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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 1. 2. Aufl. Nürnberg, 1650.

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und durch solche Verstandübung kan
man sich aller Orten (weil es iederman
verstehet/ da das Latein wenigen bekant)
in Freud und Leid/ angenem und belie-
bet machen: gestalosolche Kunstheutzu-
tagbey vielen Fürstenhöfen/ und auf et-
lichen hohen Schulen rühmlich getrie-
ben wird. Ja/ wann uns Teutsche keine
andere Ursache zu unsrer Poeterey trei-
bensolte/ so weren doch die geistlichen
Lieder/ zu Erweckung hertzbrünstiger
Andacht/ darzu gnugsam/ welche/ ohne
kunstrichtigen Bericht/ nicht können ver-
fasset werden.

10. Von alters her ist das Lateinische
Singen in unsrer Kirche geblieben/ da-
mit die studirende Jugend zu üben: der
gemeine Mann aber hat vielersprießli-
chern Nutzen von dem Teutschen Singen/
durch welches wir gleichsam den Englen
nachahnen/ und näher zu GOtt tretten.
Wie sol der/ sagt der heilige Apostel Pau-
lus/ 1. Corinth. 14. v.
16. so an statt deß Lajen
stehet/ Amen sagen/ auf deine Dancksagung?
sintemal er nit weiß/ was du sagest. Ein andrer
wird nicht davon gebessert/ etc. Welche fremde
Sprachen reden/ daß sie nicht jederman verstehet/
pfleget man für unsinnig zu halten/ wie in fol-

gen

und durch ſolche Verſtanduͤbung kan
man ſich aller Orten (weil es iederman
verſtehet/ da das Latein wenigen bekant)
in Freud und Leid/ angenem und belie-
bet machen: geſtaloſolche Kunſtheutzu-
tagbey vielen Fuͤrſtenhoͤfen/ und auf et-
lichen hohen Schulen ruͤhmlich getrie-
ben wird. Ja/ wann uns Teutſche keine
andere Urſache zu unſrer Poëterey trei-
benſolte/ ſo weren doch die geiſtlichen
Lieder/ zu Erweckung hertzbruͤnſtiger
Andacht/ darzu gnugſam/ welche/ ohne
kunſtrichtigen Bericht/ nicht koͤnnen veꝛ-
faſſet werden.

10. Von alters her iſt das Lateiniſche
Singen in unſrer Kirche geblieben/ da-
mit die ſtudirende Jugend zu uͤben: der
gemeine Mann aber hat vielerſprießli-
cheꝛn Nutzen von dem Teutſchen Singẽ/
durch welches wir gleichſam den Englẽ
nachahnen/ und naͤher zu GOtt tretten.
Wie ſol der/ ſagt der heilige Apoſtel Pau-
lus/ 1. Corinth. 14. v.
16. ſo an ſtatt deß Lajẽ
ſtehet/ Amen ſagen/ auf deine Danckſagung?
ſintemal er nit weiß/ was du ſageſt. Ein andꝛer
wird nicht davon gebeſſert/ ꝛc. Welche fremde
Sprachẽ redẽ/ daß ſie nicht jederman veꝛſtehet/
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gen
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[0011] und durch ſolche Verſtanduͤbung kan man ſich aller Orten (weil es iederman verſtehet/ da das Latein wenigen bekant) in Freud und Leid/ angenem und belie- bet machen: geſtaloſolche Kunſtheutzu- tagbey vielen Fuͤrſtenhoͤfen/ und auf et- lichen hohen Schulen ruͤhmlich getrie- ben wird. Ja/ wann uns Teutſche keine andere Urſache zu unſrer Poëterey trei- benſolte/ ſo weren doch die geiſtlichen Lieder/ zu Erweckung hertzbruͤnſtiger Andacht/ darzu gnugſam/ welche/ ohne kunſtrichtigen Bericht/ nicht koͤnnen veꝛ- faſſet werden. 10. Von alters her iſt das Lateiniſche Singen in unſrer Kirche geblieben/ da- mit die ſtudirende Jugend zu uͤben: der gemeine Mann aber hat vielerſprießli- cheꝛn Nutzen von dem Teutſchen Singẽ/ durch welches wir gleichſam den Englẽ nachahnen/ und naͤher zu GOtt tretten. Wie ſol der/ ſagt der heilige Apoſtel Pau- lus/ 1. Corinth. 14. v. 16. ſo an ſtatt deß Lajẽ ſtehet/ Amen ſagen/ auf deine Danckſagung? ſintemal er nit weiß/ was du ſageſt. Ein andꝛer wird nicht davon gebeſſert/ ꝛc. Welche fremde Sprachẽ redẽ/ daß ſie nicht jederman veꝛſtehet/ pfleget man fuͤr unſiñig zu halten/ wie in fol- gen

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 1. 2. Aufl. Nürnberg, 1650, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter01_1650/11>, abgerufen am 26.04.2024.