seiner Rechnung folge, daß es in der That noch andere Muskeln gebe, die das Herz noch an Stärke überträfen. Also hebe ein Adler, dessen ganzes Gewicht dreißig Pfun- de sey, innerhalb einer Stunde 648. 000. Pfunde em- por, und es pflegten am Menschen die Muskeln, welche im Gehen sich anstrengen, den ganzen Körper, der 160 Pfunden gleich sey, innerhalb einer Stunde bis auf 4000 Fuß weit empor zu halten, welche Kraft zweihundert mal mehr grösser sey, als das Vermögen des Herzens.
Dieses alles aber ist offenbar zu groß angenommen. Jch würde den für einen sehr hurtigen Läufer halten, der einen viertausend Fuß hohen Berg, nicht in einer Stun- de, sondern in einem Tage ersteigen wollte, da ich selbst auf meinen vielen Reisen erfahren habe, daß es schon vie- le Mühe koste, wenn man auf eine Höhe von 3000 Fuß in einem Tage gelangen will. Hiernächst kann auch kei- ner von denen Muskeln, die den menschlichen Körper fort- bewegen, vier ganzer Stunden hinter einander beständig sein Geschäfte treiben, ohne die äusserste Entkräftung und fast unleidliche Schmerzen zu erdulten. Jch entsinne mich noch ganz wohl, daß ich diese Beschwerlichkeit gar zu gut empfunden, da ich nicht einmal tausend Fuß aus den Gruben zu Clausthale, und den Rammelsbergischen Schachten, auf denen Fahrten herausgestiegen. Sonst übersteigt auch der Stral von zwo Unzen Blut, der aus der linken Herzkammer senkrecht acht Fuß weit heraus- springt, allerdings die Rechnung, welche dieser berühmte Mann gemacht hat.
§. 52. Senacs Erinnerungen.
Endlich fand ohnlängst der vortrefliche Schriftstel- ler, der das Herz beschrieben, J. Baptista Senac, vieles an diesen Lehrgebäuden wieder zu zerstöhren, ob er gleich
selbst
J i i 5
Die Bewegung des Herzens.
ſeiner Rechnung folge, daß es in der That noch andere Muskeln gebe, die das Herz noch an Staͤrke uͤbertraͤfen. Alſo hebe ein Adler, deſſen ganzes Gewicht dreißig Pfun- de ſey, innerhalb einer Stunde 648. 000. Pfunde em- por, und es pflegten am Menſchen die Muskeln, welche im Gehen ſich anſtrengen, den ganzen Koͤrper, der 160 Pfunden gleich ſey, innerhalb einer Stunde bis auf 4000 Fuß weit empor zu halten, welche Kraft zweihundert mal mehr groͤſſer ſey, als das Vermoͤgen des Herzens.
Dieſes alles aber iſt offenbar zu groß angenommen. Jch wuͤrde den fuͤr einen ſehr hurtigen Laͤufer halten, der einen viertauſend Fuß hohen Berg, nicht in einer Stun- de, ſondern in einem Tage erſteigen wollte, da ich ſelbſt auf meinen vielen Reiſen erfahren habe, daß es ſchon vie- le Muͤhe koſte, wenn man auf eine Hoͤhe von 3000 Fuß in einem Tage gelangen will. Hiernaͤchſt kann auch kei- ner von denen Muskeln, die den menſchlichen Koͤrper fort- bewegen, vier ganzer Stunden hinter einander beſtaͤndig ſein Geſchaͤfte treiben, ohne die aͤuſſerſte Entkraͤftung und faſt unleidliche Schmerzen zu erdulten. Jch entſinne mich noch ganz wohl, daß ich dieſe Beſchwerlichkeit gar zu gut empfunden, da ich nicht einmal tauſend Fuß aus den Gruben zu Clausthale, und den Rammelsbergiſchen Schachten, auf denen Fahrten herausgeſtiegen. Sonſt uͤberſteigt auch der Stral von zwo Unzen Blut, der aus der linken Herzkammer ſenkrecht acht Fuß weit heraus- ſpringt, allerdings die Rechnung, welche dieſer beruͤhmte Mann gemacht hat.
§. 52. Senacs Erinnerungen.
Endlich fand ohnlaͤngſt der vortrefliche Schriftſtel- ler, der das Herz beſchrieben, J. Baptiſta Senac, vieles an dieſen Lehrgebaͤuden wieder zu zerſtoͤhren, ob er gleich
ſelbſt
J i i 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0929"n="873"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Die Bewegung des Herzens.</hi></fw><lb/>ſeiner Rechnung folge, daß es in der That noch andere<lb/>
Muskeln gebe, die das Herz noch an Staͤrke uͤbertraͤfen.<lb/>
Alſo hebe ein Adler, deſſen ganzes Gewicht dreißig Pfun-<lb/>
de ſey, innerhalb einer Stunde 648. 000. Pfunde em-<lb/>
por, und es pflegten am Menſchen die Muskeln, welche<lb/>
im Gehen ſich anſtrengen, den ganzen Koͤrper, der 160<lb/>
Pfunden gleich ſey, innerhalb einer Stunde bis auf 4000<lb/>
Fuß weit empor zu halten, welche Kraft zweihundert mal<lb/>
mehr groͤſſer ſey, als das Vermoͤgen des Herzens.</p><lb/><p>Dieſes alles aber iſt offenbar zu groß angenommen.<lb/>
Jch wuͤrde den fuͤr einen ſehr hurtigen Laͤufer halten, der<lb/>
einen viertauſend Fuß hohen Berg, nicht in einer Stun-<lb/>
de, ſondern in einem Tage erſteigen wollte, da ich ſelbſt<lb/>
auf meinen vielen Reiſen erfahren habe, daß es ſchon vie-<lb/>
le Muͤhe koſte, wenn man auf eine Hoͤhe von 3000 Fuß<lb/>
in einem Tage gelangen will. Hiernaͤchſt kann auch kei-<lb/>
ner von denen Muskeln, die den menſchlichen Koͤrper fort-<lb/>
bewegen, vier ganzer Stunden hinter einander beſtaͤndig<lb/>ſein Geſchaͤfte treiben, ohne die aͤuſſerſte Entkraͤftung und<lb/>
faſt unleidliche Schmerzen zu erdulten. Jch entſinne<lb/>
mich noch ganz wohl, daß ich dieſe Beſchwerlichkeit gar<lb/>
zu gut empfunden, da ich nicht einmal tauſend Fuß aus<lb/>
den Gruben zu Clausthale, und den Rammelsbergiſchen<lb/>
Schachten, auf denen Fahrten herausgeſtiegen. Sonſt<lb/>
uͤberſteigt auch der Stral von zwo Unzen Blut, der aus<lb/>
der linken Herzkammer ſenkrecht acht Fuß weit heraus-<lb/>ſpringt, allerdings die Rechnung, welche dieſer beruͤhmte<lb/>
Mann gemacht hat.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 52.<lb/>
Senacs Erinnerungen.</head><lb/><p>Endlich fand ohnlaͤngſt der vortrefliche Schriftſtel-<lb/>
ler, der das Herz beſchrieben, J. Baptiſta <hirendition="#fr">Senac,</hi> vieles<lb/>
an dieſen Lehrgebaͤuden wieder zu zerſtoͤhren, ob er gleich<lb/><fwplace="bottom"type="sig">J i i 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">ſelbſt</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[873/0929]
Die Bewegung des Herzens.
ſeiner Rechnung folge, daß es in der That noch andere
Muskeln gebe, die das Herz noch an Staͤrke uͤbertraͤfen.
Alſo hebe ein Adler, deſſen ganzes Gewicht dreißig Pfun-
de ſey, innerhalb einer Stunde 648. 000. Pfunde em-
por, und es pflegten am Menſchen die Muskeln, welche
im Gehen ſich anſtrengen, den ganzen Koͤrper, der 160
Pfunden gleich ſey, innerhalb einer Stunde bis auf 4000
Fuß weit empor zu halten, welche Kraft zweihundert mal
mehr groͤſſer ſey, als das Vermoͤgen des Herzens.
Dieſes alles aber iſt offenbar zu groß angenommen.
Jch wuͤrde den fuͤr einen ſehr hurtigen Laͤufer halten, der
einen viertauſend Fuß hohen Berg, nicht in einer Stun-
de, ſondern in einem Tage erſteigen wollte, da ich ſelbſt
auf meinen vielen Reiſen erfahren habe, daß es ſchon vie-
le Muͤhe koſte, wenn man auf eine Hoͤhe von 3000 Fuß
in einem Tage gelangen will. Hiernaͤchſt kann auch kei-
ner von denen Muskeln, die den menſchlichen Koͤrper fort-
bewegen, vier ganzer Stunden hinter einander beſtaͤndig
ſein Geſchaͤfte treiben, ohne die aͤuſſerſte Entkraͤftung und
faſt unleidliche Schmerzen zu erdulten. Jch entſinne
mich noch ganz wohl, daß ich dieſe Beſchwerlichkeit gar
zu gut empfunden, da ich nicht einmal tauſend Fuß aus
den Gruben zu Clausthale, und den Rammelsbergiſchen
Schachten, auf denen Fahrten herausgeſtiegen. Sonſt
uͤberſteigt auch der Stral von zwo Unzen Blut, der aus
der linken Herzkammer ſenkrecht acht Fuß weit heraus-
ſpringt, allerdings die Rechnung, welche dieſer beruͤhmte
Mann gemacht hat.
§. 52.
Senacs Erinnerungen.
Endlich fand ohnlaͤngſt der vortrefliche Schriftſtel-
ler, der das Herz beſchrieben, J. Baptiſta Senac, vieles
an dieſen Lehrgebaͤuden wieder zu zerſtoͤhren, ob er gleich
ſelbſt
J i i 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 873. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/929>, abgerufen am 30.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.