Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite

IV. Abschnitt. Das Sehen.
wird. Nothwendig müssen die Vögel (y) nur mit einem
Auge sehen, indem ihre Augen so seitwärts liegen, daß
sich ihre Achsen nicht vereinigen können, und eben diese
Beschaffenheit hat es auch mit vielen Fischen (z). Es
haben auch Menschen sehen können, da doch keine Ver-
muthung gewesen, daß in ihnen auf irgend eine Weise
beide Augen zugleich Empfindungen haben können. Von
dergleichen Art waren diejenigen Menschen, die durch
verschiedene Zufälle, kein ander Gesicht als durch die Na-
se gehabt (a), dergleichen derjenige war, welcher blos
durch die linke Nase sehen konnte, weil seine Augenlieder
verkehrt waren (b). Ein anderer sahe mit aufrechten
hängendem Auge (c), und ein anderer, dessen Stern so
einwerts gezogen war, daß dieser Stern fast den inwen-
digen Augenwinkel berührte (d). Es sind auch die Exem-
pel nicht selten, daß ein Geschwulst, das eine Auge aus
der Augenhöhle heraus treibet, und dennoch sehen diese
Leute nicht gedoppelt (d*). Alle diese würden gewiß
doppelt gesehen haben müssen, wofern nicht ein Auge al-
lein sieht.

§. 10.
III. Es lassen sich die ähnlichen Eindrükke nicht
von einander unterscheiden.

Ob wir gleich mit beiden Augen nicht deutlich se-
hen, so sehen wir doch mit beiden, und es mahlen sich
also zwei Bilder des gesehenen Körpers ab. Man hat
die Frage aufgeworfen, warum daraus in der Seele nur

eine
(y) [Spaltenumbruch] PORTERFIELD T. II. pag.
275. of Edimb. T. IV. pag. 291.
LEVRET p.
274.
(z) Am Fische Flinder HANOV.
Seltenh. T. III. p.
142. An der
Zygaena und andern. C. Aug. a
BFRGEN.
(a) PLEMP. probs 64. CRATO
Epist. T. VI. n. 34. HAMBERGER
[Spaltenumbruch] vitia ocat. pag. 210. THUMMIG
Eilaeuter. T. II.
(b) SMETIUS Miscell. L. V.
Epist. 13. L. X. p.
531.
(c) H. de HEERS obs. p. 49.
und sonst de la VAUGUYON oper.
p.
838.
(d) BOYLE post. caus. obs. 7.
(d*) PAW. obs. 23.

IV. Abſchnitt. Das Sehen.
wird. Nothwendig muͤſſen die Voͤgel (y) nur mit einem
Auge ſehen, indem ihre Augen ſo ſeitwaͤrts liegen, daß
ſich ihre Achſen nicht vereinigen koͤnnen, und eben dieſe
Beſchaffenheit hat es auch mit vielen Fiſchen (z). Es
haben auch Menſchen ſehen koͤnnen, da doch keine Ver-
muthung geweſen, daß in ihnen auf irgend eine Weiſe
beide Augen zugleich Empfindungen haben koͤnnen. Von
dergleichen Art waren diejenigen Menſchen, die durch
verſchiedene Zufaͤlle, kein ander Geſicht als durch die Na-
ſe gehabt (a), dergleichen derjenige war, welcher blos
durch die linke Naſe ſehen konnte, weil ſeine Augenlieder
verkehrt waren (b). Ein anderer ſahe mit aufrechten
haͤngendem Auge (c), und ein anderer, deſſen Stern ſo
einwerts gezogen war, daß dieſer Stern faſt den inwen-
digen Augenwinkel beruͤhrte (d). Es ſind auch die Exem-
pel nicht ſelten, daß ein Geſchwulſt, das eine Auge aus
der Augenhoͤhle heraus treibet, und dennoch ſehen dieſe
Leute nicht gedoppelt (d*). Alle dieſe wuͤrden gewiß
doppelt geſehen haben muͤſſen, wofern nicht ein Auge al-
lein ſieht.

§. 10.
III. Es laſſen ſich die aͤhnlichen Eindruͤkke nicht
von einander unterſcheiden.

Ob wir gleich mit beiden Augen nicht deutlich ſe-
hen, ſo ſehen wir doch mit beiden, und es mahlen ſich
alſo zwei Bilder des geſehenen Koͤrpers ab. Man hat
die Frage aufgeworfen, warum daraus in der Seele nur

eine
(y) [Spaltenumbruch] PORTERFIELD T. II. pag.
275. of Edimb. T. IV. pag. 291.
LEVRET p.
274.
(z) Am Fiſche Flinder HANOV.
Seltenh. T. III. p.
142. An der
Zygaena und andern. C. Aug. a
BFRGEN.
(a) PLEMP. probſ 64. CRATO
Epiſt. T. VI. n. 34. HAMBERGER
[Spaltenumbruch] vitia ocat. pag. 210. THUMMIG
Eilaeuter. T. II.
(b) SMETIUS Miſcell. L. V.
Epiſt. 13. L. X. p.
531.
(c) H. de HEERS obſ. p. 49.
und ſonſt de la VAUGUYON oper.
p.
838.
(d) BOYLE poſt. cauſ. obſ. 7.
(d*) PAW. obſ. 23.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0993" n="975"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">IV.</hi> Ab&#x017F;chnitt. Das Sehen.</hi></fw><lb/>
wird. Nothwendig mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en die Vo&#x0364;gel <note place="foot" n="(y)"><cb/><hi rendition="#aq">PORTERFIELD T. II. pag.<lb/>
275. of Edimb. T. IV. pag. 291.<lb/>
LEVRET p.</hi> 274.</note> nur mit einem<lb/>
Auge &#x017F;ehen, indem ihre Augen &#x017F;o &#x017F;eitwa&#x0364;rts liegen, daß<lb/>
&#x017F;ich ihre Ach&#x017F;en nicht vereinigen ko&#x0364;nnen, und eben die&#x017F;e<lb/>
Be&#x017F;chaffenheit hat es auch mit vielen Fi&#x017F;chen <note place="foot" n="(z)">Am Fi&#x017F;che Flinder <hi rendition="#aq">HANOV.<lb/>
Seltenh. T. III. p.</hi> 142. An der<lb/><hi rendition="#aq">Zygaena</hi> und andern. <hi rendition="#aq">C. Aug. a<lb/>
BFRGEN.</hi></note>. Es<lb/>
haben auch Men&#x017F;chen &#x017F;ehen ko&#x0364;nnen, da doch keine Ver-<lb/>
muthung gewe&#x017F;en, daß in ihnen auf irgend eine Wei&#x017F;e<lb/>
beide Augen zugleich Empfindungen haben ko&#x0364;nnen. Von<lb/>
dergleichen Art waren diejenigen Men&#x017F;chen, die durch<lb/>
ver&#x017F;chiedene Zufa&#x0364;lle, kein ander Ge&#x017F;icht als durch die Na-<lb/>
&#x017F;e gehabt <note place="foot" n="(a)"><hi rendition="#aq">PLEMP. prob&#x017F; 64. CRATO<lb/>
Epi&#x017F;t. T. VI. n. 34. HAMBERGER<lb/><cb/>
vitia ocat. pag. 210. THUMMIG<lb/>
Eilaeuter. T. II.</hi></note>, dergleichen derjenige war, welcher blos<lb/>
durch die linke Na&#x017F;e &#x017F;ehen konnte, weil &#x017F;eine Augenlieder<lb/>
verkehrt waren <note place="foot" n="(b)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SMETIUS</hi> Mi&#x017F;cell. L. V.<lb/>
Epi&#x017F;t. 13. L. X. p.</hi> 531.</note>. Ein anderer &#x017F;ahe mit aufrechten<lb/>
ha&#x0364;ngendem Auge <note place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq">H. de HEERS ob&#x017F;. p.</hi> 49.<lb/>
und &#x017F;on&#x017F;t <hi rendition="#aq">de la VAUGUYON oper.<lb/>
p.</hi> 838.</note>, und ein anderer, de&#x017F;&#x017F;en Stern &#x017F;o<lb/>
einwerts gezogen war, daß die&#x017F;er Stern fa&#x017F;t den inwen-<lb/>
digen Augenwinkel beru&#x0364;hrte <note place="foot" n="(d)"><hi rendition="#aq">BOYLE po&#x017F;t. cau&#x017F;. ob&#x017F;.</hi> 7.</note>. Es &#x017F;ind auch die Exem-<lb/>
pel nicht &#x017F;elten, daß ein Ge&#x017F;chwul&#x017F;t, das eine Auge aus<lb/>
der Augenho&#x0364;hle heraus treibet, und dennoch &#x017F;ehen die&#x017F;e<lb/>
Leute nicht gedoppelt <note place="foot" n="(d*)"><hi rendition="#aq">PAW. ob&#x017F;.</hi> 23.</note>. Alle die&#x017F;e wu&#x0364;rden gewiß<lb/>
doppelt ge&#x017F;ehen haben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, wofern nicht ein Auge al-<lb/>
lein &#x017F;ieht.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 10.</head><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">III.</hi> Es la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich die a&#x0364;hnlichen Eindru&#x0364;kke nicht<lb/>
von einander unter&#x017F;cheiden.</hi> </head><lb/>
              <p>Ob wir gleich mit beiden Augen nicht deutlich &#x017F;e-<lb/>
hen, &#x017F;o &#x017F;ehen wir doch mit beiden, und es mahlen &#x017F;ich<lb/>
al&#x017F;o zwei Bilder des ge&#x017F;ehenen Ko&#x0364;rpers ab. Man hat<lb/>
die Frage aufgeworfen, warum daraus in der Seele nur<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">eine</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[975/0993] IV. Abſchnitt. Das Sehen. wird. Nothwendig muͤſſen die Voͤgel (y) nur mit einem Auge ſehen, indem ihre Augen ſo ſeitwaͤrts liegen, daß ſich ihre Achſen nicht vereinigen koͤnnen, und eben dieſe Beſchaffenheit hat es auch mit vielen Fiſchen (z). Es haben auch Menſchen ſehen koͤnnen, da doch keine Ver- muthung geweſen, daß in ihnen auf irgend eine Weiſe beide Augen zugleich Empfindungen haben koͤnnen. Von dergleichen Art waren diejenigen Menſchen, die durch verſchiedene Zufaͤlle, kein ander Geſicht als durch die Na- ſe gehabt (a), dergleichen derjenige war, welcher blos durch die linke Naſe ſehen konnte, weil ſeine Augenlieder verkehrt waren (b). Ein anderer ſahe mit aufrechten haͤngendem Auge (c), und ein anderer, deſſen Stern ſo einwerts gezogen war, daß dieſer Stern faſt den inwen- digen Augenwinkel beruͤhrte (d). Es ſind auch die Exem- pel nicht ſelten, daß ein Geſchwulſt, das eine Auge aus der Augenhoͤhle heraus treibet, und dennoch ſehen dieſe Leute nicht gedoppelt (d*). Alle dieſe wuͤrden gewiß doppelt geſehen haben muͤſſen, wofern nicht ein Auge al- lein ſieht. §. 10. III. Es laſſen ſich die aͤhnlichen Eindruͤkke nicht von einander unterſcheiden. Ob wir gleich mit beiden Augen nicht deutlich ſe- hen, ſo ſehen wir doch mit beiden, und es mahlen ſich alſo zwei Bilder des geſehenen Koͤrpers ab. Man hat die Frage aufgeworfen, warum daraus in der Seele nur eine (y) PORTERFIELD T. II. pag. 275. of Edimb. T. IV. pag. 291. LEVRET p. 274. (z) Am Fiſche Flinder HANOV. Seltenh. T. III. p. 142. An der Zygaena und andern. C. Aug. a BFRGEN. (a) PLEMP. probſ 64. CRATO Epiſt. T. VI. n. 34. HAMBERGER vitia ocat. pag. 210. THUMMIG Eilaeuter. T. II. (b) SMETIUS Miſcell. L. V. Epiſt. 13. L. X. p. 531. (c) H. de HEERS obſ. p. 49. und ſonſt de la VAUGUYON oper. p. 838. (d) BOYLE poſt. cauſ. obſ. 7. (d*) PAW. obſ. 23.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/993
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 975. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/993>, abgerufen am 21.12.2024.