Hagenauer, Arnold: Muspilli. Linz u. a., 1900.Der Weihnachtsabend verlief für mich trostlos. Ich war in schmerzvollster Stimmung, Ernst von einer eigenthümlichen, fast ironisch-verletzenden Lustigkeit, hinter welcher sich eine tiefe Verstimmung barg. Vor zehn Uhr war ich schon wieder zu Hause und lag im Bette. Von der nahen Martinskirche hörte ich noch die zwölfte Stunde schlagen. Endlich schlief ich ein, dumpf, bleiern, ohne Ruhe, ohne Erquickung zu finden. 14. Am letzten Tage im Jahre fieng es gegen Abend leise zu schneien an. Feine, ganz feine aber feste Schneeflocken fielen lautlos zur Erde, erst nur ganz vereinzelt, dann aber immer dichter und dichter. Ein leichter, aber scharfer Wind blies ihnen dabei zum Tanze auf. In den langen Straßen, die zur Zeit der Abenddämmerung von einem dichten Menschenschwarm erfüllt waren, flammten jetzt die Lichter auf, unzählige Lichter, die einen auf hohen, grün angestrichenen Eisenstangen - ich glaube, so etwas nennt man Laterne - die andern unstet dahinrollend in buntem Farbenwechsel - roth, gelb, grün, blau, violett, und mitten hinein ergoß sich über das beschneite Trottoir das harte, metallisch-weiße Der Weihnachtsabend verlief für mich trostlos. Ich war in schmerzvollster Stimmung, Ernst von einer eigenthümlichen, fast ironisch-verletzenden Lustigkeit, hinter welcher sich eine tiefe Verstimmung barg. Vor zehn Uhr war ich schon wieder zu Hause und lag im Bette. Von der nahen Martinskirche hörte ich noch die zwölfte Stunde schlagen. Endlich schlief ich ein, dumpf, bleiern, ohne Ruhe, ohne Erquickung zu finden. 14. Am letzten Tage im Jahre fieng es gegen Abend leise zu schneien an. Feine, ganz feine aber feste Schneeflocken fielen lautlos zur Erde, erst nur ganz vereinzelt, dann aber immer dichter und dichter. Ein leichter, aber scharfer Wind blies ihnen dabei zum Tanze auf. In den langen Straßen, die zur Zeit der Abenddämmerung von einem dichten Menschenschwarm erfüllt waren, flammten jetzt die Lichter auf, unzählige Lichter, die einen auf hohen, grün angestrichenen Eisenstangen – ich glaube, so etwas nennt man Laterne – die andern unstet dahinrollend in buntem Farbenwechsel – roth, gelb, grün, blau, violett, und mitten hinein ergoß sich über das beschneite Trottoir das harte, metallisch-weiße <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0046" n="48"/> <p>Der Weihnachtsabend verlief für mich trostlos. Ich war in schmerzvollster Stimmung, Ernst von einer eigenthümlichen, fast ironisch-verletzenden Lustigkeit, hinter welcher sich eine tiefe Verstimmung barg. Vor zehn Uhr war ich schon wieder zu Hause und lag im Bette. Von der nahen Martinskirche hörte ich noch die zwölfte Stunde schlagen. Endlich schlief ich ein, dumpf, bleiern, ohne Ruhe, ohne Erquickung zu finden.</p> </div> <div n="2"> <head>14.</head><lb/> <p>Am letzten Tage im Jahre fieng es gegen Abend leise zu schneien an. Feine, ganz feine aber feste Schneeflocken fielen lautlos zur Erde, erst nur ganz vereinzelt, dann aber immer dichter und dichter. Ein leichter, aber scharfer Wind blies ihnen dabei zum Tanze auf. In den langen Straßen, die zur Zeit der Abenddämmerung von einem dichten Menschenschwarm erfüllt waren, flammten jetzt die Lichter auf, unzählige Lichter, die einen auf hohen, grün angestrichenen Eisenstangen – ich glaube, so etwas nennt man Laterne – die andern unstet dahinrollend in buntem Farbenwechsel – roth, gelb, grün, blau, violett, und mitten hinein ergoß sich über das beschneite Trottoir das harte, metallisch-weiße </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [48/0046]
Der Weihnachtsabend verlief für mich trostlos. Ich war in schmerzvollster Stimmung, Ernst von einer eigenthümlichen, fast ironisch-verletzenden Lustigkeit, hinter welcher sich eine tiefe Verstimmung barg. Vor zehn Uhr war ich schon wieder zu Hause und lag im Bette. Von der nahen Martinskirche hörte ich noch die zwölfte Stunde schlagen. Endlich schlief ich ein, dumpf, bleiern, ohne Ruhe, ohne Erquickung zu finden.
14.
Am letzten Tage im Jahre fieng es gegen Abend leise zu schneien an. Feine, ganz feine aber feste Schneeflocken fielen lautlos zur Erde, erst nur ganz vereinzelt, dann aber immer dichter und dichter. Ein leichter, aber scharfer Wind blies ihnen dabei zum Tanze auf. In den langen Straßen, die zur Zeit der Abenddämmerung von einem dichten Menschenschwarm erfüllt waren, flammten jetzt die Lichter auf, unzählige Lichter, die einen auf hohen, grün angestrichenen Eisenstangen – ich glaube, so etwas nennt man Laterne – die andern unstet dahinrollend in buntem Farbenwechsel – roth, gelb, grün, blau, violett, und mitten hinein ergoß sich über das beschneite Trottoir das harte, metallisch-weiße
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |