Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.Unsere menschliche Seele -- gleichviel, wie man ihr "Wesen" Obgleich nun diese "Keimesgeschichte der Menschen-Seele" Unſere menſchliche Seele — gleichviel, wie man ihr „Weſen“ Obgleich nun dieſe „Keimesgeſchichte der Menſchen-Seele“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0171" n="[155]"/> <div n="2"> <p><hi rendition="#in">U</hi>nſere menſchliche Seele — gleichviel, wie man ihr „Weſen“<lb/> auffaßt — unterliegt im Laufe unſeres individuellen Lebens einer<lb/> ſtetigen Entwickelung. Dieſe <hi rendition="#g">ontogenetiſche Thatſache</hi> iſt<lb/> für unſere moniſtiſche Pſychologie von fundamentaler Bedeutung,<lb/> obwohl die meiſten „Pſychologen von Fach“ ihr theils nur ge-<lb/> ringe, theils gar keine Berückſichtigung ſchenken. Wie nun die<lb/> individuelle Entwickelungsgeſchichte nach <hi rendition="#g">Baer's</hi> Ausdruck —<lb/> und nach der jetzt allgemein herrſchenden Ueberzeugung der Bio-<lb/> logen — der „wahre Lichtträger für alle Unterſuchungen über<lb/> organiſche Körper iſt“, ſo wird dieſelbe auch über die wichtigſten<lb/> Geheimniſſe ihres Seelenlebens uns erſt das wahre Licht an-<lb/> zünden.</p><lb/> <p>Obgleich nun dieſe „Keimesgeſchichte der Menſchen-Seele“<lb/> äußerſt wichtig und intereſſant iſt, hat ſie doch bisher nur in<lb/> ſehr beſchränktem Umfange die verdiente Berückſichtigung ge-<lb/> funden. Es waren bisher faſt ausſchließlich die <hi rendition="#g">Pädagogen</hi>,<lb/> welche ſich mit einem Theile derſelben beſchäftigten; durch ihren<lb/> praktiſchen Beruf darauf angewieſen, die Ausbildung der Seelen-<lb/> thätigkeit beim Kinde zu leiten und zu überwachen, mußten ſie<lb/> auch theoretiſches Intereſſe an den dabei beobachteten pſychogene-<lb/> tiſchen Thatſachen finden. Indeſſen ſtanden dieſe Pädagogen —<lb/> ſoweit ſie überhaupt darüber nachdachten! — in der Neuzeit wie<lb/> im Alterthum größtentheils im Banne der herrſchenden dualiſti-<lb/> ſchen Pſychologie; dagegen waren ſie mit den wichtigſten That-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[155]/0171]
Unſere menſchliche Seele — gleichviel, wie man ihr „Weſen“
auffaßt — unterliegt im Laufe unſeres individuellen Lebens einer
ſtetigen Entwickelung. Dieſe ontogenetiſche Thatſache iſt
für unſere moniſtiſche Pſychologie von fundamentaler Bedeutung,
obwohl die meiſten „Pſychologen von Fach“ ihr theils nur ge-
ringe, theils gar keine Berückſichtigung ſchenken. Wie nun die
individuelle Entwickelungsgeſchichte nach Baer's Ausdruck —
und nach der jetzt allgemein herrſchenden Ueberzeugung der Bio-
logen — der „wahre Lichtträger für alle Unterſuchungen über
organiſche Körper iſt“, ſo wird dieſelbe auch über die wichtigſten
Geheimniſſe ihres Seelenlebens uns erſt das wahre Licht an-
zünden.
Obgleich nun dieſe „Keimesgeſchichte der Menſchen-Seele“
äußerſt wichtig und intereſſant iſt, hat ſie doch bisher nur in
ſehr beſchränktem Umfange die verdiente Berückſichtigung ge-
funden. Es waren bisher faſt ausſchließlich die Pädagogen,
welche ſich mit einem Theile derſelben beſchäftigten; durch ihren
praktiſchen Beruf darauf angewieſen, die Ausbildung der Seelen-
thätigkeit beim Kinde zu leiten und zu überwachen, mußten ſie
auch theoretiſches Intereſſe an den dabei beobachteten pſychogene-
tiſchen Thatſachen finden. Indeſſen ſtanden dieſe Pädagogen —
ſoweit ſie überhaupt darüber nachdachten! — in der Neuzeit wie
im Alterthum größtentheils im Banne der herrſchenden dualiſti-
ſchen Pſychologie; dagegen waren ſie mit den wichtigſten That-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |