Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
78. Der König ist nicht zu Hause.

Einer ist König, die Andern sitzen ganz ernsthaft
und arbeiten was sie wollen; schreiben, zeich-
nen, lesen, nähen, stricken u. s. w. Auf einmal
ruft seine Majestät, der König ist nicht zu Hause,
da verändert sich plözlich die ganze Scene nach
dem Sprichworte, wenn die Katze nicht zu Hau-
se ist, so tanzen die Mäuse auf Tisch und Bän-
ken; man singt und tanzt man thut was man will.
Aber plötzlich und unvermerkt ruft Jener wieder:
der König ist wieder zu Hause und im Nu muss sich je-
der an seinen Platz begeben. Der Letzte giebt
ein Pfand. Der König entscheidet es, wer seinen
Platz zulezt erreichte. Irrt er sich hierin, so giebt
er selbst ein Pfand und ist abgesezt, aber der un-
schuldig Angeklagte wird König. Wer nach dem
Ausrufe des Königs noch einen lauten Ton von
sich giebt, oder laut lacht, giebt auch ein Pfand.
Der König muss durchaus jedesmal einen als den
Letzten angeben oder ein Pfand geben, wenn er
es nicht kann.

Diess Spiel hat sein Entstehn dem Könige Frie-
drich II. von Dänemark zu verdanken. Es war
ihm oft unangenehm, seine Hofleute in steifer
Hofregel um sich her versammelt zu sehen.
Dann rief er wie oben: der König ist nicht zu
Hause! und alles überliess sich seiner natürli-

X 3
78. Der König iſt nicht zu Hauſe.

Einer iſt König, die Andern ſitzen ganz ernſthaft
und arbeiten was ſie wollen; ſchreiben, zeich-
nen, leſen, nähen, ſtricken u. ſ. w. Auf einmal
ruft ſeine Majeſtät, der König iſt nicht zu Hauſe,
da verändert ſich plözlich die ganze Scene nach
dem Sprichworte, wenn die Katze nicht zu Hau-
ſe iſt, ſo tanzen die Mäuſe auf Tiſch und Bän-
ken; man ſingt und tanzt man thut was man will.
Aber plötzlich und unvermerkt ruft Jener wieder:
der König iſt wieder zu Hauſe und im Nu muſs ſich je-
der an ſeinen Platz begeben. Der Letzte giebt
ein Pfand. Der König entſcheidet es, wer ſeinen
Platz zulezt erreichte. Irrt er ſich hierin, ſo giebt
er ſelbſt ein Pfand und iſt abgeſezt, aber der un-
ſchuldig Angeklagte wird König. Wer nach dem
Ausrufe des Königs noch einen lauten Ton von
ſich giebt, oder laut lacht, giebt auch ein Pfand.
Der König muſs durchaus jedesmal einen als den
Letzten angeben oder ein Pfand geben, wenn er
es nicht kann.

Dieſs Spiel hat ſein Entſtehn dem Könige Frie-
drich II. von Dänemark zu verdanken. Es war
ihm oft unangenehm, ſeine Hofleute in ſteifer
Hofregel um ſich her verſammelt zu ſehen.
Dann rief er wie oben: der König iſt nicht zu
Hauſe! und alles überlieſs ſich ſeiner natürli-

X 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0357" n="325"/>
            <div n="4">
              <head>78. Der König i&#x017F;t nicht zu Hau&#x017F;e.</head><lb/>
              <p><hi rendition="#in">E</hi>iner i&#x017F;t <hi rendition="#i">König</hi>, die Andern &#x017F;itzen ganz ern&#x017F;thaft<lb/>
und arbeiten was &#x017F;ie wollen; &#x017F;chreiben, zeich-<lb/>
nen, le&#x017F;en, nähen, &#x017F;tricken u. &#x017F;. w. Auf einmal<lb/>
ruft &#x017F;eine Maje&#x017F;tät, <hi rendition="#i">der König i&#x017F;t nicht zu Hau&#x017F;e</hi>,<lb/>
da verändert &#x017F;ich plözlich die ganze Scene nach<lb/>
dem Sprichworte, wenn die Katze nicht zu Hau-<lb/>
&#x017F;e i&#x017F;t, &#x017F;o tanzen die Mäu&#x017F;e auf Ti&#x017F;ch und Bän-<lb/>
ken; man &#x017F;ingt und tanzt man thut was man will.<lb/>
Aber plötzlich und unvermerkt ruft Jener wieder:<lb/><hi rendition="#i">der König i&#x017F;t wieder zu Hau&#x017F;e</hi> und im Nu mu&#x017F;s &#x017F;ich je-<lb/>
der an &#x017F;einen Platz begeben. Der Letzte giebt<lb/>
ein Pfand. Der König ent&#x017F;cheidet es, wer &#x017F;einen<lb/>
Platz zulezt erreichte. Irrt er &#x017F;ich hierin, &#x017F;o giebt<lb/>
er &#x017F;elb&#x017F;t ein Pfand und i&#x017F;t abge&#x017F;ezt, aber der un-<lb/>
&#x017F;chuldig Angeklagte wird König. Wer nach dem<lb/>
Ausrufe des Königs noch einen lauten Ton von<lb/>
&#x017F;ich giebt, oder laut lacht, giebt auch ein Pfand.<lb/>
Der König mu&#x017F;s durchaus jedesmal einen als den<lb/><hi rendition="#i">Letzten</hi> angeben oder ein Pfand geben, wenn er<lb/>
es nicht kann.</p><lb/>
              <p>Die&#x017F;s Spiel hat &#x017F;ein Ent&#x017F;tehn dem Könige Frie-<lb/>
drich II. von Dänemark zu verdanken. Es war<lb/>
ihm oft unangenehm, &#x017F;eine Hofleute in &#x017F;teifer<lb/>
Hofregel um &#x017F;ich her ver&#x017F;ammelt zu &#x017F;ehen.<lb/>
Dann rief er wie oben: der König i&#x017F;t nicht zu<lb/>
Hau&#x017F;e! und alles überlie&#x017F;s &#x017F;ich &#x017F;einer natürli-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">X 3</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[325/0357] 78. Der König iſt nicht zu Hauſe. Einer iſt König, die Andern ſitzen ganz ernſthaft und arbeiten was ſie wollen; ſchreiben, zeich- nen, leſen, nähen, ſtricken u. ſ. w. Auf einmal ruft ſeine Majeſtät, der König iſt nicht zu Hauſe, da verändert ſich plözlich die ganze Scene nach dem Sprichworte, wenn die Katze nicht zu Hau- ſe iſt, ſo tanzen die Mäuſe auf Tiſch und Bän- ken; man ſingt und tanzt man thut was man will. Aber plötzlich und unvermerkt ruft Jener wieder: der König iſt wieder zu Hauſe und im Nu muſs ſich je- der an ſeinen Platz begeben. Der Letzte giebt ein Pfand. Der König entſcheidet es, wer ſeinen Platz zulezt erreichte. Irrt er ſich hierin, ſo giebt er ſelbſt ein Pfand und iſt abgeſezt, aber der un- ſchuldig Angeklagte wird König. Wer nach dem Ausrufe des Königs noch einen lauten Ton von ſich giebt, oder laut lacht, giebt auch ein Pfand. Der König muſs durchaus jedesmal einen als den Letzten angeben oder ein Pfand geben, wenn er es nicht kann. Dieſs Spiel hat ſein Entſtehn dem Könige Frie- drich II. von Dänemark zu verdanken. Es war ihm oft unangenehm, ſeine Hofleute in ſteifer Hofregel um ſich her verſammelt zu ſehen. Dann rief er wie oben: der König iſt nicht zu Hauſe! und alles überlieſs ſich ſeiner natürli- X 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796/357
Zitationshilfe: Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796/357>, abgerufen am 21.12.2024.