Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hagenauer, Arnold: Muspilli. Linz u. a., 1900.

Bild:
<< vorherige Seite

er ohnehin kannte, heute noch qualvoller sei, denn je. Er fuhr leise über meine feuchten, wirr die Stirne umringelnden Locken. Dann sprach er von sich selber. Es war das erstemal, daß er mir, und ich wußte es ohne seine flüchtig hingeworfenen Bemerkungen, mir allein sein Innerstes erschloß. Den höchsten Triumph meiner Freundschaft, die Macht über ihn, denn sein Leid suchte Schutz und Ruhe bei mir, hatte ich errungen. Ich wußte wohl, daß Ernstens Familienverhältnisse sich in letzterer Zeit gewaltig verändert hatten. Das stolze, alte Kaufmannshaus war in seinen Grundfesten erschüttert. Gewagte, unsichere Speculationen hatten das große Vermögen, über welches Ernstens Vater verfügt hatte, verschlungen. Und jetzt ward der tadellose Credit dieser für prima geltenden Firma in Anspruch genommen. Die Wechsel häuften sich, die Quellen, aus denen der unglückliche Bankerottier schöpfte, begannen zu versiegen. Man wurde mißtrauisch, und endlich war der Ruin ein offenes Geheimnis. Auch hier rollte der Block unheimlich rasch dem Abgrunde zu.

17.

Knut: "Mein Lieber, eigentlich ist die Sache, die Du mir da erzählst, nichts Neues - auch für

er ohnehin kannte, heute noch qualvoller sei, denn je. Er fuhr leise über meine feuchten, wirr die Stirne umringelnden Locken. Dann sprach er von sich selber. Es war das erstemal, daß er mir, und ich wußte es ohne seine flüchtig hingeworfenen Bemerkungen, mir allein sein Innerstes erschloß. Den höchsten Triumph meiner Freundschaft, die Macht über ihn, denn sein Leid suchte Schutz und Ruhe bei mir, hatte ich errungen. Ich wußte wohl, daß Ernstens Familienverhältnisse sich in letzterer Zeit gewaltig verändert hatten. Das stolze, alte Kaufmannshaus war in seinen Grundfesten erschüttert. Gewagte, unsichere Speculationen hatten das große Vermögen, über welches Ernstens Vater verfügt hatte, verschlungen. Und jetzt ward der tadellose Credit dieser für prima geltenden Firma in Anspruch genommen. Die Wechsel häuften sich, die Quellen, aus denen der unglückliche Bankerottier schöpfte, begannen zu versiegen. Man wurde mißtrauisch, und endlich war der Ruin ein offenes Geheimnis. Auch hier rollte der Block unheimlich rasch dem Abgrunde zu.

17.

Knut: „Mein Lieber, eigentlich ist die Sache, die Du mir da erzählst, nichts Neues – auch für

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0059" n="61"/>
er ohnehin kannte, heute noch qualvoller sei, denn je. Er fuhr leise über meine feuchten, wirr die Stirne umringelnden Locken. Dann sprach er von sich selber. Es war das erstemal, daß er mir, und ich wußte es ohne seine flüchtig hingeworfenen Bemerkungen, mir allein sein Innerstes erschloß. Den höchsten Triumph meiner Freundschaft, die Macht über ihn, denn sein Leid suchte Schutz und Ruhe bei mir, hatte ich errungen. Ich wußte wohl, daß Ernstens Familienverhältnisse sich in letzterer Zeit gewaltig verändert hatten. Das stolze, alte Kaufmannshaus war in seinen Grundfesten erschüttert. Gewagte, unsichere Speculationen hatten das große Vermögen, über welches Ernstens Vater verfügt hatte, verschlungen. Und jetzt ward der tadellose Credit dieser für prima geltenden Firma in Anspruch genommen. Die Wechsel häuften sich, die Quellen, aus denen der unglückliche Bankerottier schöpfte, begannen zu versiegen. Man wurde mißtrauisch, und endlich war der Ruin ein offenes Geheimnis. Auch hier rollte der Block unheimlich rasch dem Abgrunde zu.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head>17.</head><lb/>
          <p>Knut: &#x201E;Mein Lieber, eigentlich ist die Sache, die Du mir da erzählst, nichts Neues &#x2013; auch für
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0059] er ohnehin kannte, heute noch qualvoller sei, denn je. Er fuhr leise über meine feuchten, wirr die Stirne umringelnden Locken. Dann sprach er von sich selber. Es war das erstemal, daß er mir, und ich wußte es ohne seine flüchtig hingeworfenen Bemerkungen, mir allein sein Innerstes erschloß. Den höchsten Triumph meiner Freundschaft, die Macht über ihn, denn sein Leid suchte Schutz und Ruhe bei mir, hatte ich errungen. Ich wußte wohl, daß Ernstens Familienverhältnisse sich in letzterer Zeit gewaltig verändert hatten. Das stolze, alte Kaufmannshaus war in seinen Grundfesten erschüttert. Gewagte, unsichere Speculationen hatten das große Vermögen, über welches Ernstens Vater verfügt hatte, verschlungen. Und jetzt ward der tadellose Credit dieser für prima geltenden Firma in Anspruch genommen. Die Wechsel häuften sich, die Quellen, aus denen der unglückliche Bankerottier schöpfte, begannen zu versiegen. Man wurde mißtrauisch, und endlich war der Ruin ein offenes Geheimnis. Auch hier rollte der Block unheimlich rasch dem Abgrunde zu. 17. Knut: „Mein Lieber, eigentlich ist die Sache, die Du mir da erzählst, nichts Neues – auch für

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hagenauer_muspilli_1900
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hagenauer_muspilli_1900/59
Zitationshilfe: Hagenauer, Arnold: Muspilli. Linz u. a., 1900, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hagenauer_muspilli_1900/59>, abgerufen am 22.12.2024.