Um eine starke Stimme hervorzubringen, dazu gehö- ret eine grosse Gewalt der Luft (k), die man durch die Luftröhrenspalte heraufstossen mus, wie auch ein starkes Zittern der Bänder. Folglich thut hierbei eine weite Lun- ge, die mit vieler Luft angefüllt ist, das ihrige. Es wusten die Alten sehr wohl, daß die Seitentheile des Körpers sehr gros seyn müssen, um eine starke Stimme zu machen, und es merkt Galen mit Scharfsinnigkeit an (l), daß die Anhängsel des Zwerchfells in singenden Thieren grösser sind, und tiefer herabsinken, als in de- nen, die wenig Töne machen. Es läst sich auch nach dem Essen nicht sowol, und mit mehr Beschwerlichkeit, Reden halten (m), weil der angefüllte Unterleib dem nie- dersinkenden Zwerchfelle entgegen steht, und die Brust- höle nicht so gut erweitern läst. Dieienigen, die ihre Brust nicht wohl erweitern können, helfen sich daher im Singen damit, daß sie stark einatmen (n). Daher ist auch in Schwindsüchtigen (o), in denen sich die Lunge verzehrt hat, die Stimme so schwach, daß man sie kaum hören kann. Daher haben auch Vögel, nach dem Ver- hältnisse ihres Körpers, eine starke Stimme, und beson- ders ist diese in der Nachtigall wunderbar stark, weil die Vögel nicht blos in den Fächerchen der Lunge; sondern auch in den Fächern des ganzen Unterleibes voller Luft sind (p).
So scheinet auch dargegen eine weite Luftröhre (q), die viel Luft in sich fassen kann, zu der Stärke der Stim- (p)
me
(k)[Spaltenumbruch]DODART Mem. 1706. S. 74. 1700. S. 266. u. f.
(l)Administr. anat. L. VIII. c. 1.
(m)HALES haemast. S. 88.
(n)BERARD. S. 43.
(o) Vergl. schelh. S. 37.
(p)[Spaltenumbruch]
8 B. 2 A. 5 Nr.
(q)borrich de herm. Aegyp- tior. sapient. S. 250. Acta Haf- niensia. Vol. l. S. 46.
(p)amman. S. 30.
Die Stimme. IX. Buch.
§. 12. Die Staͤrke der Stimme.
Um eine ſtarke Stimme hervorzubringen, dazu gehoͤ- ret eine groſſe Gewalt der Luft (k), die man durch die Luftroͤhrenſpalte heraufſtoſſen mus, wie auch ein ſtarkes Zittern der Baͤnder. Folglich thut hierbei eine weite Lun- ge, die mit vieler Luft angefuͤllt iſt, das ihrige. Es wuſten die Alten ſehr wohl, daß die Seitentheile des Koͤrpers ſehr gros ſeyn muͤſſen, um eine ſtarke Stimme zu machen, und es merkt Galen mit Scharfſinnigkeit an (l), daß die Anhaͤngſel des Zwerchfells in ſingenden Thieren groͤſſer ſind, und tiefer herabſinken, als in de- nen, die wenig Toͤne machen. Es laͤſt ſich auch nach dem Eſſen nicht ſowol, und mit mehr Beſchwerlichkeit, Reden halten (m), weil der angefuͤllte Unterleib dem nie- derſinkenden Zwerchfelle entgegen ſteht, und die Bruſt- hoͤle nicht ſo gut erweitern laͤſt. Dieienigen, die ihre Bruſt nicht wohl erweitern koͤnnen, helfen ſich daher im Singen damit, daß ſie ſtark einatmen (n). Daher iſt auch in Schwindſuͤchtigen (o), in denen ſich die Lunge verzehrt hat, die Stimme ſo ſchwach, daß man ſie kaum hoͤren kann. Daher haben auch Voͤgel, nach dem Ver- haͤltniſſe ihres Koͤrpers, eine ſtarke Stimme, und beſon- ders iſt dieſe in der Nachtigall wunderbar ſtark, weil die Voͤgel nicht blos in den Faͤcherchen der Lunge; ſondern auch in den Faͤchern des ganzen Unterleibes voller Luft ſind (p).
So ſcheinet auch dargegen eine weite Luftroͤhre (q), die viel Luft in ſich faſſen kann, zu der Staͤrke der Stim- (p)
me
(k)[Spaltenumbruch]DODART Mem. 1706. S. 74. 1700. S. 266. u. f.
(l)Adminiſtr. anat. L. VIII. c. 1.
(m)HALES haemaſt. S. 88.
(n)BERARD. S. 43.
(o) Vergl. ſchelh. S. 37.
(p)[Spaltenumbruch]
8 B. 2 A. 5 Nr.
(q)borrich de herm. Aegyp- tior. ſapient. S. 250. Acta Haf- nienſia. Vol. l. S. 46.
(p)amman. S. 30.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0714"n="706[708]"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Die Stimme. <hirendition="#aq">IX.</hi> Buch.</hi></fw><lb/><divn="3"><head>§. 12.<lb/>
Die Staͤrke der Stimme.</head><lb/><p>Um eine ſtarke Stimme hervorzubringen, dazu gehoͤ-<lb/>
ret eine groſſe Gewalt der Luft <noteplace="foot"n="(k)"><cb/><hirendition="#aq"><hirendition="#g">DODART</hi> Mem.</hi> 1706. S.<lb/>
74. 1700. S. 266. u. f.</note>, die man durch die<lb/>
Luftroͤhrenſpalte heraufſtoſſen mus, wie auch ein ſtarkes<lb/>
Zittern der Baͤnder. Folglich thut hierbei eine weite Lun-<lb/>
ge, die mit vieler Luft angefuͤllt iſt, das ihrige. Es<lb/>
wuſten die Alten ſehr wohl, daß die Seitentheile des<lb/>
Koͤrpers ſehr gros ſeyn muͤſſen, um eine ſtarke Stimme<lb/>
zu machen, und es merkt <hirendition="#fr">Galen</hi> mit Scharfſinnigkeit<lb/>
an <noteplace="foot"n="(l)"><hirendition="#aq">Adminiſtr. anat. L. VIII. c.</hi> 1.</note>, daß die Anhaͤngſel des Zwerchfells in ſingenden<lb/>
Thieren groͤſſer ſind, und tiefer herabſinken, als in de-<lb/>
nen, die wenig Toͤne machen. Es laͤſt ſich auch nach<lb/>
dem Eſſen nicht ſowol, und mit mehr Beſchwerlichkeit,<lb/>
Reden halten <noteplace="foot"n="(m)"><hirendition="#aq"><hirendition="#g">HALES</hi> haemaſt.</hi> S. 88.</note>, weil der angefuͤllte Unterleib dem nie-<lb/>
derſinkenden Zwerchfelle entgegen ſteht, und die Bruſt-<lb/>
hoͤle nicht ſo gut erweitern laͤſt. Dieienigen, die ihre<lb/>
Bruſt nicht wohl erweitern koͤnnen, helfen ſich daher im<lb/>
Singen damit, daß ſie ſtark einatmen <noteplace="foot"n="(n)"><hirendition="#aq"><hirendition="#g">BERARD.</hi></hi> S. 43.</note>. Daher iſt<lb/>
auch in Schwindſuͤchtigen <noteplace="foot"n="(o)">Vergl. <hirendition="#aq"><hirendition="#g"><hirendition="#k">ſchelh.</hi></hi></hi> S. 37.</note>, in denen ſich die Lunge<lb/>
verzehrt hat, die Stimme ſo ſchwach, daß man ſie kaum<lb/>
hoͤren kann. Daher haben auch Voͤgel, nach dem Ver-<lb/>
haͤltniſſe ihres Koͤrpers, eine ſtarke Stimme, und beſon-<lb/>
ders iſt dieſe in der Nachtigall wunderbar ſtark, weil die<lb/>
Voͤgel nicht blos in den Faͤcherchen der Lunge; ſondern<lb/>
auch in den Faͤchern des ganzen Unterleibes voller Luft<lb/>ſind <noteplace="foot"n="(p)"><cb/>
8 B. 2 A. 5 Nr.</note>.</p><lb/><p>So ſcheinet auch dargegen eine weite Luftroͤhre <noteplace="foot"n="(q)"><hirendition="#aq"><hirendition="#g"><hirendition="#k">borrich</hi></hi> de herm. Aegyp-<lb/>
tior. ſapient.</hi> S. 250. <hirendition="#aq">Acta Haf-<lb/>
nienſia. Vol. l.</hi> S. 46.</note>,<lb/>
die viel Luft in ſich faſſen kann, zu der Staͤrke der Stim-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">me</fw><lb/><noteplace="foot"n="(p)"><hirendition="#aq"><hirendition="#g"><hirendition="#k">amman.</hi></hi></hi> S. 30.</note><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[706[708]/0714]
Die Stimme. IX. Buch.
§. 12.
Die Staͤrke der Stimme.
Um eine ſtarke Stimme hervorzubringen, dazu gehoͤ-
ret eine groſſe Gewalt der Luft (k), die man durch die
Luftroͤhrenſpalte heraufſtoſſen mus, wie auch ein ſtarkes
Zittern der Baͤnder. Folglich thut hierbei eine weite Lun-
ge, die mit vieler Luft angefuͤllt iſt, das ihrige. Es
wuſten die Alten ſehr wohl, daß die Seitentheile des
Koͤrpers ſehr gros ſeyn muͤſſen, um eine ſtarke Stimme
zu machen, und es merkt Galen mit Scharfſinnigkeit
an (l), daß die Anhaͤngſel des Zwerchfells in ſingenden
Thieren groͤſſer ſind, und tiefer herabſinken, als in de-
nen, die wenig Toͤne machen. Es laͤſt ſich auch nach
dem Eſſen nicht ſowol, und mit mehr Beſchwerlichkeit,
Reden halten (m), weil der angefuͤllte Unterleib dem nie-
derſinkenden Zwerchfelle entgegen ſteht, und die Bruſt-
hoͤle nicht ſo gut erweitern laͤſt. Dieienigen, die ihre
Bruſt nicht wohl erweitern koͤnnen, helfen ſich daher im
Singen damit, daß ſie ſtark einatmen (n). Daher iſt
auch in Schwindſuͤchtigen (o), in denen ſich die Lunge
verzehrt hat, die Stimme ſo ſchwach, daß man ſie kaum
hoͤren kann. Daher haben auch Voͤgel, nach dem Ver-
haͤltniſſe ihres Koͤrpers, eine ſtarke Stimme, und beſon-
ders iſt dieſe in der Nachtigall wunderbar ſtark, weil die
Voͤgel nicht blos in den Faͤcherchen der Lunge; ſondern
auch in den Faͤchern des ganzen Unterleibes voller Luft
ſind (p).
So ſcheinet auch dargegen eine weite Luftroͤhre (q),
die viel Luft in ſich faſſen kann, zu der Staͤrke der Stim-
me
(p)
(k)
DODART Mem. 1706. S.
74. 1700. S. 266. u. f.
(l) Adminiſtr. anat. L. VIII. c. 1.
(m) HALES haemaſt. S. 88.
(n) BERARD. S. 43.
(o) Vergl. ſchelh. S. 37.
(p)
8 B. 2 A. 5 Nr.
(q) borrich de herm. Aegyp-
tior. ſapient. S. 250. Acta Haf-
nienſia. Vol. l. S. 46.
(p) amman. S. 30.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 706[708]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/714>, abgerufen am 30.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.