Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
Vor gethan und nach bedacht, hat manchen in
grosses Leid gebracht.
Traue schaue, wem?

89. Die Erzähler
oder das
Geschichtemachen.

Eine Jugendgesellschaft, die in ihrer Geistes-
bildung schon ziemliche Fortschritte gemacht
hat, sitzt im Kreise umher, und jeder verpflich-
tet sich, wenn die Reihe an ihn kommt, etwas
zu erzählen. Der Gegenstand der Erzählung
bleibt seiner Wahl überlassen; aber er ist ver-
bunden gewisse Wörter in die Erzählung zu ver-
flechten, welche ihm von den andern gegeben
sind; ja er muss sie selbst in der Ordnung vor-
bringen, in welcher sie ihm sind gegeben wor-
den. Er kann mithin keine schon gehörte oder
gelesene Erzählung gebrauchen, sondern muss
aus dem Stegreife ein Geschichtchen erfinden,
und jene Wörter auf eine ungezwungene Art hin-
einweben. Hierzu gehört Nachdenken, und
Erfindungskraft, genauer genommen, dichten-
de Phantasie und Witz, um die Wörter gehörig
und zwar schnell miteinander in gewisse Ver-
hältnisse zu schieben, und sie vortheilhaft mit-

Vor gethan und nach bedacht, hat manchen in
groſses Leid gebracht.
Traue ſchaue, wem?

89. Die Erzähler
oder das
Geſchichtemachen.

Eine Jugendgeſellſchaft, die in ihrer Geiſtes-
bildung ſchon ziemliche Fortſchritte gemacht
hat, ſitzt im Kreiſe umher, und jeder verpflich-
tet ſich, wenn die Reihe an ihn kommt, etwas
zu erzählen. Der Gegenſtand der Erzählung
bleibt ſeiner Wahl überlaſſen; aber er iſt ver-
bunden gewiſſe Wörter in die Erzählung zu ver-
flechten, welche ihm von den andern gegeben
ſind; ja er muſs ſie ſelbſt in der Ordnung vor-
bringen, in welcher ſie ihm ſind gegeben wor-
den. Er kann mithin keine ſchon gehörte oder
geleſene Erzählung gebrauchen, ſondern muſs
aus dem Stegreife ein Geſchichtchen erfinden,
und jene Wörter auf eine ungezwungene Art hin-
einweben. Hierzu gehört Nachdenken, und
Erfindungskraft, genauer genommen, dichten-
de Phantaſie und Witz, um die Wörter gehörig
und zwar ſchnell miteinander in gewiſſe Ver-
hältniſſe zu ſchieben, und ſie vortheilhaft mit-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <list>
                <pb facs="#f0400" n="368"/>
                <item>Vor gethan und nach bedacht, hat manchen in<lb/>
gro&#x017F;ses Leid gebracht.</item><lb/>
                <item>Traue &#x017F;chaue, wem?</item>
              </list>
            </div><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <div n="4">
              <head>89. Die Erzähler<lb/>
oder das<lb/><hi rendition="#g">Ge&#x017F;chichtemachen</hi>.</head><lb/>
              <p><hi rendition="#in">E</hi>ine Jugendge&#x017F;ell&#x017F;chaft, die in ihrer Gei&#x017F;tes-<lb/>
bildung &#x017F;chon ziemliche Fort&#x017F;chritte gemacht<lb/>
hat, &#x017F;itzt im Krei&#x017F;e umher, und jeder verpflich-<lb/>
tet &#x017F;ich, wenn die Reihe an ihn kommt, etwas<lb/>
zu erzählen. Der Gegen&#x017F;tand der Erzählung<lb/>
bleibt &#x017F;einer Wahl überla&#x017F;&#x017F;en; aber er i&#x017F;t ver-<lb/>
bunden <hi rendition="#i">gewi&#x017F;&#x017F;e Wörter</hi> in die Erzählung zu ver-<lb/>
flechten, welche ihm von den andern gegeben<lb/>
&#x017F;ind; ja er mu&#x017F;s &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t in der Ordnung vor-<lb/>
bringen, in welcher &#x017F;ie ihm &#x017F;ind gegeben wor-<lb/>
den. Er kann mithin keine &#x017F;chon gehörte oder<lb/>
gele&#x017F;ene Erzählung gebrauchen, &#x017F;ondern mu&#x017F;s<lb/>
aus dem Stegreife ein Ge&#x017F;chichtchen erfinden,<lb/>
und <hi rendition="#i">jene Wörter</hi> auf eine ungezwungene Art hin-<lb/>
einweben. Hierzu gehört Nachdenken, und<lb/>
Erfindungskraft, genauer genommen, dichten-<lb/>
de Phanta&#x017F;ie und Witz, um die Wörter gehörig<lb/>
und zwar &#x017F;chnell miteinander in gewi&#x017F;&#x017F;e Ver-<lb/>
hältni&#x017F;&#x017F;e zu &#x017F;chieben, und &#x017F;ie vortheilhaft mit-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[368/0400] Vor gethan und nach bedacht, hat manchen in groſses Leid gebracht. Traue ſchaue, wem? 89. Die Erzähler oder das Geſchichtemachen. Eine Jugendgeſellſchaft, die in ihrer Geiſtes- bildung ſchon ziemliche Fortſchritte gemacht hat, ſitzt im Kreiſe umher, und jeder verpflich- tet ſich, wenn die Reihe an ihn kommt, etwas zu erzählen. Der Gegenſtand der Erzählung bleibt ſeiner Wahl überlaſſen; aber er iſt ver- bunden gewiſſe Wörter in die Erzählung zu ver- flechten, welche ihm von den andern gegeben ſind; ja er muſs ſie ſelbſt in der Ordnung vor- bringen, in welcher ſie ihm ſind gegeben wor- den. Er kann mithin keine ſchon gehörte oder geleſene Erzählung gebrauchen, ſondern muſs aus dem Stegreife ein Geſchichtchen erfinden, und jene Wörter auf eine ungezwungene Art hin- einweben. Hierzu gehört Nachdenken, und Erfindungskraft, genauer genommen, dichten- de Phantaſie und Witz, um die Wörter gehörig und zwar ſchnell miteinander in gewiſſe Ver- hältniſſe zu ſchieben, und ſie vortheilhaft mit-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796/400
Zitationshilfe: Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796/400>, abgerufen am 21.11.2024.