Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648.

Bild:
<< vorherige Seite


Vorrede.

DAß zu der Poeterey absonder-
liche seltne Gaben der Natur/
und die Erkundigung fast al-
ler Wissenschaften vonnöh-
ten/ kan aus allen wolverfasten
und leswürdigen Gedichten beglaubet
werden. Die natürliche Fähigkeit solcher
Kunst bestehet in einem darzu gleichsam
gewidmeten Verstand: Dann gleichwie
nicht ein jeder/ der redet und gehet/ singen
oder springen kan/ weil seine Stimme/ und
seine Füsse darzu nicht schicklich/ also kan
auch nicht ein jeder ein Trauer- oder
Freudenlied zu Papier setzen/ darauß
Feuer und Geist erhelle/ dardurch er den
Namen eines Poeten verdienen möchte.

2. Aus berührter Fähigkeit entstehet der
Lust zu Poetisiren/ daher man sihet/ daß
die Knaben/ welche mit einem freudigen
und wolgeartem Sinne begabt/ zu solcher
Beliebung tragen/ und darinnen unter-
richtet zu werden verlangen: Träge und
schläfferige Gemüter haben keinen Lust

zu


Vorrede.

DAß zu der Poeterey abſonder-
liche ſeltne Gaben der Natur/
und die Erkundigung faſt al-
ler Wiſſenſchaften vonnoͤh-
ten/ kan aus allẽ wolverfaſten
und leſwuͤrdigen Gedichten beglaubet
werden. Die natuͤrliche Faͤhigkeit ſolcher
Kunſt beſtehet in einem darzu gleichſam
gewidmeten Verſtand: Dann gleichwie
nicht ein jeder/ der redet und gehet/ ſingen
oder ſpꝛingen kan/ weil ſeine Stimme/ und
ſeine Fuͤſſe darzu nicht ſchicklich/ alſo kan
auch nicht ein jeder ein Trauer- oder
Freudenlied zu Papier ſetzen/ darauß
Feuer und Geiſt erhelle/ dardurch er den
Namen eines Poeten verdienen moͤchte.

2. Aus beruͤhrter Faͤhigkeit entſtehet der
Luſt zu Poetiſiren/ daher man ſihet/ daß
die Knaben/ welche mit einem freudigen
und wolgeartem Sinne begabt/ zu ſolcher
Beliebung tragen/ und darinnen unter-
richtet zu werden verlangen: Traͤge und
ſchlaͤfferige Gemuͤter haben keinen Luſt

zu
<TEI>
  <text>
    <front>
      <pb facs="#f0008"/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Vorrede.</hi> </head><lb/>
        <p> <hi rendition="#in">D</hi> <hi rendition="#fr">Aß zu der Poeterey ab&#x017F;onder-<lb/>
liche &#x017F;eltne Gaben der Natur/<lb/>
und die Erkundigung fa&#x017F;t al-<lb/>
ler Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften vonno&#x0364;h-<lb/>
ten/ kan aus alle&#x0303; wolverfa&#x017F;ten<lb/>
und le&#x017F;wu&#x0364;rdigen Gedichten beglaubet<lb/>
werden. Die natu&#x0364;rliche Fa&#x0364;higkeit &#x017F;olcher<lb/>
Kun&#x017F;t be&#x017F;tehet in einem darzu gleich&#x017F;am<lb/>
gewidmeten Ver&#x017F;tand: Dann gleichwie<lb/>
nicht ein jeder/ der redet und gehet/ &#x017F;ingen<lb/>
oder &#x017F;p&#xA75B;ingen kan/ weil &#x017F;eine Stimme/ und<lb/>
&#x017F;eine Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e darzu nicht &#x017F;chicklich/ al&#x017F;o kan<lb/>
auch nicht ein jeder ein Trauer- oder<lb/>
Freudenlied zu Papier &#x017F;etzen/ darauß<lb/>
Feuer und Gei&#x017F;t erhelle/ dardurch er den<lb/>
Namen eines Poeten verdienen mo&#x0364;chte.</hi> </p><lb/>
        <p> <hi rendition="#fr">2. Aus beru&#x0364;hrter Fa&#x0364;higkeit ent&#x017F;tehet der<lb/>
Lu&#x017F;t zu Poeti&#x017F;iren/ daher man &#x017F;ihet/ daß<lb/>
die Knaben/ welche mit einem freudigen<lb/>
und wolgeartem Sinne begabt/ zu &#x017F;olcher<lb/>
Beliebung tragen/ und darinnen unter-<lb/>
richtet zu werden verlangen: Tra&#x0364;ge und<lb/>
&#x017F;chla&#x0364;fferige Gemu&#x0364;ter haben keinen Lu&#x017F;t</hi><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">zu</hi> </fw><lb/>
        </p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0008] Vorrede. DAß zu der Poeterey abſonder- liche ſeltne Gaben der Natur/ und die Erkundigung faſt al- ler Wiſſenſchaften vonnoͤh- ten/ kan aus allẽ wolverfaſten und leſwuͤrdigen Gedichten beglaubet werden. Die natuͤrliche Faͤhigkeit ſolcher Kunſt beſtehet in einem darzu gleichſam gewidmeten Verſtand: Dann gleichwie nicht ein jeder/ der redet und gehet/ ſingen oder ſpꝛingen kan/ weil ſeine Stimme/ und ſeine Fuͤſſe darzu nicht ſchicklich/ alſo kan auch nicht ein jeder ein Trauer- oder Freudenlied zu Papier ſetzen/ darauß Feuer und Geiſt erhelle/ dardurch er den Namen eines Poeten verdienen moͤchte. 2. Aus beruͤhrter Faͤhigkeit entſtehet der Luſt zu Poetiſiren/ daher man ſihet/ daß die Knaben/ welche mit einem freudigen und wolgeartem Sinne begabt/ zu ſolcher Beliebung tragen/ und darinnen unter- richtet zu werden verlangen: Traͤge und ſchlaͤfferige Gemuͤter haben keinen Luſt zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter02_1648
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter02_1648/8
Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter02_1648/8>, abgerufen am 20.11.2024.