Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Staats- und Gelehrte Zeitung Des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten. Nr. 111, Hamburg, 12. Julii 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch] Den meisten Schaden haben wol die Städte Grimma
und Chemnitz empfunden.

An letzterm Orte sind die Vorstädte ganz überschwem-
met, und nebst einigen Häusern, auch ein Theil der
Hospitalkirche vor dem Johannisthore eingerissen worden.

Aus Grimma ist uns folgendes Schreiben vom 1sten
dieses zu Händen gekommen: "Als ein von Angst und
Schrecken noch Halbtodter berichte, daß wir von ge-
stern an eine der entsetzlichsten Wasserfluthen gehabt.
Das Wasser der Mulda stieg so schnell, daß der Stadt-
rath sogleich 3 Thore verrammeln ließ, welches hier nur
sehr selten geschieht. Allein, diese Vorsicht war ver-
gebens; denn um 11 Uhr riß die Fluth die Thore und
Stadtmauern ein, und stieg nunmehr so schnell in der
Stadt, daß man sich kaum die Treppen hinauf in die
obersten Zimmer retten konnte. Hinter mir sprangen
die Thüren mit einem entsetzlichen Geprassel auf, und
Fenster, Spiegel, Schränke, Stühle und Betten, alles
stürzte mit dem fürchterlichsten Getöse unter einander.
Das Wasser stieg zum Erstaunen, so, daß auf unserer
Gasse, welche doch selten etwas vom Wasser zu empfin-
den pflegt, von manchen Häusern kaum die Hausthüren
zu sehen waren. Das Brausen und Geheule der Fluth
war schrecklich, aber noch schrecklicher, überall Trümmern
eingestürzter Häuser, mit dem Hausrathe vermischt, um-
her treiben zu sehen. Um Mitternacht ward das Wasser
so wüthend, daß es zur Rechten und Linken mit dem fürch-
terlichsten Geprassel Häuser einstürzte. Wie kläglich
lautete zugleich nicht das Angstgeschrey verunglückter
Personen und Kinder, denen doch niemand helfen konnte!
Des Morgens um 3 Uhr wurde Feuer geschrien, und
gestürmet. Diese neue Angst gieng indessen noch glück-
lich vorüber, weil das Stürmen nach einer halben
Stunde nachließ. Wie viel Häuser eingestürzt, und Per-
sonen ertrunken sind, ist noch nicht bekannt, weil noch
jetzt niemand zu einander kommen kann. Das Wasser fällt
zwar, aber sehr sparsam, und Kutsche, Wagen und Ge-
schirr schwimmen noch in meinem Hofe unter einander."

Nach Briefen aus Dresden vom 1sten dieses sind der
dasige Lendgraben und Kaditzer Bach gleichfalls ausge-
treten, und zwar so, daß nicht nur die Felder, sondern
auch der große Garten, und Sr. Durchl. des Feldmar-
schalls, Chevaliers de Saxe, Garten völlig unter Wasser
stehen.

Von Annaberg im Erzgebürge erhält man die betrübte
Nachricht, daß zwischen dieser Stadt und dem bekann-
ten großen Bielberg am 29sten Junii ein Wolkenbruch
gefallen, welcher die traurigsten Verwüstungen verur-
sachet hat.


Den 29sten vorigen Monats haben Se. Excellenz, der
Herr geheime Rath von Wenkstern, den an Ihre Statt
zum Präsidenten des Königl. und Churfürstl. Ober-Ap-
pellations-Gerichts ernannten bisherigen geheimen
Kammerrath von Schlepegrell bey selbigem eingeführet.


Gestern ist der Rittmeister, Herr Osborne, als Cou-
rier von Copenhagen durch hiesige Gegend nach London
gegangen, um die angenehme Nachricht dahin zu brin-
gen, daß Ihro Majestät, die Königinn von Dännemark,
den 7ten dieses von einer Prinzeßinn glücklich entbunden
worden.

Durch den vorgestern gedachten Bruch des Elbdeiches
ist das Wasser tief in die sogenannten Vierlande gedrun-
gen, und im Billwärder ist man nicht außer Sorgen.
Indessen sind schon bey 2000 Landleute in den benach-
[Spaltenumbruch] barten Gegenden bis zum Hamm und Horn aufgeboten, um
die Außen- und Binnen-Deiche standvest zu erhalten. An
den Orten, wo die Deiche niedrig sind, arbeiten die Ein-
wohner eifrigst an der Erhöhung derselben. Sonst stehet
das Wasser in der Elbe hier noch sehr hoch, da es wegen des
starken anhaltenden Westwindes nicht sonderlich abfließen
kann. In einigen Gegenden haben die Leute ihre Häu-
ser verlassen, und auf den Deichen ihren Aufenthalt
nehmen müssen. In Lauenburg fähret man mit
Kähnen auf den Straßen, und beym Zollenspiecker ist
die Ueberfahrt so schwer, daß der Reichspostillion gestern
und heute zu Fuße mit seinem Felleisen über den Deich
angekommen ist. Heute hat er bloß die Briefe von
Braunschweig und den dortigen Gegenden mitgebracht.
Die jüngsten Briefe aus Italien und dem ganzen Reiche
waren daselbst, wegen der großen Ueberschwemmungen,
noch nicht eingegangen.



Von gelehrten Sachen.
"Die Inoculation der Liebe. Eine Erzählung.
"Leipzig, bey Weidmanns Erben und Reich. 1771."


Wie reizend, (sagt der Verfasser der Wilhelmine zu dem
Herrn Kreissteuereinnehmer Weiße in Leipzig, dem er
diese Erzählung zueignet,) stell ich nur die freyen sichern
Zeiten

Horazens und Proporzens, vor,
Wo nie ein Mensch um andrer Menschlichkeiten
Das Maul verzog, und nur ein Wort verlor.
Man rechnete dem Dichter seine Lieder
Nicht für Verbrechen an, und Cicero rief nicht:
"Wer einen Wieland, lieben Brüder,
"Wer einen Wieland liest, der ist ein Bösewicht."
Wir sollten nicht denken, daß auch in unsern Zeiten
jemand für einen Bösewicht werde ausgerufen werden,
wenn er die Inoculation lieset. Der Liebe Macht ist
allgemein, und so lange diese dauert, werden die Dich-
ter nicht aufhören von Liebe zu singen. Zu wünschen
wäre es, daß von ihnen immer Bescheidenheit dem
Schimmer des allzu freyen Putzes
vorgezogen werde,
wie unsere gesittete Damen es machen. Man kann
mit dem Verfasser dieser Erzählung in diesem Punkte
so ziemlich zufrieden seyn. Sonst ist die Manier in der-
selben ganz Wielandisch; daher auch dieser berühmte
Dichter von einigen für den Verfasser der Inoculation
gehalten worden. Wir wollen den Plan nur kurz aus-
ziehen. Nicht weit von Maynz
Da lebte kürzlich noch, dem fetten Vaterlande,
Dem Adel und der Welt zu Schande
Ein altes geiziges stiftmäßiges Scelet:
Ich nenn es Harpagon. --
Dieser mit starken Farben gezeichnete Filz verheirathete
sich, und zeugte eine Tochter, deren Mutter gleich nach
ihrer Geburt starb. Ein gutes Bauerweib nahm das
Kind für ein geringes Kostgeld an, und erzog es bis
ins 15te Jahre recht mütterlich.
Das Fräulein war nun hübsch und groß,
Empfindlich, aber unerfahren.
Einst las es in den Zeitungen, Dimsdale, der Blatter-
impfter
, sey in Frankfurt gewesen, und habe viele Mäd-
chen, mit Hülfe seiner Cur, vor dem Verlust ihrer
Reize zu ihrem Troste gesichert. Sie wünschte sich eben-
falls einen solchen Arzt, da sie sahe, wie sehr ihre Pfleg-
mutter durch die Blattern im Gesicht verdorben war,

[Spaltenumbruch] Den meiſten Schaden haben wol die Staͤdte Grimma
und Chemnitz empfunden.

An letzterm Orte ſind die Vorſtaͤdte ganz uͤberſchwem-
met, und nebſt einigen Haͤuſern, auch ein Theil der
Hoſpitalkirche vor dem Johañisthore eingeriſſen worden.

Aus Grimma iſt uns folgendes Schreiben vom 1ſten
dieſes zu Haͤnden gekommen: "Als ein von Angſt und
Schrecken noch Halbtodter berichte, daß wir von ge-
ſtern an eine der entſetzlichſten Waſſerfluthen gehabt.
Das Waſſer der Mulda ſtieg ſo ſchnell, daß der Stadt-
rath ſogleich 3 Thore verrammeln ließ, welches hier nur
ſehr ſelten geſchieht. Allein, dieſe Vorſicht war ver-
gebens; denn um 11 Uhr riß die Fluth die Thore und
Stadtmauern ein, und ſtieg nunmehr ſo ſchnell in der
Stadt, daß man ſich kaum die Treppen hinauf in die
oberſten Zimmer retten konnte. Hinter mir ſprangen
die Thuͤren mit einem entſetzlichen Gepraſſel auf, und
Fenſter, Spiegel, Schraͤnke, Stuͤhle und Betten, alles
ſtuͤrzte mit dem fuͤrchterlichſten Getoͤſe unter einander.
Das Waſſer ſtieg zum Erſtaunen, ſo, daß auf unſerer
Gaſſe, welche doch ſelten etwas vom Waſſer zu empfin-
den pflegt, von manchen Haͤuſern kaum die Hausthuͤren
zu ſehen waren. Das Brauſen und Geheule der Fluth
war ſchrecklich, aber noch ſchrecklicher, uͤberall Truͤmmern
eingeſtuͤrzter Haͤuſer, mit dem Hausrathe vermiſcht, um-
her treiben zu ſehen. Um Mitternacht ward das Waſſer
ſo wuͤthend, daß es zur Rechten und Linken mit dem fuͤrch-
terlichſten Gepraſſel Haͤuſer einſtuͤrzte. Wie klaͤglich
lautete zugleich nicht das Angſtgeſchrey verungluͤckter
Perſonen und Kinder, denen doch niemand helfen konnte!
Des Morgens um 3 Uhr wurde Feuer geſchrien, und
geſtuͤrmet. Dieſe neue Angſt gieng indeſſen noch gluͤck-
lich voruͤber, weil das Stuͤrmen nach einer halben
Stunde nachließ. Wie viel Haͤuſer eingeſtuͤrzt, und Per-
ſonen ertrunken ſind, iſt noch nicht bekannt, weil noch
jetzt niemand zu einander kommen kann. Das Waſſer faͤllt
zwar, aber ſehr ſparſam, und Kutſche, Wagen und Ge-
ſchirr ſchwimmen noch in meinem Hofe unter einander.“

Nach Briefen aus Dresden vom 1ſten dieſes ſind der
daſige Lendgraben und Kaditzer Bach gleichfalls ausge-
treten, und zwar ſo, daß nicht nur die Felder, ſondern
auch der große Garten, und Sr. Durchl. des Feldmar-
ſchalls, Chevaliers de Saxe, Garten voͤllig unter Waſſer
ſtehen.

Von Annaberg im Erzgebuͤrge erhaͤlt man die betruͤbte
Nachricht, daß zwiſchen dieſer Stadt und dem bekann-
ten großen Bielberg am 29ſten Junii ein Wolkenbruch
gefallen, welcher die traurigſten Verwuͤſtungen verur-
ſachet hat.


Den 29ſten vorigen Monats haben Se. Excellenz, der
Herr geheime Rath von Wenkſtern, den an Ihre Statt
zum Praͤſidenten des Koͤnigl. und Churfuͤrſtl. Ober-Ap-
pellations-Gerichts ernannten bisherigen geheimen
Kammerrath von Schlepegrell bey ſelbigem eingefuͤhret.


Geſtern iſt der Rittmeiſter, Herr Osborne, als Cou-
rier von Copenhagen durch hieſige Gegend nach London
gegangen, um die angenehme Nachricht dahin zu brin-
gen, daß Ihro Majeſtaͤt, die Koͤniginn von Daͤnnemark,
den 7ten dieſes von einer Prinzeßinn gluͤcklich entbunden
worden.

Durch den vorgeſtern gedachten Bruch des Elbdeiches
iſt das Waſſer tief in die ſogenannten Vierlande gedrun-
gen, und im Billwaͤrder iſt man nicht außer Sorgen.
Indeſſen ſind ſchon bey 2000 Landleute in den benach-
[Spaltenumbruch] barten Gegenden bis zum Hamm und Horn aufgeboten, um
die Außen- und Binnen-Deiche ſtandveſt zu erhalten. An
den Orten, wo die Deiche niedrig ſind, arbeiten die Ein-
wohner eifrigſt an der Erhoͤhung derſelben. Sonſt ſtehet
das Waſſer in der Elbe hier noch ſehr hoch, da es wegen des
ſtarken anhaltenden Weſtwindes nicht ſonderlich abfließen
kann. In einigen Gegenden haben die Leute ihre Haͤu-
ſer verlaſſen, und auf den Deichen ihren Aufenthalt
nehmen muͤſſen. In Lauenburg faͤhret man mit
Kaͤhnen auf den Straßen, und beym Zollenſpiecker iſt
die Ueberfahrt ſo ſchwer, daß der Reichspoſtillion geſtern
und heute zu Fuße mit ſeinem Felleiſen uͤber den Deich
angekommen iſt. Heute hat er bloß die Briefe von
Braunſchweig und den dortigen Gegenden mitgebracht.
Die juͤngſten Briefe aus Italien und dem ganzen Reiche
waren daſelbſt, wegen der großen Ueberſchwemmungen,
noch nicht eingegangen.



Von gelehrten Sachen.
“Die Inoculation der Liebe. Eine Erzaͤhlung.
“Leipzig, bey Weidmanns Erben und Reich. 1771.”


Wie reizend, (ſagt der Verfaſſer der Wilhelmine zu dem
Herrn Kreisſteuereinnehmer Weiße in Leipzig, dem er
dieſe Erzaͤhlung zueignet,) ſtell ich nur die freyen ſichern
Zeiten

Horazens und Proporzens, vor,
Wo nie ein Menſch um andrer Menſchlichkeiten
Das Maul verzog, und nur ein Wort verlor.
Man rechnete dem Dichter ſeine Lieder
Nicht fuͤr Verbrechen an, und Cicero rief nicht:
“Wer einen Wieland, lieben Bruͤder,
“Wer einen Wieland lieſt, der iſt ein Boͤſewicht.”
Wir ſollten nicht denken, daß auch in unſern Zeiten
jemand fuͤr einen Boͤſewicht werde ausgerufen werden,
wenn er die Inoculation lieſet. Der Liebe Macht iſt
allgemein, und ſo lange dieſe dauert, werden die Dich-
ter nicht aufhoͤren von Liebe zu ſingen. Zu wuͤnſchen
waͤre es, daß von ihnen immer Beſcheidenheit dem
Schimmer des allzu freyen Putzes
vorgezogen werde,
wie unſere geſittete Damen es machen. Man kann
mit dem Verfaſſer dieſer Erzaͤhlung in dieſem Punkte
ſo ziemlich zufrieden ſeyn. Sonſt iſt die Manier in der-
ſelben ganz Wielandiſch; daher auch dieſer beruͤhmte
Dichter von einigen fuͤr den Verfaſſer der Inoculation
gehalten worden. Wir wollen den Plan nur kurz aus-
ziehen. Nicht weit von Maynz
Da lebte kuͤrzlich noch, dem fetten Vaterlande,
Dem Adel und der Welt zu Schande
Ein altes geiziges ſtiftmaͤßiges Scelet:
Ich nenn es Harpagon.
Dieſer mit ſtarken Farben gezeichnete Filz verheirathete
ſich, und zeugte eine Tochter, deren Mutter gleich nach
ihrer Geburt ſtarb. Ein gutes Bauerweib nahm das
Kind fuͤr ein geringes Koſtgeld an, und erzog es bis
ins 15te Jahre recht muͤtterlich.
Das Fraͤulein war nun huͤbſch und groß,
Empfindlich, aber unerfahren.
Einſt las es in den Zeitungen, Dimsdale, der Blatter-
impfter
, ſey in Frankfurt geweſen, und habe viele Maͤd-
chen, mit Huͤlfe ſeiner Cur, vor dem Verluſt ihrer
Reize zu ihrem Troſte geſichert. Sie wuͤnſchte ſich eben-
falls einen ſolchen Arzt, da ſie ſahe, wie ſehr ihre Pfleg-
mutter durch die Blattern im Geſicht verdorben war,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jPoliticalNews">
          <div type="jArticle">
            <p><pb facs="#f0003" n="[3]"/><cb/>
Den mei&#x017F;ten Schaden haben wol die Sta&#x0364;dte Grimma<lb/>
und Chemnitz                   empfunden.</p><lb/>
            <p>An letzterm Orte &#x017F;ind die Vor&#x017F;ta&#x0364;dte ganz u&#x0364;ber&#x017F;chwem-<lb/>
met, und neb&#x017F;t einigen                   Ha&#x0364;u&#x017F;ern, auch ein Theil der<lb/>
Ho&#x017F;pitalkirche vor dem Johan&#x0303;isthore eingeri&#x017F;&#x017F;en                   worden.</p><lb/>
            <p>Aus Grimma i&#x017F;t uns folgendes Schreiben vom 1&#x017F;ten<lb/>
die&#x017F;es zu Ha&#x0364;nden gekommen:                      "Als ein von Ang&#x017F;t und<lb/>
Schrecken noch Halbtodter berichte, daß wir von                      ge-<lb/>
&#x017F;tern an eine der ent&#x017F;etzlich&#x017F;ten Wa&#x017F;&#x017F;erfluthen gehabt.<lb/>
Das Wa&#x017F;&#x017F;er                      der Mulda &#x017F;tieg &#x017F;o &#x017F;chnell, daß der Stadt-<lb/>
rath &#x017F;ogleich 3 Thore verrammeln                      ließ, welches hier nur<lb/>
&#x017F;ehr &#x017F;elten ge&#x017F;chieht. Allein, die&#x017F;e Vor&#x017F;icht war                      ver-<lb/>
gebens; denn um 11 Uhr riß die Fluth die Thore und<lb/>
Stadtmauern                      ein, und &#x017F;tieg nunmehr &#x017F;o &#x017F;chnell in der<lb/>
Stadt, daß man &#x017F;ich kaum die                      Treppen hinauf in die<lb/>
ober&#x017F;ten Zimmer retten konnte. Hinter mir                      &#x017F;prangen<lb/>
die Thu&#x0364;ren mit einem ent&#x017F;etzlichen Gepra&#x017F;&#x017F;el auf,                      und<lb/>
Fen&#x017F;ter, Spiegel, Schra&#x0364;nke, Stu&#x0364;hle und Betten, alles<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;rzte mit                      dem fu&#x0364;rchterlich&#x017F;ten Geto&#x0364;&#x017F;e unter einander.<lb/>
Das Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;tieg zum                      Er&#x017F;taunen, &#x017F;o, daß auf un&#x017F;erer<lb/>
Ga&#x017F;&#x017F;e, welche doch &#x017F;elten etwas vom Wa&#x017F;&#x017F;er                      zu empfin-<lb/>
den pflegt, von manchen Ha&#x0364;u&#x017F;ern kaum die Hausthu&#x0364;ren<lb/>
zu                      &#x017F;ehen waren. Das Brau&#x017F;en und Geheule der Fluth<lb/>
war &#x017F;chrecklich, aber noch                      &#x017F;chrecklicher, u&#x0364;berall Tru&#x0364;mmern<lb/>
einge&#x017F;tu&#x0364;rzter Ha&#x0364;u&#x017F;er, mit dem Hausrathe                      vermi&#x017F;cht, um-<lb/>
her treiben zu &#x017F;ehen. Um Mitternacht ward das Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
&#x017F;o                      wu&#x0364;thend, daß es zur Rechten und Linken mit dem fu&#x0364;rch-<lb/>
terlich&#x017F;ten                      Gepra&#x017F;&#x017F;el Ha&#x0364;u&#x017F;er ein&#x017F;tu&#x0364;rzte. Wie kla&#x0364;glich<lb/>
lautete zugleich nicht das                      Ang&#x017F;tge&#x017F;chrey verunglu&#x0364;ckter<lb/>
Per&#x017F;onen und Kinder, denen doch niemand helfen                      konnte!<lb/>
Des Morgens um 3 Uhr wurde Feuer ge&#x017F;chrien, und<lb/>
ge&#x017F;tu&#x0364;rmet.                      Die&#x017F;e neue Ang&#x017F;t gieng inde&#x017F;&#x017F;en noch glu&#x0364;ck-<lb/>
lich voru&#x0364;ber, weil das                      Stu&#x0364;rmen nach einer halben<lb/>
Stunde nachließ. Wie viel Ha&#x0364;u&#x017F;er einge&#x017F;tu&#x0364;rzt,                      und Per-<lb/>
&#x017F;onen ertrunken &#x017F;ind, i&#x017F;t noch nicht bekannt, weil noch<lb/>
jetzt                      niemand zu einander kommen kann. Das Wa&#x017F;&#x017F;er fa&#x0364;llt<lb/>
zwar, aber &#x017F;ehr &#x017F;par&#x017F;am,                      und Kut&#x017F;che, Wagen und Ge-<lb/>
&#x017F;chirr &#x017F;chwimmen noch in meinem Hofe unter                   einander.&#x201C; </p><lb/>
            <p>Nach Briefen aus Dresden vom 1&#x017F;ten die&#x017F;es &#x017F;ind der<lb/>
da&#x017F;ige Lendgraben und                   Kaditzer Bach gleichfalls ausge-<lb/>
treten, und zwar &#x017F;o, daß nicht nur die                   Felder, &#x017F;ondern<lb/>
auch der große Garten, und Sr. Durchl. des                   Feldmar-<lb/>
&#x017F;challs, Chevaliers de Saxe, Garten vo&#x0364;llig unter                   Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
&#x017F;tehen.</p><lb/>
            <p>Von Annaberg im Erzgebu&#x0364;rge erha&#x0364;lt man die betru&#x0364;bte<lb/>
Nachricht, daß zwi&#x017F;chen                   die&#x017F;er Stadt und dem bekann-<lb/>
ten großen Bielberg am 29&#x017F;ten Junii ein                   Wolkenbruch<lb/>
gefallen, welcher die traurig&#x017F;ten Verwu&#x0364;&#x017F;tungen verur-<lb/>
&#x017F;achet                   hat.</p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle">
            <dateline> <hi rendition="#c"><hi rendition="#fr">Celle,</hi> den 9 Julii.</hi> </dateline><lb/>
            <p>Den 29&#x017F;ten vorigen Monats haben Se. Excellenz, der<lb/>
Herr geheime Rath von                   Wenk&#x017F;tern, den an Ihre Statt<lb/>
zum Pra&#x0364;&#x017F;identen des Ko&#x0364;nigl. und Churfu&#x0364;r&#x017F;tl.                   Ober-Ap-<lb/>
pellations-Gerichts ernannten bisherigen geheimen<lb/>
Kammerrath von                   Schlepegrell bey &#x017F;elbigem eingefu&#x0364;hret.</p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle">
            <dateline> <hi rendition="#c"><hi rendition="#fr">Hamburg,</hi> den 11 Julii.</hi> </dateline><lb/>
            <p>Ge&#x017F;tern i&#x017F;t der Rittmei&#x017F;ter, Herr Osborne, als Cou-<lb/>
rier von Copenhagen durch                   hie&#x017F;ige Gegend nach London<lb/>
gegangen, um die angenehme Nachricht dahin zu                   brin-<lb/>
gen, daß Ihro Maje&#x017F;ta&#x0364;t, die Ko&#x0364;niginn von Da&#x0364;nnemark,<lb/>
den 7ten                   die&#x017F;es von einer Prinzeßinn glu&#x0364;cklich entbunden<lb/>
worden.</p><lb/>
            <p>Durch den vorge&#x017F;tern gedachten Bruch des Elbdeiches<lb/>
i&#x017F;t das Wa&#x017F;&#x017F;er tief in die                   &#x017F;ogenannten Vierlande gedrun-<lb/>
gen, und im Billwa&#x0364;rder i&#x017F;t man nicht außer                   Sorgen.<lb/>
Inde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind &#x017F;chon bey 2000 Landleute in den benach-<lb/><cb/>
barten Gegenden bis zum Hamm und Horn aufgeboten, um<lb/>
die Außen- und                   Binnen-Deiche &#x017F;tandve&#x017F;t zu erhalten. An<lb/>
den Orten, wo die Deiche niedrig &#x017F;ind,                   arbeiten die Ein-<lb/>
wohner eifrig&#x017F;t an der Erho&#x0364;hung der&#x017F;elben. Son&#x017F;t                   &#x017F;tehet<lb/>
das Wa&#x017F;&#x017F;er in der Elbe hier noch &#x017F;ehr hoch, da es wegen des<lb/>
&#x017F;tarken                   anhaltenden We&#x017F;twindes nicht &#x017F;onderlich abfließen<lb/>
kann. In einigen Gegenden                   haben die Leute ihre Ha&#x0364;u-<lb/>
&#x017F;er verla&#x017F;&#x017F;en, und auf den Deichen ihren                   Aufenthalt<lb/>
nehmen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. In Lauenburg fa&#x0364;hret man mit<lb/>
Ka&#x0364;hnen auf den                   Straßen, und beym Zollen&#x017F;piecker i&#x017F;t<lb/>
die Ueberfahrt &#x017F;o &#x017F;chwer, daß der                   Reichspo&#x017F;tillion ge&#x017F;tern<lb/>
und heute zu Fuße mit &#x017F;einem Fellei&#x017F;en u&#x0364;ber den                   Deich<lb/>
angekommen i&#x017F;t. Heute hat er bloß die Briefe von<lb/>
Braun&#x017F;chweig und                   den dortigen Gegenden mitgebracht.<lb/>
Die ju&#x0364;ng&#x017F;ten Briefe aus Italien und dem                   ganzen Reiche<lb/>
waren da&#x017F;elb&#x017F;t, wegen der großen Ueber&#x017F;chwemmungen,<lb/>
noch                   nicht eingegangen.</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div type="jFeuilleton">
          <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Von gelehrten Sachen.</hi> </hi> </head>
          <div type="jArticle">
            <head><hi rendition="#fr">&#x201C;Die Inoculation der Liebe. Eine Erza&#x0364;hlung.</hi><lb/>
&#x201C;Leipzig, bey Weidmanns Erben und Reich. 1771.&#x201D; </head>
            <p><lb/>
Wie reizend, (&#x017F;agt der                   Verfa&#x017F;&#x017F;er der <hi rendition="#fr">Wilhelmine</hi> zu dem<lb/>
Herrn                   Kreis&#x017F;teuereinnehmer <hi rendition="#fr">Weiße</hi> in Leipzig, dem er<lb/>
die&#x017F;e                   Erza&#x0364;hlung zueignet,) &#x017F;tell ich nur die freyen &#x017F;ichern<lb/>
Zeiten<lb/><lg type="poem"><l><hi rendition="#fr">Horazens und Proporzens, vor,</hi><lb/></l><l><hi rendition="#fr">Wo nie ein Men&#x017F;ch um andrer Men&#x017F;chlichkeiten</hi><lb/></l><l><hi rendition="#fr">Das Maul verzog, und nur ein Wort verlor.</hi><lb/></l><l><hi rendition="#fr">Man rechnete dem Dichter &#x017F;eine Lieder</hi><lb/></l><l><hi rendition="#fr">Nicht fu&#x0364;r Verbrechen an, und Cicero rief nicht:</hi><lb/></l><l><hi rendition="#fr">&#x201C;Wer einen <hi rendition="#fr">Wieland</hi>, lieben Bru&#x0364;der,</hi><lb/></l><l><hi rendition="#fr">&#x201C;Wer einen <hi rendition="#fr">Wieland</hi> lie&#x017F;t, der i&#x017F;t ein Bo&#x0364;&#x017F;ewicht.&#x201D;</hi><lb/></l></lg><lb/>
Wir &#x017F;ollten nicht denken, daß auch in un&#x017F;ern Zeiten<lb/>
jemand fu&#x0364;r einen                   Bo&#x0364;&#x017F;ewicht werde ausgerufen werden,<lb/>
wenn er die <hi rendition="#fr">Inoculation</hi> lie&#x017F;et. Der Liebe Macht i&#x017F;t<lb/>
allgemein, und &#x017F;o lange die&#x017F;e                   dauert, werden die Dich-<lb/>
ter nicht aufho&#x0364;ren von Liebe zu &#x017F;ingen. Zu                   wu&#x0364;n&#x017F;chen<lb/>
wa&#x0364;re es, daß von ihnen immer <hi rendition="#fr">Be&#x017F;cheidenheit                      dem<lb/>
Schimmer des allzu freyen Putzes</hi> vorgezogen werde,<lb/>
wie un&#x017F;ere                   ge&#x017F;ittete Damen es machen. Man kann<lb/>
mit dem Verfa&#x017F;&#x017F;er die&#x017F;er Erza&#x0364;hlung in                   die&#x017F;em Punkte<lb/>
&#x017F;o ziemlich zufrieden &#x017F;eyn. Son&#x017F;t i&#x017F;t die Manier in                   der-<lb/>
&#x017F;elben ganz Wielandi&#x017F;ch; daher auch die&#x017F;er beru&#x0364;hmte<lb/>
Dichter von                   einigen fu&#x0364;r den Verfa&#x017F;&#x017F;er der Inoculation<lb/>
gehalten worden. Wir wollen den                   Plan nur kurz aus-<lb/>
ziehen. Nicht weit von Maynz<lb/><lg type="poem"><l><hi rendition="#fr">Da lebte ku&#x0364;rzlich noch, dem fetten Vaterlande,</hi><lb/></l><l><hi rendition="#fr">Dem Adel und der Welt zu Schande</hi><lb/></l><l><hi rendition="#fr">Ein altes geiziges &#x017F;tiftma&#x0364;ßiges Scelet:</hi><lb/></l><l><hi rendition="#fr">Ich nenn es <hi rendition="#fr">Harpagon.</hi> &#x2014;</hi><lb/></l></lg>                   Die&#x017F;er mit &#x017F;tarken Farben gezeichnete Filz verheirathete<lb/>
&#x017F;ich, und zeugte                   eine Tochter, deren Mutter gleich nach<lb/>
ihrer Geburt &#x017F;tarb. Ein gutes Bauerweib                   nahm das<lb/>
Kind fu&#x0364;r ein geringes Ko&#x017F;tgeld an, und erzog es bis<lb/>
ins 15te                   Jahre recht mu&#x0364;tterlich.<lb/><lg type="poem"><l><hi rendition="#fr">Das Fra&#x0364;ulein war nun hu&#x0364;b&#x017F;ch und groß,</hi><lb/></l><l><hi rendition="#fr">Empfindlich, aber unerfahren.</hi></l></lg><lb/>
Ein&#x017F;t las es in den Zeitungen, <hi rendition="#fr">Dimsdale, der                      Blatter-<lb/>
impfter</hi>, &#x017F;ey in Frankfurt gewe&#x017F;en, und habe viele                   Ma&#x0364;d-<lb/>
chen, mit Hu&#x0364;lfe &#x017F;einer Cur, vor dem Verlu&#x017F;t ihrer<lb/>
Reize zu ihrem                   Tro&#x017F;te ge&#x017F;ichert. Sie wu&#x0364;n&#x017F;chte &#x017F;ich eben-<lb/>
falls einen &#x017F;olchen Arzt, da &#x017F;ie                   &#x017F;ahe, wie &#x017F;ehr ihre Pfleg-<lb/>
mutter durch die Blattern im Ge&#x017F;icht verdorben war,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[3]/0003] Den meiſten Schaden haben wol die Staͤdte Grimma und Chemnitz empfunden. An letzterm Orte ſind die Vorſtaͤdte ganz uͤberſchwem- met, und nebſt einigen Haͤuſern, auch ein Theil der Hoſpitalkirche vor dem Johañisthore eingeriſſen worden. Aus Grimma iſt uns folgendes Schreiben vom 1ſten dieſes zu Haͤnden gekommen: "Als ein von Angſt und Schrecken noch Halbtodter berichte, daß wir von ge- ſtern an eine der entſetzlichſten Waſſerfluthen gehabt. Das Waſſer der Mulda ſtieg ſo ſchnell, daß der Stadt- rath ſogleich 3 Thore verrammeln ließ, welches hier nur ſehr ſelten geſchieht. Allein, dieſe Vorſicht war ver- gebens; denn um 11 Uhr riß die Fluth die Thore und Stadtmauern ein, und ſtieg nunmehr ſo ſchnell in der Stadt, daß man ſich kaum die Treppen hinauf in die oberſten Zimmer retten konnte. Hinter mir ſprangen die Thuͤren mit einem entſetzlichen Gepraſſel auf, und Fenſter, Spiegel, Schraͤnke, Stuͤhle und Betten, alles ſtuͤrzte mit dem fuͤrchterlichſten Getoͤſe unter einander. Das Waſſer ſtieg zum Erſtaunen, ſo, daß auf unſerer Gaſſe, welche doch ſelten etwas vom Waſſer zu empfin- den pflegt, von manchen Haͤuſern kaum die Hausthuͤren zu ſehen waren. Das Brauſen und Geheule der Fluth war ſchrecklich, aber noch ſchrecklicher, uͤberall Truͤmmern eingeſtuͤrzter Haͤuſer, mit dem Hausrathe vermiſcht, um- her treiben zu ſehen. Um Mitternacht ward das Waſſer ſo wuͤthend, daß es zur Rechten und Linken mit dem fuͤrch- terlichſten Gepraſſel Haͤuſer einſtuͤrzte. Wie klaͤglich lautete zugleich nicht das Angſtgeſchrey verungluͤckter Perſonen und Kinder, denen doch niemand helfen konnte! Des Morgens um 3 Uhr wurde Feuer geſchrien, und geſtuͤrmet. Dieſe neue Angſt gieng indeſſen noch gluͤck- lich voruͤber, weil das Stuͤrmen nach einer halben Stunde nachließ. Wie viel Haͤuſer eingeſtuͤrzt, und Per- ſonen ertrunken ſind, iſt noch nicht bekannt, weil noch jetzt niemand zu einander kommen kann. Das Waſſer faͤllt zwar, aber ſehr ſparſam, und Kutſche, Wagen und Ge- ſchirr ſchwimmen noch in meinem Hofe unter einander.“ Nach Briefen aus Dresden vom 1ſten dieſes ſind der daſige Lendgraben und Kaditzer Bach gleichfalls ausge- treten, und zwar ſo, daß nicht nur die Felder, ſondern auch der große Garten, und Sr. Durchl. des Feldmar- ſchalls, Chevaliers de Saxe, Garten voͤllig unter Waſſer ſtehen. Von Annaberg im Erzgebuͤrge erhaͤlt man die betruͤbte Nachricht, daß zwiſchen dieſer Stadt und dem bekann- ten großen Bielberg am 29ſten Junii ein Wolkenbruch gefallen, welcher die traurigſten Verwuͤſtungen verur- ſachet hat. Celle, den 9 Julii. Den 29ſten vorigen Monats haben Se. Excellenz, der Herr geheime Rath von Wenkſtern, den an Ihre Statt zum Praͤſidenten des Koͤnigl. und Churfuͤrſtl. Ober-Ap- pellations-Gerichts ernannten bisherigen geheimen Kammerrath von Schlepegrell bey ſelbigem eingefuͤhret. Hamburg, den 11 Julii. Geſtern iſt der Rittmeiſter, Herr Osborne, als Cou- rier von Copenhagen durch hieſige Gegend nach London gegangen, um die angenehme Nachricht dahin zu brin- gen, daß Ihro Majeſtaͤt, die Koͤniginn von Daͤnnemark, den 7ten dieſes von einer Prinzeßinn gluͤcklich entbunden worden. Durch den vorgeſtern gedachten Bruch des Elbdeiches iſt das Waſſer tief in die ſogenannten Vierlande gedrun- gen, und im Billwaͤrder iſt man nicht außer Sorgen. Indeſſen ſind ſchon bey 2000 Landleute in den benach- barten Gegenden bis zum Hamm und Horn aufgeboten, um die Außen- und Binnen-Deiche ſtandveſt zu erhalten. An den Orten, wo die Deiche niedrig ſind, arbeiten die Ein- wohner eifrigſt an der Erhoͤhung derſelben. Sonſt ſtehet das Waſſer in der Elbe hier noch ſehr hoch, da es wegen des ſtarken anhaltenden Weſtwindes nicht ſonderlich abfließen kann. In einigen Gegenden haben die Leute ihre Haͤu- ſer verlaſſen, und auf den Deichen ihren Aufenthalt nehmen muͤſſen. In Lauenburg faͤhret man mit Kaͤhnen auf den Straßen, und beym Zollenſpiecker iſt die Ueberfahrt ſo ſchwer, daß der Reichspoſtillion geſtern und heute zu Fuße mit ſeinem Felleiſen uͤber den Deich angekommen iſt. Heute hat er bloß die Briefe von Braunſchweig und den dortigen Gegenden mitgebracht. Die juͤngſten Briefe aus Italien und dem ganzen Reiche waren daſelbſt, wegen der großen Ueberſchwemmungen, noch nicht eingegangen. Von gelehrten Sachen. “Die Inoculation der Liebe. Eine Erzaͤhlung. “Leipzig, bey Weidmanns Erben und Reich. 1771.” Wie reizend, (ſagt der Verfaſſer der Wilhelmine zu dem Herrn Kreisſteuereinnehmer Weiße in Leipzig, dem er dieſe Erzaͤhlung zueignet,) ſtell ich nur die freyen ſichern Zeiten Horazens und Proporzens, vor, Wo nie ein Menſch um andrer Menſchlichkeiten Das Maul verzog, und nur ein Wort verlor. Man rechnete dem Dichter ſeine Lieder Nicht fuͤr Verbrechen an, und Cicero rief nicht: “Wer einen Wieland, lieben Bruͤder, “Wer einen Wieland lieſt, der iſt ein Boͤſewicht.” Wir ſollten nicht denken, daß auch in unſern Zeiten jemand fuͤr einen Boͤſewicht werde ausgerufen werden, wenn er die Inoculation lieſet. Der Liebe Macht iſt allgemein, und ſo lange dieſe dauert, werden die Dich- ter nicht aufhoͤren von Liebe zu ſingen. Zu wuͤnſchen waͤre es, daß von ihnen immer Beſcheidenheit dem Schimmer des allzu freyen Putzes vorgezogen werde, wie unſere geſittete Damen es machen. Man kann mit dem Verfaſſer dieſer Erzaͤhlung in dieſem Punkte ſo ziemlich zufrieden ſeyn. Sonſt iſt die Manier in der- ſelben ganz Wielandiſch; daher auch dieſer beruͤhmte Dichter von einigen fuͤr den Verfaſſer der Inoculation gehalten worden. Wir wollen den Plan nur kurz aus- ziehen. Nicht weit von Maynz Da lebte kuͤrzlich noch, dem fetten Vaterlande, Dem Adel und der Welt zu Schande Ein altes geiziges ſtiftmaͤßiges Scelet: Ich nenn es Harpagon. — Dieſer mit ſtarken Farben gezeichnete Filz verheirathete ſich, und zeugte eine Tochter, deren Mutter gleich nach ihrer Geburt ſtarb. Ein gutes Bauerweib nahm das Kind fuͤr ein geringes Koſtgeld an, und erzog es bis ins 15te Jahre recht muͤtterlich. Das Fraͤulein war nun huͤbſch und groß, Empfindlich, aber unerfahren. Einſt las es in den Zeitungen, Dimsdale, der Blatter- impfter, ſey in Frankfurt geweſen, und habe viele Maͤd- chen, mit Huͤlfe ſeiner Cur, vor dem Verluſt ihrer Reize zu ihrem Troſte geſichert. Sie wuͤnſchte ſich eben- falls einen ſolchen Arzt, da ſie ſahe, wie ſehr ihre Pfleg- mutter durch die Blattern im Geſicht verdorben war,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Britt-Marie Schuster, Manuel Wille, Arnika Lutz, Fabienne Wollny: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-07-07T12:30:46Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.

Weitere Informationen:

Die Transkription erfolgte nach den unter http://www.deutschestextarchiv.de/doku/basisformat formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hc_1111207_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hc_1111207_1771/3
Zitationshilfe: Staats- und Gelehrte Zeitung Des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten. Nr. 111, Hamburg, 12. Julii 1771, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hc_1111207_1771/3>, abgerufen am 21.11.2024.