Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.Die Descendenz-Theorie in Verbindung mit der Anthro- Die Deſcendenz-Theorie in Verbindung mit der Anthro- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0189" n="[173]"/> <div n="2"> <p><hi rendition="#in">D</hi>ie Deſcendenz-Theorie in Verbindung mit der Anthro-<lb/> pologie hat uns überzeugt, daß unſer menſchlicher Organismus<lb/> aus einer langen Reihe thieriſcher Vorfahren durch allmähliche<lb/> Umbildung im Laufe vieler Jahr-Millionen langſam und ſtufen-<lb/> weiſe ſich entwickelt hat. Da wir nun das Seelenleben des<lb/> Menſchen von ſeinen übrigen Lebensthätigkeiten nicht trennen<lb/> können, vielmehr zu der Ueberzeugung von der einheitlichen Ent-<lb/> wickelung unſeres ganzen Körpers und Geiſtes gelangt ſind, ſo<lb/> ergiebt ſich auch für die moderne <hi rendition="#g">moniſtiſche Pſychologie</hi><lb/> die Aufgabe, die hiſtoriſche Entwickelung der Menſchenſeele aus<lb/> der Thierſeele ſtufenweiſe zu verfolgen. Die Löſung dieſer Auf-<lb/> gabe verſucht unſere „Stammesgeſchichte der Seele“ oder die<lb/><hi rendition="#g">Phylogenie der Pſyche</hi>; man kann ſie auch, als Zweig der<lb/> allgemeinen Seelenkunde, mit dem Namen der <hi rendition="#g">phylogene-<lb/> tiſchen Pſychologie</hi> oder — im Gegenſatze zur <hi rendition="#g">bion-<lb/> tiſchen</hi> (individuellen) — als <hi rendition="#g">phyletiſche Pſychogenie</hi><lb/> bezeichnen. Obgleich dieſe neue Wiſſenſchaft noch kaum ernſtlich<lb/> in Angriff genommen iſt, obgleich ſelbſt ihre Exiſtenz-Berechtigung<lb/> von den meiſten Fach-Pſychologen beſtritten wird, müſſen wir<lb/> für ſie dennoch die allerhöchſte Wichtigkeit und das größte In-<lb/> tereſſe in Anſpruch nehmen. Denn nach unſerer feſten Ueber-<lb/> zeugung iſt ſie vor Allem berufen, uns das große „Welträthſel“<lb/> vom Weſen und der Entſtehung unſerer Seele zu löſen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[173]/0189]
Die Deſcendenz-Theorie in Verbindung mit der Anthro-
pologie hat uns überzeugt, daß unſer menſchlicher Organismus
aus einer langen Reihe thieriſcher Vorfahren durch allmähliche
Umbildung im Laufe vieler Jahr-Millionen langſam und ſtufen-
weiſe ſich entwickelt hat. Da wir nun das Seelenleben des
Menſchen von ſeinen übrigen Lebensthätigkeiten nicht trennen
können, vielmehr zu der Ueberzeugung von der einheitlichen Ent-
wickelung unſeres ganzen Körpers und Geiſtes gelangt ſind, ſo
ergiebt ſich auch für die moderne moniſtiſche Pſychologie
die Aufgabe, die hiſtoriſche Entwickelung der Menſchenſeele aus
der Thierſeele ſtufenweiſe zu verfolgen. Die Löſung dieſer Auf-
gabe verſucht unſere „Stammesgeſchichte der Seele“ oder die
Phylogenie der Pſyche; man kann ſie auch, als Zweig der
allgemeinen Seelenkunde, mit dem Namen der phylogene-
tiſchen Pſychologie oder — im Gegenſatze zur bion-
tiſchen (individuellen) — als phyletiſche Pſychogenie
bezeichnen. Obgleich dieſe neue Wiſſenſchaft noch kaum ernſtlich
in Angriff genommen iſt, obgleich ſelbſt ihre Exiſtenz-Berechtigung
von den meiſten Fach-Pſychologen beſtritten wird, müſſen wir
für ſie dennoch die allerhöchſte Wichtigkeit und das größte In-
tereſſe in Anſpruch nehmen. Denn nach unſerer feſten Ueber-
zeugung iſt ſie vor Allem berufen, uns das große „Welträthſel“
vom Weſen und der Entſtehung unſerer Seele zu löſen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |