Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844.Fünfte Scene. Leonhard. (allein) Ich muß! Ich muß sie heirathen! Und warum muß ich? Sie will einen verrückten Streich begehen, um ihren Vater von einem verrückten Streich abzuhalten; wo liegt die Nothwendigkeit, daß ich den ihrigen durch einen noch verrückteren verhindern muß? Ich kann sie nicht zugeben, wenigstens nicht eher, als bis ich denjenigen vor mir sehe, der mir wieder durch den allerverrücktesten zuvorkommen will, und wenn der eben so denkt, wie ich, so giebt's kein Ende. Das klingt ganz gescheut, und doch -- Ich muß ihr nach! Da kommt Jemand! Gott sey Dank, Nichts ist schmählicher, als sich mit seinen eigenen Gedanken abzanken müssen! Eine Rebellion im Kopf, wo man Wurm nach Wurm gebiert, und Einer den andern frißt oder in den Schwanz beißt, ist die schlimmste von allen! Sechste Scene. Secretair. (tritt ein) Guten Abend! Fünfte Scene. Leonhard. (allein) Ich muß! Ich muß ſie heirathen! Und warum muß ich? Sie will einen verrückten Streich begehen, um ihren Vater von einem verrückten Streich abzuhalten; wo liegt die Nothwendigkeit, daß ich den ihrigen durch einen noch verrückteren verhindern muß? Ich kann ſie nicht zugeben, wenigſtens nicht eher, als bis ich denjenigen vor mir ſehe, der mir wieder durch den allerverrückteſten zuvorkommen will, und wenn der eben ſo denkt, wie ich, ſo giebt’s kein Ende. Das klingt ganz geſcheut, und doch — Ich muß ihr nach! Da kommt Jemand! Gott ſey Dank, Nichts iſt ſchmählicher, als ſich mit ſeinen eigenen Gedanken abzanken müſſen! Eine Rebellion im Kopf, wo man Wurm nach Wurm gebiert, und Einer den andern frißt oder in den Schwanz beißt, iſt die ſchlimmſte von allen! Sechſte Scene. Secretair. (tritt ein) Guten Abend! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb n="103" facs="#f0171"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Fünfte Scene.</hi> </head><lb/> <sp who="#LEO"> <speaker><hi rendition="#g">Leonhard</hi>.</speaker><lb/> <stage>(allein)</stage> <p>Ich muß! Ich muß ſie heirathen! Und<lb/> warum muß ich? Sie will einen verrückten Streich<lb/> begehen, um ihren Vater von einem verrückten Streich<lb/> abzuhalten; wo liegt die Nothwendigkeit, daß ich den<lb/> ihrigen durch einen noch verrückteren verhindern muß?<lb/> Ich kann ſie nicht zugeben, wenigſtens nicht eher, als<lb/> bis ich denjenigen vor mir ſehe, der mir wieder durch<lb/> den allerverrückteſten zuvorkommen will, und wenn der<lb/> eben ſo denkt, wie ich, ſo giebt’s kein Ende. Das<lb/> klingt ganz geſcheut, und doch — Ich muß ihr<lb/> nach! Da kommt Jemand! Gott ſey Dank, Nichts<lb/> iſt ſchmählicher, als ſich mit ſeinen eigenen Gedanken<lb/> abzanken müſſen! Eine Rebellion im Kopf, wo man<lb/> Wurm nach Wurm gebiert, und Einer den andern<lb/> frißt oder in den Schwanz beißt, iſt die ſchlimmſte<lb/> von allen!</p> </sp> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Sechſte Scene.</hi> </head><lb/> <sp who="#SECRE"> <speaker><hi rendition="#g">Secretair</hi>.</speaker><lb/> <stage>(tritt ein)</stage> <p>Guten Abend!</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [103/0171]
Fünfte Scene.
Leonhard.
(allein) Ich muß! Ich muß ſie heirathen! Und
warum muß ich? Sie will einen verrückten Streich
begehen, um ihren Vater von einem verrückten Streich
abzuhalten; wo liegt die Nothwendigkeit, daß ich den
ihrigen durch einen noch verrückteren verhindern muß?
Ich kann ſie nicht zugeben, wenigſtens nicht eher, als
bis ich denjenigen vor mir ſehe, der mir wieder durch
den allerverrückteſten zuvorkommen will, und wenn der
eben ſo denkt, wie ich, ſo giebt’s kein Ende. Das
klingt ganz geſcheut, und doch — Ich muß ihr
nach! Da kommt Jemand! Gott ſey Dank, Nichts
iſt ſchmählicher, als ſich mit ſeinen eigenen Gedanken
abzanken müſſen! Eine Rebellion im Kopf, wo man
Wurm nach Wurm gebiert, und Einer den andern
frißt oder in den Schwanz beißt, iſt die ſchlimmſte
von allen!
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Zitationshilfe: | Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/171>, abgerufen am 03.03.2025. |