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Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Körper nicht, denn der lag steif und todt, was war es denn?

Deine Seele! sprach Petrus dumpf; deine Seele! flüsterten die Andern ihm nach.

Da maßen sie meine Länge und Breite , um die sechs Brettlein fertig zu machen, und legten mich hinein, und ein hartes Kissen von Hobelspänen unter meinen Schädel, und nagelten die Bahre zu, und meine Seele wurde immer ängstlicher, weil sie nicht schlafen konnte. Dann hörte ich die Todtenglocke läuten auf der Domkirche, sie hoben mich auf, und kein Auge weinte um mich. Sie trugen mich auf Unser lieben Frauen Kirchhof, dort hatten sie mein Grab gegraben, noch höre ich die Seile schwirren, die sie herauszogen, als ich unten lag; dann warfen sie Steine und Erde herab, und es ward stille um mich her.

Aber meine Seele zitterte heftiger, als es Abend wurde, als es zehn Uhr, eilf Uhr schlug auf allen Glocken. Wie wird es dir gehen? dachte ich bei mir. Ich wußte noch ein Gebetlein aus alter Zeit, das wollte ich sprechen, aber meine Lippen standen still. -- Da schlug es zwölf Uhr, und mit einem Ruck war die schwere Grabesdecke abgerissen, und auf meinen Sarg geschah ein schrecklicher Schlag --

Ein Schlag, daß die Hallen dröhnten, sprengte jetzt eben die Thüre des Gemaches auf, und eine große weiße Gestalt erschien auf der Schwelle. Ich war durch Wein und die Schrecknisse dieser Nacht so exaltirt und

Körper nicht, denn der lag steif und todt, was war es denn?

Deine Seele! sprach Petrus dumpf; deine Seele! flüsterten die Andern ihm nach.

Da maßen sie meine Länge und Breite , um die sechs Brettlein fertig zu machen, und legten mich hinein, und ein hartes Kissen von Hobelspänen unter meinen Schädel, und nagelten die Bahre zu, und meine Seele wurde immer ängstlicher, weil sie nicht schlafen konnte. Dann hörte ich die Todtenglocke läuten auf der Domkirche, sie hoben mich auf, und kein Auge weinte um mich. Sie trugen mich auf Unser lieben Frauen Kirchhof, dort hatten sie mein Grab gegraben, noch höre ich die Seile schwirren, die sie herauszogen, als ich unten lag; dann warfen sie Steine und Erde herab, und es ward stille um mich her.

Aber meine Seele zitterte heftiger, als es Abend wurde, als es zehn Uhr, eilf Uhr schlug auf allen Glocken. Wie wird es dir gehen? dachte ich bei mir. Ich wußte noch ein Gebetlein aus alter Zeit, das wollte ich sprechen, aber meine Lippen standen still. — Da schlug es zwölf Uhr, und mit einem Ruck war die schwere Grabesdecke abgerissen, und auf meinen Sarg geschah ein schrecklicher Schlag —

Ein Schlag, daß die Hallen dröhnten, sprengte jetzt eben die Thüre des Gemaches auf, und eine große weiße Gestalt erschien auf der Schwelle. Ich war durch Wein und die Schrecknisse dieser Nacht so exaltirt und

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:05:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:05:53Z)

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Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910/62>, abgerufen am 27.04.2024.