Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768.

Bild:
<< vorherige Seite

VII. Ab. Ersch. d. leb. Geh. Die Empfind.
man ihm gleich das Rückenmark durchhaut [Spaltenumbruch] h. Doch
es erfolgt auch an Thieren von warmen Blute öfters
nicht so gleich der Tod h*. Folglich hat es mit dem
Rückgrade eben die Beschaffenheit, als mit dem grossen
und kleinen Gehirne, und es leiden also die Lebenskräfte
eines solches Thieres freilich sehr, wenn dieser Theil ver-
letzt wird, deswegen hören sie doch aber auf der Stelle
nicht gleich auf. Wunden an den Lenden kosten so we-
nig auf der Stelle das Leben, daß man solche vielmehr
öfters h**, so wie die Verrenkungen dieser Theile h+,
heilt.

§. 38.
Wie man ohne Gehirn leben könne.

Es geht an, wenn das Rückenmark gleich zerstört
worden, daß man noch etwas gutes von den Gehirn-
wurzeln des grossen mitleidenden Nerven, erwarten kön-
ne, und wenn man das kleine Gehirn beschädigt hat,
so kann das grosse Gehirn, wenn es ganz ist, einige Le-
benskräfte mittheilen, und so gegentheils, ist das grosse
Gehirn zerstört, so läßt sich noch ein Theil des Lebens
von dem kleinen Gehirne vermuthen.

Es scheint sich dieses, wie Thiere ohne Gehirn le-
ben können, man mag nun solches mit einmal zerstören,
oder es mag das Gehirn durch ein langsames Uebel ver-
zehrt worden sein, viel schwerer erklären zu lassen.

Viele Thiere von dem Geschlechte der Jnseckten a,
und auch Vierfüßige von der Gattung derer, die ein

kaltes
h Whytt ess. of a societ. phys.
and litt. T. II. p. 287. 292. 293.
Exp. nostr.
159. 160.
h* Lorry mem. des savans etran-
gers T. III. p.
364.
h** Bausch prodr. haematol.
p.
64. Davon erfolgte ein langsa-
mer Tod im achten Monate, Hen-
kel
II. p.
27.
h+ [Spaltenumbruch] Celsus L. VIII. c. 14. Barn-
storf
de amput. art. Binninger
cent. IV. obs.
29. Ost läßt sich der
gespaltne Rückgrad, ohne Zufälle,
viele Jahre ausstehen, Detharding
operat. temerar. p.
20.
a Hornisse können ohne Kopf
leben, Purchas of the hees p. 186.
Bie-
M m 5

VII. Ab. Erſch. d. leb. Geh. Die Empfind.
man ihm gleich das Ruͤckenmark durchhaut [Spaltenumbruch] h. Doch
es erfolgt auch an Thieren von warmen Blute oͤfters
nicht ſo gleich der Tod h*. Folglich hat es mit dem
Ruͤckgrade eben die Beſchaffenheit, als mit dem groſſen
und kleinen Gehirne, und es leiden alſo die Lebenskraͤfte
eines ſolches Thieres freilich ſehr, wenn dieſer Theil ver-
letzt wird, deswegen hoͤren ſie doch aber auf der Stelle
nicht gleich auf. Wunden an den Lenden koſten ſo we-
nig auf der Stelle das Leben, daß man ſolche vielmehr
oͤfters h**, ſo wie die Verrenkungen dieſer Theile h†,
heilt.

§. 38.
Wie man ohne Gehirn leben koͤnne.

Es geht an, wenn das Ruͤckenmark gleich zerſtoͤrt
worden, daß man noch etwas gutes von den Gehirn-
wurzeln des groſſen mitleidenden Nerven, erwarten koͤn-
ne, und wenn man das kleine Gehirn beſchaͤdigt hat,
ſo kann das groſſe Gehirn, wenn es ganz iſt, einige Le-
benskraͤfte mittheilen, und ſo gegentheils, iſt das groſſe
Gehirn zerſtoͤrt, ſo laͤßt ſich noch ein Theil des Lebens
von dem kleinen Gehirne vermuthen.

Es ſcheint ſich dieſes, wie Thiere ohne Gehirn le-
ben koͤnnen, man mag nun ſolches mit einmal zerſtoͤren,
oder es mag das Gehirn durch ein langſames Uebel ver-
zehrt worden ſein, viel ſchwerer erklaͤren zu laſſen.

Viele Thiere von dem Geſchlechte der Jnſeckten a,
und auch Vierfuͤßige von der Gattung derer, die ein

kaltes
h Whytt eſſ. of a ſociet. phyſ.
and litt. T. II. p. 287. 292. 293.
Exp. noſtr.
159. 160.
h* Lorry mem. des ſavans etran-
gers T. III. p.
364.
h** Bauſch prodr. haematol.
p.
64. Davon erfolgte ein langſa-
mer Tod im achten Monate, Hen-
kel
II. p.
27.
h† [Spaltenumbruch] Celſus L. VIII. c. 14. Barn-
ſtorf
de amput. art. Binninger
cent. IV. obſ.
29. Oſt laͤßt ſich der
geſpaltne Ruͤckgrad, ohne Zufaͤlle,
viele Jahre ausſtehen, Detharding
operat. temerar. p.
20.
a Horniſſe koͤnnen ohne Kopf
leben, Purchas of the hees p. 186.
Bie-
M m 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0589" n="553"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">VII.</hi> Ab. Er&#x017F;ch. d. leb. Geh. Die Empfind.</hi></fw><lb/>
man ihm gleich das Ru&#x0364;ckenmark durchhaut <cb/>
<note place="foot" n="h"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Whytt</hi> e&#x017F;&#x017F;. of a &#x017F;ociet. phy&#x017F;.<lb/>
and litt. T. II. p. 287. 292. 293.<lb/>
Exp. no&#x017F;tr.</hi> 159. 160.</note>. Doch<lb/>
es erfolgt auch an Thieren von warmen Blute o&#x0364;fters<lb/>
nicht &#x017F;o gleich der Tod <note place="foot" n="h*"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Lorry</hi> mem. des &#x017F;avans etran-<lb/>
gers T. III. p.</hi> 364.</note>. Folglich hat es mit dem<lb/>
Ru&#x0364;ckgrade eben die Be&#x017F;chaffenheit, als mit dem gro&#x017F;&#x017F;en<lb/>
und kleinen Gehirne, und es leiden al&#x017F;o die Lebenskra&#x0364;fte<lb/>
eines &#x017F;olches Thieres freilich &#x017F;ehr, wenn die&#x017F;er Theil ver-<lb/>
letzt wird, deswegen ho&#x0364;ren &#x017F;ie doch aber auf der Stelle<lb/>
nicht gleich auf. Wunden an den Lenden ko&#x017F;ten &#x017F;o we-<lb/>
nig auf der Stelle das Leben, daß man &#x017F;olche vielmehr<lb/>
o&#x0364;fters <note place="foot" n="h**"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Bau&#x017F;ch</hi> prodr. haematol.<lb/>
p.</hi> 64. Davon erfolgte ein lang&#x017F;a-<lb/>
mer Tod im achten Monate, <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Hen-<lb/>
kel</hi> II. p.</hi> 27.</note>, &#x017F;o wie die Verrenkungen die&#x017F;er Theile <note place="foot" n="h&#x2020;"><cb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Cel&#x017F;us</hi> L. VIII. c. 14. B<hi rendition="#i">arn-<lb/>
&#x017F;torf</hi> de amput. art. B<hi rendition="#i">inninger</hi><lb/>
cent. IV. ob&#x017F;.</hi> 29. O&#x017F;t la&#x0364;ßt &#x017F;ich der<lb/>
ge&#x017F;paltne Ru&#x0364;ckgrad, ohne Zufa&#x0364;lle,<lb/>
viele Jahre aus&#x017F;tehen, <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Detharding</hi><lb/>
operat. temerar. p.</hi> 20.</note>,<lb/>
heilt.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 38.<lb/>
Wie man ohne Gehirn leben ko&#x0364;nne.</head><lb/>
            <p>Es geht an, wenn das Ru&#x0364;ckenmark gleich zer&#x017F;to&#x0364;rt<lb/>
worden, daß man noch etwas gutes von den Gehirn-<lb/>
wurzeln des gro&#x017F;&#x017F;en mitleidenden Nerven, erwarten ko&#x0364;n-<lb/>
ne, und wenn man das kleine Gehirn be&#x017F;cha&#x0364;digt hat,<lb/>
&#x017F;o kann das gro&#x017F;&#x017F;e Gehirn, wenn es ganz i&#x017F;t, einige Le-<lb/>
benskra&#x0364;fte mittheilen, und &#x017F;o gegentheils, i&#x017F;t das gro&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Gehirn zer&#x017F;to&#x0364;rt, &#x017F;o la&#x0364;ßt &#x017F;ich noch ein Theil des Lebens<lb/>
von dem kleinen Gehirne vermuthen.</p><lb/>
            <p>Es &#x017F;cheint &#x017F;ich die&#x017F;es, wie Thiere ohne Gehirn le-<lb/>
ben ko&#x0364;nnen, man mag nun &#x017F;olches mit einmal zer&#x017F;to&#x0364;ren,<lb/>
oder es mag das Gehirn durch ein lang&#x017F;ames Uebel ver-<lb/>
zehrt worden &#x017F;ein, viel &#x017F;chwerer erkla&#x0364;ren zu la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
            <p>Viele Thiere von dem Ge&#x017F;chlechte der Jn&#x017F;eckten <note xml:id="f69" next="#f70" place="foot" n="a">Horni&#x017F;&#x017F;e ko&#x0364;nnen ohne Kopf<lb/>
leben, <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Purchas</hi> of the hees p.</hi> 186.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Bie-</fw></note>,<lb/>
und auch Vierfu&#x0364;ßige von der Gattung derer, die ein<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M m 5</fw><fw place="bottom" type="catch">kaltes</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[553/0589] VII. Ab. Erſch. d. leb. Geh. Die Empfind. man ihm gleich das Ruͤckenmark durchhaut h. Doch es erfolgt auch an Thieren von warmen Blute oͤfters nicht ſo gleich der Tod h*. Folglich hat es mit dem Ruͤckgrade eben die Beſchaffenheit, als mit dem groſſen und kleinen Gehirne, und es leiden alſo die Lebenskraͤfte eines ſolches Thieres freilich ſehr, wenn dieſer Theil ver- letzt wird, deswegen hoͤren ſie doch aber auf der Stelle nicht gleich auf. Wunden an den Lenden koſten ſo we- nig auf der Stelle das Leben, daß man ſolche vielmehr oͤfters h**, ſo wie die Verrenkungen dieſer Theile h†, heilt. §. 38. Wie man ohne Gehirn leben koͤnne. Es geht an, wenn das Ruͤckenmark gleich zerſtoͤrt worden, daß man noch etwas gutes von den Gehirn- wurzeln des groſſen mitleidenden Nerven, erwarten koͤn- ne, und wenn man das kleine Gehirn beſchaͤdigt hat, ſo kann das groſſe Gehirn, wenn es ganz iſt, einige Le- benskraͤfte mittheilen, und ſo gegentheils, iſt das groſſe Gehirn zerſtoͤrt, ſo laͤßt ſich noch ein Theil des Lebens von dem kleinen Gehirne vermuthen. Es ſcheint ſich dieſes, wie Thiere ohne Gehirn le- ben koͤnnen, man mag nun ſolches mit einmal zerſtoͤren, oder es mag das Gehirn durch ein langſames Uebel ver- zehrt worden ſein, viel ſchwerer erklaͤren zu laſſen. Viele Thiere von dem Geſchlechte der Jnſeckten a, und auch Vierfuͤßige von der Gattung derer, die ein kaltes h Whytt eſſ. of a ſociet. phyſ. and litt. T. II. p. 287. 292. 293. Exp. noſtr. 159. 160. h* Lorry mem. des ſavans etran- gers T. III. p. 364. h** Bauſch prodr. haematol. p. 64. Davon erfolgte ein langſa- mer Tod im achten Monate, Hen- kel II. p. 27. h† Celſus L. VIII. c. 14. Barn- ſtorf de amput. art. Binninger cent. IV. obſ. 29. Oſt laͤßt ſich der geſpaltne Ruͤckgrad, ohne Zufaͤlle, viele Jahre ausſtehen, Detharding operat. temerar. p. 20. a Horniſſe koͤnnen ohne Kopf leben, Purchas of the hees p. 186. Bie- M m 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768/589
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768/589>, abgerufen am 21.12.2024.