In noch höherem Maaße als die vergleichende Anatomie und Physiologie ist die vergleichende Ontogenie, die Entwickelungsgeschichte des Einzelthieres oder Indi- viduums, ein Kind unseres neunzehnten Jahrhunderts. Wie entsteht der Mensch im Mutterleibe? Und wie entstehen die Thiere aus den Eiern? Wie entsteht die Pflanze aus dem Samenkorn? Diese inhaltsschwere Frage hat zwar auch schon seit Jahrtausenden den denkenden Menschengeist beschäftigt; aber erst sehr spät, erst vor 70 Jahren, zeigte uns der Embryologe Baer die rechten Mittel und Wege, um tiefer in die Kennt- niß der geheimnißvollen Thatsachen der Keimesgeschichte ein- zudringen; und noch viel später, vor 40 Jahren lieferte uns Darwin durch seine Reform der Descendenz-Theorie den Schlüssel, mit dessen Hülfe wir die verschlossene Pforte ihres Verständnisses öffnen und zur Erkenntniß ihrer Ursachen gelangen können. Da ich diese hochinteressanten, aber auch schwierig zu verstehenden Verhältnisse in meiner Keimes- geschichte des Menschen (-- im ersten Theile der Anthro- pogenie, vierte Auflage 1891 --) einer ausführlichen, populär- wissenschaftlichen Darstellung unterzogen habe, beschränke ich mich hier auf eine kurze Zusammenfassung und Deutung nur der wichtigsten Erscheinungen. Wir wollen dabei zunächst einen historischen Rückblick auf die ältere Ontogenie und die damit verknüpfte Präformations-Theorie werfen.
In noch höherem Maaße als die vergleichende Anatomie und Phyſiologie iſt die vergleichende Ontogenie, die Entwickelungsgeſchichte des Einzelthieres oder Indi- viduums, ein Kind unſeres neunzehnten Jahrhunderts. Wie entſteht der Menſch im Mutterleibe? Und wie entſtehen die Thiere aus den Eiern? Wie entſteht die Pflanze aus dem Samenkorn? Dieſe inhaltsſchwere Frage hat zwar auch ſchon ſeit Jahrtauſenden den denkenden Menſchengeiſt beſchäftigt; aber erſt ſehr ſpät, erſt vor 70 Jahren, zeigte uns der Embryologe Baer die rechten Mittel und Wege, um tiefer in die Kennt- niß der geheimnißvollen Thatſachen der Keimesgeſchichte ein- zudringen; und noch viel ſpäter, vor 40 Jahren lieferte uns Darwin durch ſeine Reform der Descendenz-Theorie den Schlüſſel, mit deſſen Hülfe wir die verſchloſſene Pforte ihres Verſtändniſſes öffnen und zur Erkenntniß ihrer Urſachen gelangen können. Da ich dieſe hochintereſſanten, aber auch ſchwierig zu verſtehenden Verhältniſſe in meiner Keimes- geſchichte des Menſchen (— im erſten Theile der Anthro- pogenie, vierte Auflage 1891 —) einer ausführlichen, populär- wiſſenſchaftlichen Darſtellung unterzogen habe, beſchränke ich mich hier auf eine kurze Zuſammenfaſſung und Deutung nur der wichtigſten Erſcheinungen. Wir wollen dabei zunächſt einen hiſtoriſchen Rückblick auf die ältere Ontogenie und die damit verknüpfte Präformations-Theorie werfen.
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viduums, ein Kind unſeres neunzehnten Jahrhunderts. Wie
entſteht der Menſch im Mutterleibe? Und wie entſtehen die
Thiere aus den Eiern? Wie entſteht die Pflanze aus dem
Samenkorn? Dieſe inhaltsſchwere Frage hat zwar auch ſchon
ſeit Jahrtauſenden den denkenden Menſchengeiſt beſchäftigt; aber
erſt ſehr ſpät, erſt vor 70 Jahren, zeigte uns der Embryologe
Baer die rechten Mittel und Wege, um tiefer in die Kennt-
niß der geheimnißvollen Thatſachen der Keimesgeſchichte ein-
zudringen; und noch viel ſpäter, vor 40 Jahren lieferte uns
Darwin durch ſeine Reform der Descendenz-Theorie den
Schlüſſel, mit deſſen Hülfe wir die verſchloſſene Pforte ihres
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gelangen können. Da ich dieſe hochintereſſanten, aber auch
ſchwierig zu verſtehenden Verhältniſſe in meiner Keimes-
geſchichte des Menſchen (— im erſten Theile der Anthro-
pogenie, vierte Auflage 1891 —) einer ausführlichen, populär-
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hier auf eine kurze Zuſammenfaſſung und Deutung nur der
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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. [63]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/79>, abgerufen am 21.11.2024.
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