Proben neuer Dramen. II: Patkul. Politisches Trauerspiel in 5 Aufzügen von Karl Gutzkow. In: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, I. Semester, S. 97-106.sind noch leer, wie wenn man Patkuls Auslieferung als von Schweden Dritte Scene. Friedrich August. (Sein Benehmen ist sehr galant, leicht, beweglich und doch wieder höchst bestimmt.) Friedrich August. Ah, meine Herren! Ging meine Mutter schon mit ih- ren Damen vorüber? Imhof. Nein, Majestät. Fr. August. So betet sie vielleicht noch. Gott, diese ewigen Belästigungen des Himmels! Die gute Frau muß den Engeln recht langweilig werden. Meine Herren, Sie sind verstimmt. Sie haben etwas? (ironisch) Ja so -- o Sie müs- sen Herrn von Patkul nicht zürnen; er meint es gut mit mir, er liebt mich, er verbindet mich durch Zuvorkommenheiten. (zu Flemming) Flemming, schicken Sie in die Russische Botschaftskanzlei! Da uns alle Geldsendungen aus der Provinz aus- bleiben, hat Patkul die Güte gehabt, mir aus den Russischen Hülfsgeldern einen Vorschuß von Zweihunderttausend Thalern zu versprechen. Flemming (bei Seite). Auch das noch? Fr. August. Keine Rivalität! Keinen Partheigeist an meinem Hofe! In Polen hatt' ich Anarchie genug. In Sachsen will ich Alles d'Accord haben. Er hat Ihre Verwaltung angegriffen, Flemming, sie verdiente einige Reprochces, lie- ber Flemming; es ging nicht Alles so -- wie es sollte, mein bester Graf, -- ich habe viel Ursache, Feldmarschall -- Flemming. Sire, als ich vor 10 Jahren vom Reichstag in Warschau eine Krone zu Ihren Füßen legte, begrüßte mich Friedrich August mit den Worten: So lange die Uhr meines Herzens schlägt, sollen Sie meinen Völkern der Wei- ser seyn. Fr. August. Ja wohl, ja wohl! Flemming! Aber un roi detrone -- bei Gott, da hört wohl das Herz zu schlagen auf. Herr von Imhof, Sie werden ins schwedische Lager reisen. Machen Sie, daß Sie bald zurückkommen. Unser Ballet soll im Winter nicht unter der Politik leiden. Frau von Prittwitz hat im Mercure galant etwas von einem Divertissement, Amor und Psyche, gelesen -- Eminent -- was sie mir davon erzählte. Suchen Sie die Tänze aus Paris zu bekommen! Aber nochmals, keine Rivalität mit Herrn von Patkul! Ich ehre in ihm den Gesand- ten des Czaaren, meines Verbündeten, ich schätz' in ihm den Weltmann und Ken- ner der Zeiten und Menschen, ich bewundere den hohen Muth, mit dem er sein tragisches Lebensschicksal um das Wohl seiner Heimath ertragen hat, (streng abbrechend) und damit lassen Sie's genug seyn. (Zu Flemming süß) Ihre liebenswürdige Mün- del -- -- Wir sprechen noch darüber! (Zu Pfingsten ernst) Was machen Sie da, Herr Referendair? Pfingstenhatte sich inzwischen dem Tisch genähert, die Papiere fortzunehmen.) sind noch leer, wie wenn man Patkuls Auslieferung als von Schweden Dritte Scene. Friedrich August. (Sein Benehmen ist sehr galant, leicht, beweglich und doch wieder höchst bestimmt.) Friedrich August. Ah, meine Herren! Ging meine Mutter schon mit ih- ren Damen vorüber? Imhof. Nein, Majestät. Fr. August. So betet sie vielleicht noch. Gott, diese ewigen Belästigungen des Himmels! Die gute Frau muß den Engeln recht langweilig werden. Meine Herren, Sie sind verstimmt. Sie haben etwas? (ironisch) Ja so — o Sie müs- sen Herrn von Patkul nicht zürnen; er meint es gut mit mir, er liebt mich, er verbindet mich durch Zuvorkommenheiten. (zu Flemming) Flemming, schicken Sie in die Russische Botschaftskanzlei! Da uns alle Geldsendungen aus der Provinz aus- bleiben, hat Patkul die Güte gehabt, mir aus den Russischen Hülfsgeldern einen Vorschuß von Zweihunderttausend Thalern zu versprechen. Flemming (bei Seite). Auch das noch? Fr. August. Keine Rivalität! Keinen Partheigeist an meinem Hofe! In Polen hatt' ich Anarchie genug. In Sachsen will ich Alles d'Accord haben. Er hat Ihre Verwaltung angegriffen, Flemming, sie verdiente einige Reprochces, lie- ber Flemming; es ging nicht Alles so — wie es sollte, mein bester Graf, — ich habe viel Ursache, Feldmarschall — Flemming. Sire, als ich vor 10 Jahren vom Reichstag in Warschau eine Krone zu Ihren Füßen legte, begrüßte mich Friedrich August mit den Worten: So lange die Uhr meines Herzens schlägt, sollen Sie meinen Völkern der Wei- ser seyn. Fr. August. Ja wohl, ja wohl! Flemming! Aber un roi détrôné — bei Gott, da hört wohl das Herz zu schlagen auf. Herr von Imhof, Sie werden ins schwedische Lager reisen. Machen Sie, daß Sie bald zurückkommen. Unser Ballet soll im Winter nicht unter der Politik leiden. Frau von Prittwitz hat im Mercure galant etwas von einem Divertissement, Amor und Psyche, gelesen — Eminent — was sie mir davon erzählte. Suchen Sie die Tänze aus Paris zu bekommen! Aber nochmals, keine Rivalität mit Herrn von Patkul! Ich ehre in ihm den Gesand- ten des Czaaren, meines Verbündeten, ich schätz' in ihm den Weltmann und Ken- ner der Zeiten und Menschen, ich bewundere den hohen Muth, mit dem er sein tragisches Lebensschicksal um das Wohl seiner Heimath ertragen hat, (streng abbrechend) und damit lassen Sie's genug seyn. (Zu Flemming süß) Ihre liebenswürdige Mün- del — — Wir sprechen noch darüber! (Zu Pfingsten ernst) Was machen Sie da, Herr Referendair? Pfingstenhatte sich inzwischen dem Tisch genähert, die Papiere fortzunehmen.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div type="act" n="3"> <div type="scene" n="4"> <p><pb facs="#f0006" n="102"/> sind noch leer, wie wenn man Patkuls Auslieferung als von Schweden<lb/> gefordert hinein brächte? <hi rendition="#g">Pfingsten</hi>, der verschmitzte Höfling ist so-<lb/> gleich zur Hand und schreibt. — Da meldet ein Offizier die Ankunft<lb/> des Königs.</p> </div><lb/> <div type="scene" n="4"> <head>Dritte Scene.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <stage> <hi rendition="#g">Friedrich August.</hi> <hi rendition="#fr">(Sein Benehmen ist sehr galant, leicht, beweglich und doch wieder<lb/> höchst bestimmt.)</hi> </stage><lb/> <sp who="#FRI"> <speaker> <hi rendition="#g">Friedrich August.</hi> </speaker> <p>Ah, meine Herren! Ging meine Mutter schon mit ih-<lb/> ren Damen vorüber?</p> </sp><lb/> <sp who="#IMH"> <speaker> <hi rendition="#g">Imhof.</hi> </speaker> <p>Nein, Majestät.</p> </sp><lb/> <sp who="#FRI"> <speaker> <hi rendition="#g">Fr. August.</hi> </speaker> <p>So betet sie vielleicht noch. Gott, diese ewigen Belästigungen<lb/> des Himmels! Die gute Frau muß den Engeln recht langweilig werden. Meine<lb/> Herren, Sie sind verstimmt. Sie <hi rendition="#g">haben</hi> etwas? <stage><hi rendition="#fr">(ironisch)</hi></stage> Ja so — o Sie müs-<lb/> sen Herrn von Patkul nicht zürnen; er meint es gut mit mir, er liebt mich, er<lb/> verbindet mich durch Zuvorkommenheiten. <stage><hi rendition="#fr">(zu Flemming)</hi></stage> Flemming, schicken Sie in<lb/> die Russische Botschaftskanzlei! Da uns alle Geldsendungen aus der Provinz aus-<lb/> bleiben, hat Patkul die Güte gehabt, mir aus den Russischen Hülfsgeldern einen<lb/> Vorschuß von Zweihunderttausend Thalern zu versprechen.</p> </sp><lb/> <sp who="#FLE"> <speaker> <hi rendition="#g">Flemming</hi> </speaker> <stage> <hi rendition="#fr">(bei Seite).</hi> </stage> <p>Auch das noch?</p> </sp><lb/> <sp who="#FRI"> <speaker> <hi rendition="#g">Fr. August.</hi> </speaker> <p>Keine Rivalität! Keinen Partheigeist an meinem Hofe! In<lb/> Polen hatt' ich Anarchie genug. In Sachsen will ich Alles d'Accord haben. Er<lb/> hat Ihre Verwaltung angegriffen, Flemming, sie verdiente einige Reprochces, lie-<lb/> ber Flemming; es ging nicht Alles so — wie es sollte, mein bester Graf, — ich<lb/> habe viel Ursache, Feldmarschall —</p> </sp><lb/> <sp who="#FLE"> <speaker> <hi rendition="#g">Flemming.</hi> </speaker> <p>Sire, als ich vor 10 Jahren vom Reichstag in Warschau eine<lb/> Krone zu Ihren Füßen legte, begrüßte mich Friedrich August mit den Worten:<lb/> So lange die Uhr meines Herzens schlägt, sollen <hi rendition="#g">Sie</hi> meinen Völkern der Wei-<lb/> ser seyn.</p> </sp><lb/> <sp who="#FRI"> <speaker> <hi rendition="#g">Fr. August.</hi> </speaker> <p>Ja wohl, ja wohl! Flemming! Aber <hi rendition="#aq">un roi détrôné —</hi> bei<lb/> Gott, da hört wohl das Herz zu schlagen <hi rendition="#g">auf</hi>. Herr von Imhof, Sie werden ins<lb/> schwedische Lager reisen. Machen Sie, daß Sie bald zurückkommen. Unser Ballet<lb/> soll im Winter nicht unter der Politik leiden. Frau von Prittwitz hat im <hi rendition="#aq">Mercure<lb/> galant</hi> etwas von einem Divertissement, Amor und Psyche, gelesen — Eminent —<lb/> was sie mir davon erzählte. Suchen Sie die Tänze aus Paris zu bekommen! Aber<lb/> nochmals, keine Rivalität mit Herrn von Patkul! Ich ehre in ihm den Gesand-<lb/> ten des Czaaren, meines Verbündeten, ich schätz' in ihm den Weltmann und Ken-<lb/> ner der Zeiten und Menschen, ich bewundere den hohen Muth, mit dem er sein<lb/> tragisches Lebensschicksal um das Wohl seiner Heimath ertragen hat, <stage><hi rendition="#fr">(streng abbrechend)</hi></stage><lb/> und damit lassen Sie's genug seyn. <stage><hi rendition="#fr">(Zu Flemming süß)</hi></stage> Ihre liebenswürdige Mün-<lb/> del — — Wir sprechen noch darüber! <stage><hi rendition="#fr">(Zu Pfingsten ernst)</hi></stage> Was machen Sie da,<lb/> Herr Referendair?</p> </sp><lb/> <stage> <hi rendition="#g">Pfingsten</hi> <hi rendition="#fr">hatte sich inzwischen dem Tisch genähert, die Papiere fortzunehmen.)</hi> </stage><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [102/0006]
sind noch leer, wie wenn man Patkuls Auslieferung als von Schweden
gefordert hinein brächte? Pfingsten, der verschmitzte Höfling ist so-
gleich zur Hand und schreibt. — Da meldet ein Offizier die Ankunft
des Königs.
Dritte Scene.
Friedrich August. (Sein Benehmen ist sehr galant, leicht, beweglich und doch wieder
höchst bestimmt.)
Friedrich August. Ah, meine Herren! Ging meine Mutter schon mit ih-
ren Damen vorüber?
Imhof. Nein, Majestät.
Fr. August. So betet sie vielleicht noch. Gott, diese ewigen Belästigungen
des Himmels! Die gute Frau muß den Engeln recht langweilig werden. Meine
Herren, Sie sind verstimmt. Sie haben etwas? (ironisch) Ja so — o Sie müs-
sen Herrn von Patkul nicht zürnen; er meint es gut mit mir, er liebt mich, er
verbindet mich durch Zuvorkommenheiten. (zu Flemming) Flemming, schicken Sie in
die Russische Botschaftskanzlei! Da uns alle Geldsendungen aus der Provinz aus-
bleiben, hat Patkul die Güte gehabt, mir aus den Russischen Hülfsgeldern einen
Vorschuß von Zweihunderttausend Thalern zu versprechen.
Flemming (bei Seite). Auch das noch?
Fr. August. Keine Rivalität! Keinen Partheigeist an meinem Hofe! In
Polen hatt' ich Anarchie genug. In Sachsen will ich Alles d'Accord haben. Er
hat Ihre Verwaltung angegriffen, Flemming, sie verdiente einige Reprochces, lie-
ber Flemming; es ging nicht Alles so — wie es sollte, mein bester Graf, — ich
habe viel Ursache, Feldmarschall —
Flemming. Sire, als ich vor 10 Jahren vom Reichstag in Warschau eine
Krone zu Ihren Füßen legte, begrüßte mich Friedrich August mit den Worten:
So lange die Uhr meines Herzens schlägt, sollen Sie meinen Völkern der Wei-
ser seyn.
Fr. August. Ja wohl, ja wohl! Flemming! Aber un roi détrôné — bei
Gott, da hört wohl das Herz zu schlagen auf. Herr von Imhof, Sie werden ins
schwedische Lager reisen. Machen Sie, daß Sie bald zurückkommen. Unser Ballet
soll im Winter nicht unter der Politik leiden. Frau von Prittwitz hat im Mercure
galant etwas von einem Divertissement, Amor und Psyche, gelesen — Eminent —
was sie mir davon erzählte. Suchen Sie die Tänze aus Paris zu bekommen! Aber
nochmals, keine Rivalität mit Herrn von Patkul! Ich ehre in ihm den Gesand-
ten des Czaaren, meines Verbündeten, ich schätz' in ihm den Weltmann und Ken-
ner der Zeiten und Menschen, ich bewundere den hohen Muth, mit dem er sein
tragisches Lebensschicksal um das Wohl seiner Heimath ertragen hat, (streng abbrechend)
und damit lassen Sie's genug seyn. (Zu Flemming süß) Ihre liebenswürdige Mün-
del — — Wir sprechen noch darüber! (Zu Pfingsten ernst) Was machen Sie da,
Herr Referendair?
Pfingstenhatte sich inzwischen dem Tisch genähert, die Papiere fortzunehmen.)
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Bremen : Staats- und Universitätsbibliothek: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-05-27T14:31:47Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Elena Kirillova, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-05-27T14:31:47Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |