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Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten. Nr. 72, Hamburg, 5. Mai 1790.

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Mit allergnädigster Kayserlichen Freyheit.
Staats- und [Abbildung] Gelehrte
Zei- tung
des Hamburgischen unpartheyischen
CORRESPONDENTEN.

Anno 1790.    (Am Mittewochen, den 5 May.)    
Num. 72.



[Beginn Spaltensatz]

Parlementssachen.

Die Entscheidung über den Sclavenhandel ist am
verwichenen Freytage bis heute verschoben worden.
Herr Pitt erklärte, daß wenn er bloß als Mensch über
diesen Handel zu entscheiden hätte, er sagen würde,
daß derselbe unverzüglich aufgehoben werden müsse;
daß er aber als Minister mit sich selbst über diese Sache
noch nicht einig sey. Allem Ansehen nach wird es
wohl bey dem alten bleiben, und über diese große An-
gelegenheit wie von der Französischen Nationalver-
sammlung entschieden werden. -- Herr Pitt wollte
am Freytage seine neue Tobacks-Accisebill zum zweyten
male vorgelesen haben; allein Herr Sheridan und ver-
schiedene andere widersetzten sich, weil die Tobacks-
fabrikanten nicht Zeit genug gehabt hätten, darüber zu
berathschlagen, und bey dem Parlemente deswegen
einzukommen. Herr Pitt bequemte sich also, die Vor-
lesung bis heute zu verschieben. -- Gestern sind im
Unterhause 200000 Pf. Sterl. zur Abbezahlung der
Schulden beym Seewesen bewilligt worden, so wie
34000 Pf. zu geheimen Absichten.




Die folgenden Ostindischen Schiffe sind innerhalb
dieser Tage wohlbehalten angekommen: Lascelles von
China; Busbridge von Bengal und Madras; Middle-
sex von China, und Ganges von eben da her.

Mit dem Ostindienfahrer Middlesex ist die unange-
nehme Nachricht eingelaufen, daß die Fregatte, Guar-
dian von 44 Kanonen, die mit einer Ladung von
70000 Pf. Sterl. an Werth nach Botanybay bestimmt
war, unter dem 44sten Grade südlicher Breite verun-
glückt ist. Sie scheiterte an einer großen Masse Eis
oder Eisfelder, und ob man gleich alles that, um sie
zu retten, war gleichwol alle angewandte Mühe ver-
gebens. Einige von der Mannschaft aber sind gerettet,
[Spaltenumbruch] der Capitain Rion, der die Fregatte commandirte,
wollte sie durchaus nicht verlassen. Verschiedene
Officiere, nebst dem Schiffsprediger und einigen Ma-
trosen, begaben sich am 25sten December von dem ver-
unglückten Schiffe in 4 Böte, und verließen dasselbe.
Eines derselben, darinn sich 6 Matrosen, 5 Officiere
und der Schiffsprediger befanden, begegnete glücklicher
Weise, nachdem es 10 Tage auf der See herumgewor-
fen war, einem Französischen Kauffahrteyschiffe, 80
Seemeilen weit vom Vorgebirge Natol, welches sie
aufnahm, und nach dem Vorgebirge der guten Hoff-
nung brachte, von da sie die Französische Fregatte,
Driade, nach der Jnsel St. Helena brachte, wo sie
den Ostindienfahrer Middlesex antrafen, in dem sie
mit nach England gekommen. Man fürchtet, daß die
3 andern Böte verlohren gegangen.

Gestern sind an dem hiesigen Postamte nicht weniger
denn 2877 Briefe, die mit Ostindischen Schiffen, und
5588, die mit einem Westindischen Postschiffe ange-
kommen sind, ausgeliefert worden.

Da der Gouverneur des Havens zu Portsmouth in
Erfahrung gebracht, daß sich eine Menge Englischer
Matrosen, von den beyden mehrmals gemeldeten
Schwedischen Ostindienfahrern, die dorten lange ge-
legen, habe anwerben lassen, so ließ er die Anforderung
thun, daß sie sogleich ausgeliefert würden. Wie man
sich wegerte, gab er den Fregatten Hebe, Cargsfort
und Southampton Befehl, sich neben den Schwedi-
schen Schiffen zu legen, und das Auslaufen derselben
zu verhindern. Die Sache ward endlich dahin ver-
glichen, daß eine Anzahl Schwedischer Matrosen, die
sich auf den Englischen Gardeschiffen im Haven befan-
den, gegen die Britischen auf den Schwedischen
Schiffen, welche ausgeliefert werden mußten, abgege-
ben wurden. Die Schwedischen Schiffe haben Spi-
thead verlassen, und sind in See gegangen.

Mit unsern angekommenen Ostindienfahrern ist die

Mit allergnaͤdigſter Kayſerlichen Freyheit.
Staats- und [Abbildung] Gelehrte
Zei- tung
des Hamburgiſchen unpartheyiſchen
CORRESPONDENTEN.

Anno 1790.    (Am Mittewochen, den 5 May.)    
Num. 72.



[Beginn Spaltensatz]

Parlementsſachen.

Die Entſcheidung uͤber den Sclavenhandel iſt am
verwichenen Freytage bis heute verſchoben worden.
Herr Pitt erklaͤrte, daß wenn er bloß als Menſch uͤber
dieſen Handel zu entſcheiden haͤtte, er ſagen wuͤrde,
daß derſelbe unverzuͤglich aufgehoben werden muͤſſe;
daß er aber als Miniſter mit ſich ſelbſt uͤber dieſe Sache
noch nicht einig ſey. Allem Anſehen nach wird es
wohl bey dem alten bleiben, und uͤber dieſe große An-
gelegenheit wie von der Franzoͤſiſchen Nationalver-
ſammlung entſchieden werden. — Herr Pitt wollte
am Freytage ſeine neue Tobacks-Acciſebill zum zweyten
male vorgeleſen haben; allein Herr Sheridan und ver-
ſchiedene andere widerſetzten ſich, weil die Tobacks-
fabrikanten nicht Zeit genug gehabt haͤtten, daruͤber zu
berathſchlagen, und bey dem Parlemente deswegen
einzukommen. Herr Pitt bequemte ſich alſo, die Vor-
leſung bis heute zu verſchieben. — Geſtern ſind im
Unterhauſe 200000 Pf. Sterl. zur Abbezahlung der
Schulden beym Seeweſen bewilligt worden, ſo wie
34000 Pf. zu geheimen Abſichten.




Die folgenden Oſtindiſchen Schiffe ſind innerhalb
dieſer Tage wohlbehalten angekommen: Laſcelles von
China; Buſbridge von Bengal und Madras; Middle-
ſex von China, und Ganges von eben da her.

Mit dem Oſtindienfahrer Middleſex iſt die unange-
nehme Nachricht eingelaufen, daß die Fregatte, Guar-
dian von 44 Kanonen, die mit einer Ladung von
70000 Pf. Sterl. an Werth nach Botanybay beſtimmt
war, unter dem 44ſten Grade ſuͤdlicher Breite verun-
gluͤckt iſt. Sie ſcheiterte an einer großen Maſſe Eis
oder Eisfelder, und ob man gleich alles that, um ſie
zu retten, war gleichwol alle angewandte Muͤhe ver-
gebens. Einige von der Mannſchaft aber ſind gerettet,
[Spaltenumbruch] der Capitain Rion, der die Fregatte commandirte,
wollte ſie durchaus nicht verlaſſen. Verſchiedene
Officiere, nebſt dem Schiffsprediger und einigen Ma-
troſen, begaben ſich am 25ſten December von dem ver-
ungluͤckten Schiffe in 4 Boͤte, und verließen daſſelbe.
Eines derſelben, darinn ſich 6 Matroſen, 5 Officiere
und der Schiffsprediger befanden, begegnete gluͤcklicher
Weiſe, nachdem es 10 Tage auf der See herumgewor-
fen war, einem Franzoͤſiſchen Kauffahrteyſchiffe, 80
Seemeilen weit vom Vorgebirge Natol, welches ſie
aufnahm, und nach dem Vorgebirge der guten Hoff-
nung brachte, von da ſie die Franzoͤſiſche Fregatte,
Driade, nach der Jnſel St. Helena brachte, wo ſie
den Oſtindienfahrer Middleſex antrafen, in dem ſie
mit nach England gekommen. Man fuͤrchtet, daß die
3 andern Boͤte verlohren gegangen.

Geſtern ſind an dem hieſigen Poſtamte nicht weniger
denn 2877 Briefe, die mit Oſtindiſchen Schiffen, und
5588, die mit einem Weſtindiſchen Poſtſchiffe ange-
kommen ſind, ausgeliefert worden.

Da der Gouverneur des Havens zu Portsmouth in
Erfahrung gebracht, daß ſich eine Menge Engliſcher
Matroſen, von den beyden mehrmals gemeldeten
Schwediſchen Oſtindienfahrern, die dorten lange ge-
legen, habe anwerben laſſen, ſo ließ er die Anforderung
thun, daß ſie ſogleich ausgeliefert wuͤrden. Wie man
ſich wegerte, gab er den Fregatten Hebe, Cargsfort
und Southampton Befehl, ſich neben den Schwedi-
ſchen Schiffen zu legen, und das Auslaufen derſelben
zu verhindern. Die Sache ward endlich dahin ver-
glichen, daß eine Anzahl Schwediſcher Matroſen, die
ſich auf den Engliſchen Gardeſchiffen im Haven befan-
den, gegen die Britiſchen auf den Schwediſchen
Schiffen, welche ausgeliefert werden mußten, abgege-
ben wurden. Die Schwediſchen Schiffe haben Spi-
thead verlaſſen, und ſind in See gegangen.

Mit unſern angekommenen Oſtindienfahrern iſt die

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[[1]/0001] Mit allergnaͤdigſter Kayſerlichen Freyheit. Staats- und [Abbildung] Gelehrte Zei- tung des Hamburgiſchen unpartheyiſchen CORRESPONDENTEN. Anno 1790. (Am Mittewochen, den 5 May.) Num. 72. Schreiben aus London, vom 27 April. Parlementsſachen. Die Entſcheidung uͤber den Sclavenhandel iſt am verwichenen Freytage bis heute verſchoben worden. Herr Pitt erklaͤrte, daß wenn er bloß als Menſch uͤber dieſen Handel zu entſcheiden haͤtte, er ſagen wuͤrde, daß derſelbe unverzuͤglich aufgehoben werden muͤſſe; daß er aber als Miniſter mit ſich ſelbſt uͤber dieſe Sache noch nicht einig ſey. Allem Anſehen nach wird es wohl bey dem alten bleiben, und uͤber dieſe große An- gelegenheit wie von der Franzoͤſiſchen Nationalver- ſammlung entſchieden werden. — Herr Pitt wollte am Freytage ſeine neue Tobacks-Acciſebill zum zweyten male vorgeleſen haben; allein Herr Sheridan und ver- ſchiedene andere widerſetzten ſich, weil die Tobacks- fabrikanten nicht Zeit genug gehabt haͤtten, daruͤber zu berathſchlagen, und bey dem Parlemente deswegen einzukommen. Herr Pitt bequemte ſich alſo, die Vor- leſung bis heute zu verſchieben. — Geſtern ſind im Unterhauſe 200000 Pf. Sterl. zur Abbezahlung der Schulden beym Seeweſen bewilligt worden, ſo wie 34000 Pf. zu geheimen Abſichten. Die folgenden Oſtindiſchen Schiffe ſind innerhalb dieſer Tage wohlbehalten angekommen: Laſcelles von China; Buſbridge von Bengal und Madras; Middle- ſex von China, und Ganges von eben da her. Mit dem Oſtindienfahrer Middleſex iſt die unange- nehme Nachricht eingelaufen, daß die Fregatte, Guar- dian von 44 Kanonen, die mit einer Ladung von 70000 Pf. Sterl. an Werth nach Botanybay beſtimmt war, unter dem 44ſten Grade ſuͤdlicher Breite verun- gluͤckt iſt. Sie ſcheiterte an einer großen Maſſe Eis oder Eisfelder, und ob man gleich alles that, um ſie zu retten, war gleichwol alle angewandte Muͤhe ver- gebens. Einige von der Mannſchaft aber ſind gerettet, der Capitain Rion, der die Fregatte commandirte, wollte ſie durchaus nicht verlaſſen. Verſchiedene Officiere, nebſt dem Schiffsprediger und einigen Ma- troſen, begaben ſich am 25ſten December von dem ver- ungluͤckten Schiffe in 4 Boͤte, und verließen daſſelbe. Eines derſelben, darinn ſich 6 Matroſen, 5 Officiere und der Schiffsprediger befanden, begegnete gluͤcklicher Weiſe, nachdem es 10 Tage auf der See herumgewor- fen war, einem Franzoͤſiſchen Kauffahrteyſchiffe, 80 Seemeilen weit vom Vorgebirge Natol, welches ſie aufnahm, und nach dem Vorgebirge der guten Hoff- nung brachte, von da ſie die Franzoͤſiſche Fregatte, Driade, nach der Jnſel St. Helena brachte, wo ſie den Oſtindienfahrer Middleſex antrafen, in dem ſie mit nach England gekommen. Man fuͤrchtet, daß die 3 andern Boͤte verlohren gegangen. Geſtern ſind an dem hieſigen Poſtamte nicht weniger denn 2877 Briefe, die mit Oſtindiſchen Schiffen, und 5588, die mit einem Weſtindiſchen Poſtſchiffe ange- kommen ſind, ausgeliefert worden. Da der Gouverneur des Havens zu Portsmouth in Erfahrung gebracht, daß ſich eine Menge Engliſcher Matroſen, von den beyden mehrmals gemeldeten Schwediſchen Oſtindienfahrern, die dorten lange ge- legen, habe anwerben laſſen, ſo ließ er die Anforderung thun, daß ſie ſogleich ausgeliefert wuͤrden. Wie man ſich wegerte, gab er den Fregatten Hebe, Cargsfort und Southampton Befehl, ſich neben den Schwedi- ſchen Schiffen zu legen, und das Auslaufen derſelben zu verhindern. Die Sache ward endlich dahin ver- glichen, daß eine Anzahl Schwediſcher Matroſen, die ſich auf den Engliſchen Gardeſchiffen im Haven befan- den, gegen die Britiſchen auf den Schwediſchen Schiffen, welche ausgeliefert werden mußten, abgege- ben wurden. Die Schwediſchen Schiffe haben Spi- thead verlaſſen, und ſind in See gegangen. Mit unſern angekommenen Oſtindienfahrern iſt die

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Zitationshilfe: Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten. Nr. 72, Hamburg, 5. Mai 1790, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hc_720505_1790/1>, abgerufen am 30.12.2024.