Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

Drittes Buch. Der Umlauf des Blutes.
terschiede, daß sich in den Schlagadern die Luft (der Le-
bensgeist), in den Blutadern aber das nährende Blut,
bis zu den äussersten Grenzen aller Gefässe und durch den
ganzen Thierkörper bewegen muste. Durch dieses merk-
würdige Beispiel eines durchgängig von allen Aerzten
angenommenen Jrrthums erhalten wir die gute Erinne-
rung, eine Sache nicht aus der Ursache vor wahr zu hal-
ten, weil man sie als wahr angenommen hat, sondern
daß wir uns um solche Versuche bewerben müssen, die
unsere Meinungen bestätigen und glaubwürdig machen
können.

§. 2.
Dieses wird durch die Klappen
bewiesen.

Man mus demnach zeigen, daß das Blut allerdings
in den Blutadern einen ganz andern Weg nimmt, und
durch diese Art von Gefässen, aus den kleinsten Kanäl-
chen und dem ganzen Umfange des Körpers, wieder
nach dem Herzen zurükkehre. Diese Wahrheit hätte be-
reits vorlängst, und schon zu den Zeiten des Hieron. Fa-
bricius,
da sie von so grosser Wichtigkeit ist, durch die
blosse Klappen in den Blutadern ausser allen Zweifel kön-
nen gesezzet werden, und es ist dieses ein deutliches Beispiel
von der grossen Macht der einmal gefasseten Vorurtheile,
daß dieser Mann gedachte Klappen unter dem am Arm an-
gelegten Bande als aufgeschwollen habe abzeichnen kön-
nen (i), ohne sich darauf zu besinnen, wie es unmöglich
sey, daß sie aufschwellen könnten, wofern das Blut
durch dieselbe vom Herzen herkäme: denn es hätte die
Schnur, nach seiner Hipothese, das Blut nothwendig
von der Hand zurükweisen sollen. Er hatte einen Ver-
such angestellet, und an dem Arme eines lebendigen Men-

schen
(i) De venar. ostiolis, Tom. II. f. 1

Drittes Buch. Der Umlauf des Blutes.
terſchiede, daß ſich in den Schlagadern die Luft (der Le-
bensgeiſt), in den Blutadern aber das naͤhrende Blut,
bis zu den aͤuſſerſten Grenzen aller Gefaͤſſe und durch den
ganzen Thierkoͤrper bewegen muſte. Durch dieſes merk-
wuͤrdige Beiſpiel eines durchgaͤngig von allen Aerzten
angenommenen Jrrthums erhalten wir die gute Erinne-
rung, eine Sache nicht aus der Urſache vor wahr zu hal-
ten, weil man ſie als wahr angenommen hat, ſondern
daß wir uns um ſolche Verſuche bewerben muͤſſen, die
unſere Meinungen beſtaͤtigen und glaubwuͤrdig machen
koͤnnen.

§. 2.
Dieſes wird durch die Klappen
bewieſen.

Man mus demnach zeigen, daß das Blut allerdings
in den Blutadern einen ganz andern Weg nimmt, und
durch dieſe Art von Gefaͤſſen, aus den kleinſten Kanaͤl-
chen und dem ganzen Umfange des Koͤrpers, wieder
nach dem Herzen zuruͤkkehre. Dieſe Wahrheit haͤtte be-
reits vorlaͤngſt, und ſchon zu den Zeiten des Hieron. Fa-
bricius,
da ſie von ſo groſſer Wichtigkeit iſt, durch die
bloſſe Klappen in den Blutadern auſſer allen Zweifel koͤn-
nen geſezzet werden, und es iſt dieſes ein deutliches Beiſpiel
von der groſſen Macht der einmal gefaſſeten Vorurtheile,
daß dieſer Mann gedachte Klappen unter dem am Arm an-
gelegten Bande als aufgeſchwollen habe abzeichnen koͤn-
nen (i), ohne ſich darauf zu beſinnen, wie es unmoͤglich
ſey, daß ſie aufſchwellen koͤnnten, wofern das Blut
durch dieſelbe vom Herzen herkaͤme: denn es haͤtte die
Schnur, nach ſeiner Hipotheſe, das Blut nothwendig
von der Hand zuruͤkweiſen ſollen. Er hatte einen Ver-
ſuch angeſtellet, und an dem Arme eines lebendigen Men-

ſchen
(i) De venar. oſtiolis, Tom. II. f. 1
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0440" n="384"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Drittes Buch. Der Umlauf des Blutes.</hi></fw><lb/>
ter&#x017F;chiede, daß &#x017F;ich in den Schlagadern die Luft (der Le-<lb/>
bensgei&#x017F;t), in den Blutadern aber das na&#x0364;hrende Blut,<lb/>
bis zu den a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ten Grenzen aller Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e und durch den<lb/>
ganzen Thierko&#x0364;rper bewegen mu&#x017F;te. Durch die&#x017F;es merk-<lb/>
wu&#x0364;rdige Bei&#x017F;piel eines durchga&#x0364;ngig von allen Aerzten<lb/>
angenommenen Jrrthums erhalten wir die gute Erinne-<lb/>
rung, eine Sache nicht aus der Ur&#x017F;ache vor wahr zu hal-<lb/>
ten, weil man &#x017F;ie als wahr angenommen hat, &#x017F;ondern<lb/>
daß wir uns um &#x017F;olche Ver&#x017F;uche bewerben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, die<lb/>
un&#x017F;ere Meinungen be&#x017F;ta&#x0364;tigen und glaubwu&#x0364;rdig machen<lb/>
ko&#x0364;nnen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 2.<lb/>
Die&#x017F;es wird durch die Klappen<lb/>
bewie&#x017F;en.</head><lb/>
            <p>Man mus demnach zeigen, daß das Blut allerdings<lb/>
in den Blutadern einen ganz andern Weg nimmt, und<lb/>
durch die&#x017F;e Art von Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, aus den klein&#x017F;ten Kana&#x0364;l-<lb/>
chen und dem ganzen Umfange des Ko&#x0364;rpers, wieder<lb/>
nach dem Herzen zuru&#x0364;kkehre. Die&#x017F;e Wahrheit ha&#x0364;tte be-<lb/>
reits vorla&#x0364;ng&#x017F;t, und &#x017F;chon zu den Zeiten des Hieron. <hi rendition="#fr">Fa-<lb/>
bricius,</hi> da &#x017F;ie von &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;er Wichtigkeit i&#x017F;t, durch die<lb/>
blo&#x017F;&#x017F;e Klappen in den Blutadern au&#x017F;&#x017F;er allen Zweifel ko&#x0364;n-<lb/>
nen ge&#x017F;ezzet werden, und es i&#x017F;t die&#x017F;es ein deutliches Bei&#x017F;piel<lb/>
von der gro&#x017F;&#x017F;en Macht der einmal gefa&#x017F;&#x017F;eten Vorurtheile,<lb/>
daß die&#x017F;er Mann gedachte Klappen unter dem am Arm an-<lb/>
gelegten Bande als aufge&#x017F;chwollen habe abzeichnen ko&#x0364;n-<lb/>
nen <note place="foot" n="(i)"><hi rendition="#aq">De venar. o&#x017F;tiolis, Tom. II. f. 1</hi></note>, ohne &#x017F;ich darauf zu be&#x017F;innen, wie es unmo&#x0364;glich<lb/>
&#x017F;ey, daß &#x017F;ie auf&#x017F;chwellen ko&#x0364;nnten, wofern das Blut<lb/>
durch die&#x017F;elbe vom Herzen herka&#x0364;me: denn es ha&#x0364;tte die<lb/>
Schnur, nach &#x017F;einer Hipothe&#x017F;e, das Blut nothwendig<lb/>
von der Hand zuru&#x0364;kwei&#x017F;en &#x017F;ollen. Er hatte einen Ver-<lb/>
&#x017F;uch ange&#x017F;tellet, und an dem Arme eines lebendigen Men-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chen</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[384/0440] Drittes Buch. Der Umlauf des Blutes. terſchiede, daß ſich in den Schlagadern die Luft (der Le- bensgeiſt), in den Blutadern aber das naͤhrende Blut, bis zu den aͤuſſerſten Grenzen aller Gefaͤſſe und durch den ganzen Thierkoͤrper bewegen muſte. Durch dieſes merk- wuͤrdige Beiſpiel eines durchgaͤngig von allen Aerzten angenommenen Jrrthums erhalten wir die gute Erinne- rung, eine Sache nicht aus der Urſache vor wahr zu hal- ten, weil man ſie als wahr angenommen hat, ſondern daß wir uns um ſolche Verſuche bewerben muͤſſen, die unſere Meinungen beſtaͤtigen und glaubwuͤrdig machen koͤnnen. §. 2. Dieſes wird durch die Klappen bewieſen. Man mus demnach zeigen, daß das Blut allerdings in den Blutadern einen ganz andern Weg nimmt, und durch dieſe Art von Gefaͤſſen, aus den kleinſten Kanaͤl- chen und dem ganzen Umfange des Koͤrpers, wieder nach dem Herzen zuruͤkkehre. Dieſe Wahrheit haͤtte be- reits vorlaͤngſt, und ſchon zu den Zeiten des Hieron. Fa- bricius, da ſie von ſo groſſer Wichtigkeit iſt, durch die bloſſe Klappen in den Blutadern auſſer allen Zweifel koͤn- nen geſezzet werden, und es iſt dieſes ein deutliches Beiſpiel von der groſſen Macht der einmal gefaſſeten Vorurtheile, daß dieſer Mann gedachte Klappen unter dem am Arm an- gelegten Bande als aufgeſchwollen habe abzeichnen koͤn- nen (i), ohne ſich darauf zu beſinnen, wie es unmoͤglich ſey, daß ſie aufſchwellen koͤnnten, wofern das Blut durch dieſelbe vom Herzen herkaͤme: denn es haͤtte die Schnur, nach ſeiner Hipotheſe, das Blut nothwendig von der Hand zuruͤkweiſen ſollen. Er hatte einen Ver- ſuch angeſtellet, und an dem Arme eines lebendigen Men- ſchen (i) De venar. oſtiolis, Tom. II. f. 1

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/440
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/440>, abgerufen am 20.11.2024.