.11.2024.