Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite
rythmische Gewuchte der Lade, davon Erdboden und Wände
erschüttert werden, das Schlurren und Schnappen des hin und
her geschnellten Schiffchens erfüllen den Raum. Da hinein
mischt sich das tiefe, gleichmäßig fortgesetzte Getön der Spul-
räder, das dem Summen großer Hummeln gleicht.
Mutter Baumert (mit einer kläglichen, erschöpften Stimme,
als die Mädchen mit weben innehalten und sich über die Gewebe beugen).

Mißt er schonn wieder knippn!?
Emma (die ältere der Mädchen, zweiundzwanzigjährig. Jndem sie
gerißene Fäden knüpft).
Eine Art Garn is aber das au!
Bertha (fünfzehnjährig). Das is a so a bißel Zucht
mit der Werfte.
Emma. Wo a ock bleibt a so lange? A is
doch fort schonn seit um a neune.
Mutter Baumert. Nu eben's, eben's! wo
mag a ock bleiben, ihr Mädel?
Bertha. Aengst' euch beileibe ni, Mutter!
Mutter Baumert. 'Ne Angst is das immer
Emma (fährt fort zu weben).
Bertha. Wart amal, Emma!
Emma. Was is denn?
Bertha. Mir war doch, 's kam jemand.
Emma. 'S wird Ansorge sein, der zu Hause
kommt.
Fritz (ein kleiner, barfüßiger, zerlumpter Junge von vier Jahren
kommt herein geweint).
Mutter mich hungert.
Emma. Wart, Fritzl, wart a bißel! Groß-
vater kommt gleich. A bringt Brot mit und Kerndel.
Fritz. Mich hungert a so, Mutterle!
Emma. Jch sag dersch ja. Bis ock nich einfältich.
A wird ja gleich kommen. A bringt a scheenes Brotl
mit und Kerndlkoffee. -- Wenn ock wird Feier-
abend sein, da nimmt Mutter de Kartuffelschalen,
die trägt se zum Pauer, und der gibbt er derfire a scheenes
Neegl Puttermilch firsch Jungl.
rythmiſche Gewuchte der Lade, davon Erdboden und Wände
erſchüttert werden, das Schlurren und Schnappen des hin und
her geſchnellten Schiffchens erfüllen den Raum. Da hinein
miſcht ſich das tiefe, gleichmäßig fortgeſetzte Getön der Spul-
räder, das dem Summen großer Hummeln gleicht.
Mutter Baumert (mit einer kläglichen, erſchöpften Stimme,
als die Mädchen mit weben innehalten und ſich über die Gewebe beugen).

Mißt er ſchonn wieder knippn!?
Emma (die ältere der Mädchen, zweiundzwanzigjährig. Jndem ſie
gerißene Fäden knüpft).
Eine Art Garn is aber das au!
Bertha (fünfzehnjährig). Das is a ſo a bißel Zucht
mit der Werfte.
Emma. Wo a ock bleibt a ſo lange? A is
doch fort ſchonn ſeit um a neune.
Mutter Baumert. Nu eben’s, eben’s! wo
mag a ock bleiben, ihr Mädel?
Bertha. Aengſt’ euch beileibe ni, Mutter!
Mutter Baumert. ’Ne Angſt is das immer
Emma (fährt fort zu weben).
Bertha. Wart amal, Emma!
Emma. Was is denn?
Bertha. Mir war doch, ’s kam jemand.
Emma. ’S wird Anſorge ſein, der zu Hauſe
kommt.
Fritz (ein kleiner, barfüßiger, zerlumpter Junge von vier Jahren
kommt herein geweint).
Mutter mich hungert.
Emma. Wart, Fritzl, wart a bißel! Groß-
vater kommt gleich. A bringt Brot mit und Kerndel.
Fritz. Mich hungert a ſo, Mutterle!
Emma. Jch ſag derſch ja. Bis ock nich einfältich.
A wird ja gleich kommen. A bringt a ſcheenes Brotl
mit und Kerndlkoffee. — Wenn ock wird Feier-
abend ſein, da nimmt Mutter de Kartuffelſchalen,
die trägt ſe zum Pauer, und der gibbt er derfire a ſcheenes
Neegl Puttermilch firſch Jungl.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <stage><pb facs="#f0039" n="26"/>
rythmi&#x017F;che Gewuchte der Lade, davon Erdboden und Wände<lb/>
er&#x017F;chüttert werden, das Schlurren und Schnappen des hin und<lb/>
her ge&#x017F;chnellten Schiffchens erfüllen den Raum. Da hinein<lb/>
mi&#x017F;cht &#x017F;ich das tiefe, gleichmäßig fortge&#x017F;etzte Getön der Spul-<lb/>
räder, das dem Summen großer Hummeln gleicht.</stage><lb/>
          <sp who="#MUTBAUM">
            <speaker> <hi rendition="#g">Mutter Baumert</hi> </speaker>
            <stage>(mit einer kläglichen, er&#x017F;chöpften Stimme,<lb/>
als die Mädchen mit weben innehalten und &#x017F;ich über die Gewebe beugen).</stage><lb/>
            <p>Mißt er &#x017F;chonn wieder knippn!?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#EMM">
            <speaker> <hi rendition="#g">Emma</hi> </speaker>
            <stage>(die ältere der Mädchen, zweiundzwanzigjährig. Jndem &#x017F;ie<lb/>
gerißene Fäden knüpft).</stage>
            <p>Eine Art Garn is aber das au!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#BER">
            <speaker> <hi rendition="#g">Bertha</hi> </speaker>
            <stage>(fünfzehnjährig).</stage>
            <p>Das is a &#x017F;o a bißel Zucht<lb/>
mit der Werfte.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#EMM">
            <speaker><hi rendition="#g">Emma</hi>.</speaker>
            <p>Wo a ock bleibt a &#x017F;o lange? A is<lb/>
doch fort &#x017F;chonn &#x017F;eit um a neune.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MUTBAUM">
            <speaker><hi rendition="#g">Mutter Baumert</hi>.</speaker>
            <p>Nu eben&#x2019;s, eben&#x2019;s! wo<lb/>
mag a ock bleiben, ihr Mädel?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#BER">
            <speaker><hi rendition="#g">Bertha</hi>.</speaker>
            <p>Aeng&#x017F;t&#x2019; euch beileibe ni, Mutter!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MUTBAUM">
            <speaker><hi rendition="#g">Mutter Baumert</hi>.</speaker>
            <p>&#x2019;Ne Ang&#x017F;t is das immer</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#EMM">
            <speaker> <hi rendition="#g">Emma</hi> </speaker>
            <stage>(fährt fort zu weben).</stage>
          </sp><lb/>
          <sp who="#BER">
            <speaker><hi rendition="#g">Bertha</hi>.</speaker>
            <p>Wart amal, Emma!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#EMM">
            <speaker><hi rendition="#g">Emma</hi>.</speaker>
            <p>Was is denn?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#BER">
            <speaker><hi rendition="#g">Bertha</hi>.</speaker>
            <p>Mir war doch, &#x2019;s kam jemand.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#EMM">
            <speaker><hi rendition="#g">Emma</hi>.</speaker>
            <p>&#x2019;S wird An&#x017F;orge &#x017F;ein, der zu Hau&#x017F;e<lb/>
kommt.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#FRI">
            <speaker> <hi rendition="#g">Fritz</hi> </speaker>
            <stage>(ein kleiner, barfüßiger, zerlumpter Junge von vier Jahren<lb/>
kommt herein geweint).</stage>
            <p>Mutter mich hungert.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#EMM">
            <speaker><hi rendition="#g">Emma</hi>.</speaker>
            <p>Wart, Fritzl, wart a bißel! Groß-<lb/>
vater kommt gleich. A bringt Brot mit und Kerndel.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#FRI">
            <speaker><hi rendition="#g">Fritz</hi>.</speaker>
            <p>Mich hungert a &#x017F;o, Mutterle!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#EMM">
            <speaker><hi rendition="#g">Emma</hi>.</speaker>
            <p>Jch &#x017F;ag der&#x017F;ch ja. Bis ock nich einfältich.<lb/>
A wird ja gleich kommen. A bringt a &#x017F;cheenes Brotl<lb/>
mit und Kerndlkoffee. &#x2014; Wenn ock wird Feier-<lb/>
abend &#x017F;ein, da nimmt Mutter de Kartuffel&#x017F;chalen,<lb/>
die trägt &#x017F;e zum Pauer, und der gibbt er derfire a &#x017F;cheenes<lb/>
Neegl Puttermilch fir&#x017F;ch Jungl.</p>
          </sp><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0039] rythmiſche Gewuchte der Lade, davon Erdboden und Wände erſchüttert werden, das Schlurren und Schnappen des hin und her geſchnellten Schiffchens erfüllen den Raum. Da hinein miſcht ſich das tiefe, gleichmäßig fortgeſetzte Getön der Spul- räder, das dem Summen großer Hummeln gleicht. Mutter Baumert (mit einer kläglichen, erſchöpften Stimme, als die Mädchen mit weben innehalten und ſich über die Gewebe beugen). Mißt er ſchonn wieder knippn!? Emma (die ältere der Mädchen, zweiundzwanzigjährig. Jndem ſie gerißene Fäden knüpft). Eine Art Garn is aber das au! Bertha (fünfzehnjährig). Das is a ſo a bißel Zucht mit der Werfte. Emma. Wo a ock bleibt a ſo lange? A is doch fort ſchonn ſeit um a neune. Mutter Baumert. Nu eben’s, eben’s! wo mag a ock bleiben, ihr Mädel? Bertha. Aengſt’ euch beileibe ni, Mutter! Mutter Baumert. ’Ne Angſt is das immer Emma (fährt fort zu weben). Bertha. Wart amal, Emma! Emma. Was is denn? Bertha. Mir war doch, ’s kam jemand. Emma. ’S wird Anſorge ſein, der zu Hauſe kommt. Fritz (ein kleiner, barfüßiger, zerlumpter Junge von vier Jahren kommt herein geweint). Mutter mich hungert. Emma. Wart, Fritzl, wart a bißel! Groß- vater kommt gleich. A bringt Brot mit und Kerndel. Fritz. Mich hungert a ſo, Mutterle! Emma. Jch ſag derſch ja. Bis ock nich einfältich. A wird ja gleich kommen. A bringt a ſcheenes Brotl mit und Kerndlkoffee. — Wenn ock wird Feier- abend ſein, da nimmt Mutter de Kartuffelſchalen, die trägt ſe zum Pauer, und der gibbt er derfire a ſcheenes Neegl Puttermilch firſch Jungl.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Weber sind zu Beginn auf schlesisch erschiene… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892/39
Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892/39>, abgerufen am 26.12.2024.