Wir haben die Ursachen aufgezält, welche auf die Speisen, die sich im Magen befinden, wirken: nun müs- sen wir auch aus den Jncisionen lebendiger und todter Thiere diese Veränderungen der Speise folgern, welche sie in diesem Magen leiden. Die Ordnung ist schwer zu beobachten, weil viele dieser Veränderungen zu einerlei Zeit die Speise treffen, und man doch in diesem Werke eine vor der andern zu erklären genötigt ist. Jn der That hat die Verdünnung und Erweichung vor dem Sauer- werden ihren Termin. Denn es werden die Kräuter im ersten Magen der Ziegen nur blos erweicht; sie lösen sich im zweeten besser auf, und endlich werden sie im drit- ten (a) säuerlich. So wird die Speise im Kalbe im er- sten Magen weich, im andern besser gemischt, und im dritten färbt sie schon die Pappelrosentinktur rot (b). Und so ist das erste in Vögeln, daß die Erbsen im Kropfe weich werden (c) und aufschwellen (d).
Es kömmt nämlich eine übermäßige Menge Speichel, und Magensaft zur Speise, und zum Getränke, und bei- des wird durch die peristaltische und antiperistaltische Be- wegung zusammen gemischt. Solchergestalt mus sich das Getränke mit unsern Säften vermengen und ein aus bei- den gemischtes Wesen annehmen. Hingegen wird die Speise davon weich, indem sich das Wasser an dem war- men Orte in Fächer und in die kleine Hölungen, die zwi- schen den Fasern und Blättern liegen, vermittelst seiner Schwere, und seiner Anziehungskraft, einschleicht.
So
(a)[Spaltenumbruch]VIEUSSENS tr. des. liq. p. 279.
(b)Ibid. p. 277.
(c)[Spaltenumbruch]DUVERNEY posth. T. II. p. 449.
(d)Anat. compar. p. 95.
Der Magen. XIX. Buch.
§. 24. Die Erweichung.
Wir haben die Urſachen aufgezaͤlt, welche auf die Speiſen, die ſich im Magen befinden, wirken: nun muͤſ- ſen wir auch aus den Jnciſionen lebendiger und todter Thiere dieſe Veraͤnderungen der Speiſe folgern, welche ſie in dieſem Magen leiden. Die Ordnung iſt ſchwer zu beobachten, weil viele dieſer Veraͤnderungen zu einerlei Zeit die Speiſe treffen, und man doch in dieſem Werke eine vor der andern zu erklaͤren genoͤtigt iſt. Jn der That hat die Verduͤnnung und Erweichung vor dem Sauer- werden ihren Termin. Denn es werden die Kraͤuter im erſten Magen der Ziegen nur blos erweicht; ſie loͤſen ſich im zweeten beſſer auf, und endlich werden ſie im drit- ten (a) ſaͤuerlich. So wird die Speiſe im Kalbe im er- ſten Magen weich, im andern beſſer gemiſcht, und im dritten faͤrbt ſie ſchon die Pappelroſentinktur rot (b). Und ſo iſt das erſte in Voͤgeln, daß die Erbſen im Kropfe weich werden (c) und aufſchwellen (d).
Es koͤmmt naͤmlich eine uͤbermaͤßige Menge Speichel, und Magenſaft zur Speiſe, und zum Getraͤnke, und bei- des wird durch die periſtaltiſche und antiperiſtaltiſche Be- wegung zuſammen gemiſcht. Solchergeſtalt mus ſich das Getraͤnke mit unſern Saͤften vermengen und ein aus bei- den gemiſchtes Weſen annehmen. Hingegen wird die Speiſe davon weich, indem ſich das Waſſer an dem war- men Orte in Faͤcher und in die kleine Hoͤlungen, die zwi- ſchen den Faſern und Blaͤttern liegen, vermittelſt ſeiner Schwere, und ſeiner Anziehungskraft, einſchleicht.
So
(a)[Spaltenumbruch]VIEUSSENS tr. des. liq. p. 279.
(b)Ibid. p. 277.
(c)[Spaltenumbruch]DUVERNEY poſth. T. II. p. 449.
(d)Anat. compar. p. 95.
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[450[466]/0486]
Der Magen. XIX. Buch.
§. 24.
Die Erweichung.
Wir haben die Urſachen aufgezaͤlt, welche auf die
Speiſen, die ſich im Magen befinden, wirken: nun muͤſ-
ſen wir auch aus den Jnciſionen lebendiger und todter
Thiere dieſe Veraͤnderungen der Speiſe folgern, welche
ſie in dieſem Magen leiden. Die Ordnung iſt ſchwer zu
beobachten, weil viele dieſer Veraͤnderungen zu einerlei
Zeit die Speiſe treffen, und man doch in dieſem Werke
eine vor der andern zu erklaͤren genoͤtigt iſt. Jn der That
hat die Verduͤnnung und Erweichung vor dem Sauer-
werden ihren Termin. Denn es werden die Kraͤuter
im erſten Magen der Ziegen nur blos erweicht; ſie loͤſen
ſich im zweeten beſſer auf, und endlich werden ſie im drit-
ten (a) ſaͤuerlich. So wird die Speiſe im Kalbe im er-
ſten Magen weich, im andern beſſer gemiſcht, und im
dritten faͤrbt ſie ſchon die Pappelroſentinktur rot (b). Und
ſo iſt das erſte in Voͤgeln, daß die Erbſen im Kropfe
weich werden (c) und aufſchwellen (d).
Es koͤmmt naͤmlich eine uͤbermaͤßige Menge Speichel,
und Magenſaft zur Speiſe, und zum Getraͤnke, und bei-
des wird durch die periſtaltiſche und antiperiſtaltiſche Be-
wegung zuſammen gemiſcht. Solchergeſtalt mus ſich das
Getraͤnke mit unſern Saͤften vermengen und ein aus bei-
den gemiſchtes Weſen annehmen. Hingegen wird die
Speiſe davon weich, indem ſich das Waſſer an dem war-
men Orte in Faͤcher und in die kleine Hoͤlungen, die zwi-
ſchen den Faſern und Blaͤttern liegen, vermittelſt ſeiner
Schwere, und ſeiner Anziehungskraft, einſchleicht.
So
(a)
VIEUSSENS tr. des. liq.
p. 279.
(b) Ibid. p. 277.
(c)
DUVERNEY poſth. T. II.
p. 449.
(d) Anat. compar. p. 95.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774, S. 450[466]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/486>, abgerufen am 21.12.2024.
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