§. 11. Wie das Blut durch die Unterbindungen zurükgehalten werde.
Denen Alten war auch noch ein anderer etwas fei- nerer Versuch bekannt, der indessen zu eben der Art ge- hörte. Erasistratus pflegte nämlich in dem Blut- speien so viel Blut, als zur Erhaltung des Lebens erfor- derlich war, dadurch in dem Körper zurükzuhalten, daß er an den äussern Gliedmassen Binden anlegte. Askle- piades läugnete zwar, daß dieses einigen Nuzzen haben könnte, es hat aber Celsus(u) seine Einwendungen hin- länglich beantwortet. Man siehet auch aus der Beob- achtung des Hildanus(x), daß dieser Vorschlag des Erasistratus in der Erfahrung gegründet gewesen; denn man hat das Blut bei einem sehr gefährlichen Na- senbluten glüklich vermittelst der Bindung der Gliedmas- sen gehemt, und es ist dieser Vorschlag ohnlängst auch von einem vortreflichen Leibarzte (y) gebilliget worden. Nun kann ein jeder, der dieses vernünftig überleget, oh- ne grosse Schwierigkeit sogleich erkennen, daß, wofern das Blut durch die Blutadern vom Herzen herkäme, eine um die Gliedmassen angelegte Schnur eben das thun müsse, was sie, wie wir vorher gezeiget, an den Schlag- adern beweiset (z); es würde nämlich das Blut zwischen dem Herzen und dem Bande mit grösserer Gewalt her- vorbrechen, und überhaupt würde die gar zu grosse Leich- tigkeit, mit welcher sich das Blut aus einem verlezten und also nicht widerstehenden Gefässe ergiesset, einen neuen Zuwachs bei der Gelegenheit bekommen, wenn das Blut in einem andren Aderstamme von der angeleg- ten Schnur zurükgetrieben wird, so wie die Thiere viel
geschwin-
(u)[Spaltenumbruch]L. IV. c. 4.
(x)Obs. 16. Cent. II.
(y)[Spaltenumbruch]
G. v. SwietenComment. T. I. S. 382.
(z)L. III. Sect. I. n. 4.
Der Blutlauf in den Blutadern.
§. 11. Wie das Blut durch die Unterbindungen zuruͤkgehalten werde.
Denen Alten war auch noch ein anderer etwas fei- nerer Verſuch bekannt, der indeſſen zu eben der Art ge- hoͤrte. Eraſiſtratus pflegte naͤmlich in dem Blut- ſpeien ſo viel Blut, als zur Erhaltung des Lebens erfor- derlich war, dadurch in dem Koͤrper zuruͤkzuhalten, daß er an den aͤuſſern Gliedmaſſen Binden anlegte. Aſkle- piades laͤugnete zwar, daß dieſes einigen Nuzzen haben koͤnnte, es hat aber Celſus(u) ſeine Einwendungen hin- laͤnglich beantwortet. Man ſiehet auch aus der Beob- achtung des Hildanus(x), daß dieſer Vorſchlag des Eraſiſtratus in der Erfahrung gegruͤndet geweſen; denn man hat das Blut bei einem ſehr gefaͤhrlichen Na- ſenbluten gluͤklich vermittelſt der Bindung der Gliedmaſ- ſen gehemt, und es iſt dieſer Vorſchlag ohnlaͤngſt auch von einem vortreflichen Leibarzte (y) gebilliget worden. Nun kann ein jeder, der dieſes vernuͤnftig uͤberleget, oh- ne groſſe Schwierigkeit ſogleich erkennen, daß, wofern das Blut durch die Blutadern vom Herzen herkaͤme, eine um die Gliedmaſſen angelegte Schnur eben das thun muͤſſe, was ſie, wie wir vorher gezeiget, an den Schlag- adern beweiſet (z); es wuͤrde naͤmlich das Blut zwiſchen dem Herzen und dem Bande mit groͤſſerer Gewalt her- vorbrechen, und uͤberhaupt wuͤrde die gar zu groſſe Leich- tigkeit, mit welcher ſich das Blut aus einem verlezten und alſo nicht widerſtehenden Gefaͤſſe ergieſſet, einen neuen Zuwachs bei der Gelegenheit bekommen, wenn das Blut in einem andren Aderſtamme von der angeleg- ten Schnur zuruͤkgetrieben wird, ſo wie die Thiere viel
geſchwin-
(u)[Spaltenumbruch]L. IV. c. 4.
(x)Obſ. 16. Cent. II.
(y)[Spaltenumbruch]
G. v. SwietenComment. T. I. S. 382.
(z)L. III. Sect. I. n. 4.
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Der Blutlauf in den Blutadern.
§. 11.
Wie das Blut durch die Unterbindungen
zuruͤkgehalten werde.
Denen Alten war auch noch ein anderer etwas fei-
nerer Verſuch bekannt, der indeſſen zu eben der Art ge-
hoͤrte. Eraſiſtratus pflegte naͤmlich in dem Blut-
ſpeien ſo viel Blut, als zur Erhaltung des Lebens erfor-
derlich war, dadurch in dem Koͤrper zuruͤkzuhalten, daß
er an den aͤuſſern Gliedmaſſen Binden anlegte. Aſkle-
piades laͤugnete zwar, daß dieſes einigen Nuzzen haben
koͤnnte, es hat aber Celſus (u) ſeine Einwendungen hin-
laͤnglich beantwortet. Man ſiehet auch aus der Beob-
achtung des Hildanus (x), daß dieſer Vorſchlag des
Eraſiſtratus in der Erfahrung gegruͤndet geweſen;
denn man hat das Blut bei einem ſehr gefaͤhrlichen Na-
ſenbluten gluͤklich vermittelſt der Bindung der Gliedmaſ-
ſen gehemt, und es iſt dieſer Vorſchlag ohnlaͤngſt auch
von einem vortreflichen Leibarzte (y) gebilliget worden.
Nun kann ein jeder, der dieſes vernuͤnftig uͤberleget, oh-
ne groſſe Schwierigkeit ſogleich erkennen, daß, wofern
das Blut durch die Blutadern vom Herzen herkaͤme, eine
um die Gliedmaſſen angelegte Schnur eben das thun
muͤſſe, was ſie, wie wir vorher gezeiget, an den Schlag-
adern beweiſet (z); es wuͤrde naͤmlich das Blut zwiſchen
dem Herzen und dem Bande mit groͤſſerer Gewalt her-
vorbrechen, und uͤberhaupt wuͤrde die gar zu groſſe Leich-
tigkeit, mit welcher ſich das Blut aus einem verlezten
und alſo nicht widerſtehenden Gefaͤſſe ergieſſet, einen
neuen Zuwachs bei der Gelegenheit bekommen, wenn
das Blut in einem andren Aderſtamme von der angeleg-
ten Schnur zuruͤkgetrieben wird, ſo wie die Thiere viel
geſchwin-
(u)
L. IV. c. 4.
(x) Obſ. 16. Cent. II.
(y)
G. v. Swieten Comment.
T. I. S. 382.
(z) L. III. Sect. I. n. 4.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/455>, abgerufen am 20.11.2024.
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