bisweilen geschieht, dergleichen Erzählungen nicht so viel zutrauen, daß man Lust bekömmt, solche den augenschein- lichsten und täglichen, gründlich gemachten Bemerkun- gen entgegen zu sezzen.
§. 13. Die Nuzzbarkeit der Harnblase.
Nicht alle Thiere, welche harnen, haben deswegen von der Natur eine Blase bekommen(i). Es scheinet diese den Menschen vorzüglich und denjenigen Thieren gegeben zu seyn, deren Urin eine stinkende Eigenschaft hat, um diese garstige Flüßigkeit zu gewissen Zeiten, und ohne Unreinigkeiten zu verursachen, weg zu lassen. Wir sehen die mehresten unter den vierfüßigen Thieren ein- same Oerter suchen, um sich nicht selbst mit diesem Ge- stanke, der ihnen ekelhaft ist, zu besudeln. Die Vögel sind eben dieses Unflates wegen zu einem geselligen Leben weniger geschikkt. Die Natur hat ihnen keine Blase gegeben, weil eine grosse Menge Kalk, der sich in ihrem Urine befindet, und weis von Farbe ist (k), wofern er in der Blase einen Aufenthalt bekäme, schlimme Folgen nach sich ziehen könnte. Und obgleich im Menschen, die Niere oft genung Steine erzeugt, und die grausame Folgen von dem, durch die Harngänge gehemmden und auf deren empfindliche Membran wirkenden Steine nicht vermieden werden konnten; so würden doch niemals ohne eine Harnblase grosse Steine wachsen, noch die unerträg- lichen Steinschmerzen in der Blase entstehen können. Die Natur hat diese Ungemächlichkeit lieber ausser Acht lassen, als das gesellschaftliche Leben seiner Vergnügun- gen berauben wollen, damit nicht ein Mensch den an- dern, als ein, durch seinen Unflat verhaßtes Thier, flie- hen dürfte.
Und
(i)[Spaltenumbruch]p. 296.
(k) Die ganze Jnsel Bass. ist [Spaltenumbruch]
überzogen von dem Kalk und Koth der Gänse, wegen der Eierschaalen.
P p 2
IV. Abſchn. die der Harn nimmt.
bisweilen geſchieht, dergleichen Erzaͤhlungen nicht ſo viel zutrauen, daß man Luſt bekoͤmmt, ſolche den augenſchein- lichſten und taͤglichen, gruͤndlich gemachten Bemerkun- gen entgegen zu ſezzen.
§. 13. Die Nuzzbarkeit der Harnblaſe.
Nicht alle Thiere, welche harnen, haben deswegen von der Natur eine Blaſe bekommen(i). Es ſcheinet dieſe den Menſchen vorzuͤglich und denjenigen Thieren gegeben zu ſeyn, deren Urin eine ſtinkende Eigenſchaft hat, um dieſe garſtige Fluͤßigkeit zu gewiſſen Zeiten, und ohne Unreinigkeiten zu verurſachen, weg zu laſſen. Wir ſehen die mehreſten unter den vierfuͤßigen Thieren ein- ſame Oerter ſuchen, um ſich nicht ſelbſt mit dieſem Ge- ſtanke, der ihnen ekelhaft iſt, zu beſudeln. Die Voͤgel ſind eben dieſes Unflates wegen zu einem geſelligen Leben weniger geſchikkt. Die Natur hat ihnen keine Blaſe gegeben, weil eine groſſe Menge Kalk, der ſich in ihrem Urine befindet, und weis von Farbe iſt (k), wofern er in der Blaſe einen Aufenthalt bekaͤme, ſchlimme Folgen nach ſich ziehen koͤnnte. Und obgleich im Menſchen, die Niere oft genung Steine erzeugt, und die grauſame Folgen von dem, durch die Harngaͤnge gehemmden und auf deren empfindliche Membran wirkenden Steine nicht vermieden werden konnten; ſo wuͤrden doch niemals ohne eine Harnblaſe groſſe Steine wachſen, noch die unertraͤg- lichen Steinſchmerzen in der Blaſe entſtehen koͤnnen. Die Natur hat dieſe Ungemaͤchlichkeit lieber auſſer Acht laſſen, als das geſellſchaftliche Leben ſeiner Vergnuͤgun- gen berauben wollen, damit nicht ein Menſch den an- dern, als ein, durch ſeinen Unflat verhaßtes Thier, flie- hen duͤrfte.
Und
(i)[Spaltenumbruch]p. 296.
(k) Die ganze Jnſel Baſſ. iſt [Spaltenumbruch]
uͤberzogen von dem Kalk und Koth der Gaͤnſe, wegen der Eierſchaalen.
P p 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0631"n="595"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">IV.</hi> Abſchn. die der Harn nimmt.</hi></fw><lb/>
bisweilen geſchieht, dergleichen Erzaͤhlungen nicht ſo viel<lb/>
zutrauen, daß man Luſt bekoͤmmt, ſolche den augenſchein-<lb/>
lichſten und taͤglichen, gruͤndlich gemachten Bemerkun-<lb/>
gen entgegen zu ſezzen.</p></div><lb/><divn="4"><head>§. 13.<lb/><hirendition="#b">Die Nuzzbarkeit der Harnblaſe.</hi></head><lb/><p>Nicht alle Thiere, welche harnen, haben deswegen<lb/>
von der Natur eine Blaſe bekommen<noteplace="foot"n="(i)"><cb/><hirendition="#aq">p.</hi> 296.</note>. Es ſcheinet<lb/>
dieſe den Menſchen vorzuͤglich und denjenigen Thieren<lb/>
gegeben zu ſeyn, deren Urin eine ſtinkende Eigenſchaft<lb/>
hat, um dieſe garſtige Fluͤßigkeit zu gewiſſen Zeiten, und<lb/>
ohne Unreinigkeiten zu verurſachen, weg zu laſſen. Wir<lb/>ſehen die mehreſten unter den vierfuͤßigen Thieren ein-<lb/>ſame Oerter ſuchen, um ſich nicht ſelbſt mit dieſem Ge-<lb/>ſtanke, der ihnen ekelhaft iſt, zu beſudeln. Die Voͤgel<lb/>ſind eben dieſes Unflates wegen zu einem geſelligen Leben<lb/>
weniger geſchikkt. Die Natur hat ihnen keine Blaſe<lb/>
gegeben, weil eine groſſe Menge Kalk, der ſich in ihrem<lb/>
Urine befindet, und weis von Farbe iſt <noteplace="foot"n="(k)">Die ganze Jnſel <hirendition="#aq">Baſſ.</hi> iſt<lb/><cb/>
uͤberzogen von dem Kalk und Koth<lb/>
der Gaͤnſe, wegen der Eierſchaalen.</note>, wofern er<lb/>
in der Blaſe einen Aufenthalt bekaͤme, ſchlimme Folgen<lb/>
nach ſich ziehen koͤnnte. Und obgleich im Menſchen,<lb/>
die Niere oft genung Steine erzeugt, und die grauſame<lb/>
Folgen von dem, durch die Harngaͤnge gehemmden und<lb/>
auf deren empfindliche Membran wirkenden Steine nicht<lb/>
vermieden werden konnten; ſo wuͤrden doch niemals ohne<lb/>
eine Harnblaſe groſſe Steine wachſen, noch die unertraͤg-<lb/>
lichen Steinſchmerzen in der Blaſe entſtehen koͤnnen.<lb/>
Die Natur hat dieſe Ungemaͤchlichkeit lieber auſſer Acht<lb/>
laſſen, als das geſellſchaftliche Leben ſeiner Vergnuͤgun-<lb/>
gen berauben wollen, damit nicht ein Menſch den an-<lb/>
dern, als ein, durch ſeinen Unflat verhaßtes Thier, flie-<lb/>
hen duͤrfte.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">P p 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">Und</fw><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[595/0631]
IV. Abſchn. die der Harn nimmt.
bisweilen geſchieht, dergleichen Erzaͤhlungen nicht ſo viel
zutrauen, daß man Luſt bekoͤmmt, ſolche den augenſchein-
lichſten und taͤglichen, gruͤndlich gemachten Bemerkun-
gen entgegen zu ſezzen.
§. 13.
Die Nuzzbarkeit der Harnblaſe.
Nicht alle Thiere, welche harnen, haben deswegen
von der Natur eine Blaſe bekommen (i). Es ſcheinet
dieſe den Menſchen vorzuͤglich und denjenigen Thieren
gegeben zu ſeyn, deren Urin eine ſtinkende Eigenſchaft
hat, um dieſe garſtige Fluͤßigkeit zu gewiſſen Zeiten, und
ohne Unreinigkeiten zu verurſachen, weg zu laſſen. Wir
ſehen die mehreſten unter den vierfuͤßigen Thieren ein-
ſame Oerter ſuchen, um ſich nicht ſelbſt mit dieſem Ge-
ſtanke, der ihnen ekelhaft iſt, zu beſudeln. Die Voͤgel
ſind eben dieſes Unflates wegen zu einem geſelligen Leben
weniger geſchikkt. Die Natur hat ihnen keine Blaſe
gegeben, weil eine groſſe Menge Kalk, der ſich in ihrem
Urine befindet, und weis von Farbe iſt (k), wofern er
in der Blaſe einen Aufenthalt bekaͤme, ſchlimme Folgen
nach ſich ziehen koͤnnte. Und obgleich im Menſchen,
die Niere oft genung Steine erzeugt, und die grauſame
Folgen von dem, durch die Harngaͤnge gehemmden und
auf deren empfindliche Membran wirkenden Steine nicht
vermieden werden konnten; ſo wuͤrden doch niemals ohne
eine Harnblaſe groſſe Steine wachſen, noch die unertraͤg-
lichen Steinſchmerzen in der Blaſe entſtehen koͤnnen.
Die Natur hat dieſe Ungemaͤchlichkeit lieber auſſer Acht
laſſen, als das geſellſchaftliche Leben ſeiner Vergnuͤgun-
gen berauben wollen, damit nicht ein Menſch den an-
dern, als ein, durch ſeinen Unflat verhaßtes Thier, flie-
hen duͤrfte.
Und
(i)
p. 296.
(k) Die ganze Jnſel Baſſ. iſt
uͤberzogen von dem Kalk und Koth
der Gaͤnſe, wegen der Eierſchaalen.
P p 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 7. Berlin, 1775, S. 595. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende07_1775/631>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.