Aus dem Mineralreiche geniesset der Mensch, ausser dem Wasser, wenn man dieses dahin rechnen will, und dem Salze nichts. Unsre Kochgeschirre sind nicht von der Art, daß sich aus diesen zu harten Körpern, die zu ein- fach sind, etwas nüzzliches ausziehen läst: und wenn man sie in scharfen Säften auflösen kann, so hängen sich doch ihre rauhen Stoffe nicht an unsre Fasern an.
Steine verschlukken die Vögel zwar (a), doch wir werden an einem andern Orte zeigen, daß sie selbige nicht verdauen. Wenn Menschen Kieselsteine (b) herunterge- schlukkt, so haben sie davon grosse Schmerzen und Ent- kräftung gelitten. Vor kurzem durchreisete ein alter Schleicher mein Vaterland, und er hatte einen Knaben bei sich, von welchem er, nach einer schlecht ausgesonne- nen Historie vorgab, daß derselbe auf einer wüsten Jn- sel von der Not gezwungen, Steine zu essen gelernt hät- te. Dieser Elende verschlang in der That Kiesel: es fand sich aber, daß der Betrüger dem unglükklichen Kinde Nacht über eine Purganz eingegeben hatte, davon die Steine nicht ohne grosse Schmerzen abgingen; endlich brachte es die Neugierde gewisser junger Berner dahin, daß der elende Knabe aus dieser höchst erbärmlichen Sklaverei gerettet wurde.
Jn der That fressen einige Thiere Erde, und davon nähren sich die Regenwürmer (c), die Maden der Erd- schnaken (d), des Uferaaßers (d*), der Viehfliegen. Sand essen die Tellinenmuscheln, die Schnekken, die lumbrici marini(h); Schalen, die Frösche, die solche
voll-
(a)[Spaltenumbruch]
Besiehe Sect. IV.
(b)Phil. trans. n. 253.
(c)REDI anim. nelli anim. p. 53. VALISNERI oper. T. III. p. 463.
(d)[Spaltenumbruch]REAUMUR Mem. pour l'Hist. des Insect V. p. 12.
(d*)SWAMMERDAM bibl. p. 173.
(h)KALM resa T. II. p. 105.
Der Magen. XIX. Buch.
§. 10. Die Foßilien geben keine Narung.
Aus dem Mineralreiche genieſſet der Menſch, auſſer dem Waſſer, wenn man dieſes dahin rechnen will, und dem Salze nichts. Unſre Kochgeſchirre ſind nicht von der Art, daß ſich aus dieſen zu harten Koͤrpern, die zu ein- fach ſind, etwas nuͤzzliches ausziehen laͤſt: und wenn man ſie in ſcharfen Saͤften aufloͤſen kann, ſo haͤngen ſich doch ihre rauhen Stoffe nicht an unſre Faſern an.
Steine verſchlukken die Voͤgel zwar (a), doch wir werden an einem andern Orte zeigen, daß ſie ſelbige nicht verdauen. Wenn Menſchen Kieſelſteine (b) herunterge- ſchlukkt, ſo haben ſie davon groſſe Schmerzen und Ent- kraͤftung gelitten. Vor kurzem durchreiſete ein alter Schleicher mein Vaterland, und er hatte einen Knaben bei ſich, von welchem er, nach einer ſchlecht ausgeſonne- nen Hiſtorie vorgab, daß derſelbe auf einer wuͤſten Jn- ſel von der Not gezwungen, Steine zu eſſen gelernt haͤt- te. Dieſer Elende verſchlang in der That Kieſel: es fand ſich aber, daß der Betruͤger dem ungluͤkklichen Kinde Nacht uͤber eine Purganz eingegeben hatte, davon die Steine nicht ohne groſſe Schmerzen abgingen; endlich brachte es die Neugierde gewiſſer junger Berner dahin, daß der elende Knabe aus dieſer hoͤchſt erbaͤrmlichen Sklaverei gerettet wurde.
Jn der That freſſen einige Thiere Erde, und davon naͤhren ſich die Regenwuͤrmer (c), die Maden der Erd- ſchnaken (d), des Uferaaßers (d*), der Viehfliegen. Sand eſſen die Tellinenmuſcheln, die Schnekken, die lumbrici marini(h); Schalen, die Froͤſche, die ſolche
voll-
(a)[Spaltenumbruch]
Beſiehe Sect. IV.
(b)Phil. tranſ. n. 253.
(c)REDI anim. nelli anim. p. 53. VALISNERI oper. T. III. p. 463.
(d)[Spaltenumbruch]REAUMUR Mém. pour l’Hiſt. des Inſect V. p. 12.
(d*)SWAMMERDAM bibl. p. 173.
(h)KALM reſa T. II. p. 105.
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[308[324]/0344]
Der Magen. XIX. Buch.
§. 10.
Die Foßilien geben keine Narung.
Aus dem Mineralreiche genieſſet der Menſch, auſſer
dem Waſſer, wenn man dieſes dahin rechnen will, und
dem Salze nichts. Unſre Kochgeſchirre ſind nicht von
der Art, daß ſich aus dieſen zu harten Koͤrpern, die zu ein-
fach ſind, etwas nuͤzzliches ausziehen laͤſt: und wenn
man ſie in ſcharfen Saͤften aufloͤſen kann, ſo haͤngen ſich
doch ihre rauhen Stoffe nicht an unſre Faſern an.
Steine verſchlukken die Voͤgel zwar (a), doch wir
werden an einem andern Orte zeigen, daß ſie ſelbige nicht
verdauen. Wenn Menſchen Kieſelſteine (b) herunterge-
ſchlukkt, ſo haben ſie davon groſſe Schmerzen und Ent-
kraͤftung gelitten. Vor kurzem durchreiſete ein alter
Schleicher mein Vaterland, und er hatte einen Knaben
bei ſich, von welchem er, nach einer ſchlecht ausgeſonne-
nen Hiſtorie vorgab, daß derſelbe auf einer wuͤſten Jn-
ſel von der Not gezwungen, Steine zu eſſen gelernt haͤt-
te. Dieſer Elende verſchlang in der That Kieſel: es fand
ſich aber, daß der Betruͤger dem ungluͤkklichen Kinde
Nacht uͤber eine Purganz eingegeben hatte, davon die
Steine nicht ohne groſſe Schmerzen abgingen; endlich
brachte es die Neugierde gewiſſer junger Berner dahin,
daß der elende Knabe aus dieſer hoͤchſt erbaͤrmlichen
Sklaverei gerettet wurde.
Jn der That freſſen einige Thiere Erde, und davon
naͤhren ſich die Regenwuͤrmer (c), die Maden der Erd-
ſchnaken (d), des Uferaaßers (d*), der Viehfliegen.
Sand eſſen die Tellinenmuſcheln, die Schnekken, die
lumbrici marini (h); Schalen, die Froͤſche, die ſolche
voll-
(a)
Beſiehe Sect. IV.
(b) Phil. tranſ. n. 253.
(c) REDI anim. nelli anim. p.
53. VALISNERI oper. T. III.
p. 463.
(d)
REAUMUR Mém. pour
l’Hiſt. des Inſect V. p. 12.
(d*) SWAMMERDAM bibl.
p. 173.
(h) KALM reſa T. II. p. 105.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774, S. 308[324]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/344>, abgerufen am 21.12.2024.
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