Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
Nachtspiele.

Die Nacht ist für die meisten Menschen fürchter-
lich. Vernunft, Aufklärung, Geist und Muth
schützen nur wenige gegen diese natürliche
Furcht. Raisonneurs und starke Geister, Phi-
losophen und Krieger sind am Tage unerschüt-
terlich, und Zittern oft des Nachts, wenn sich
ein Blättchen reget. Die Ursach liegt nicht in
Ammenmährchen, sondern sie ist dieselbe, ver-
möge welcher der Taube misstrauisch und das
Volk abergläubisch ist; sie liegt in der Unkunde
der Dinge und Ereignisse um uns her. Heilung
ist nur durch Gewöhnung möglich, denn dieser
unterliegt die Imagination. Es ist folglich ver-
gebens, dem Furchtsamen vor zuraisonniren, wie
eitel seine Furcht sey; wirksamer, als alle philo-
sophischen Gründe ist es, ihn oft in die Finster-
niss zu führen. Der Dachdecker wird nicht mehr
schwindlicht, und wer sich an Finsterniss gewöhnt
hat, empfindet dabey keine Furcht mehr. Um die
Jugend dahin zu bringen, sind Spiele sehr bequem,
aber sie müssen mit Lachen und Scherz verbun-
den und gesellschaftlich seyn. Dadurch werden
die Füsse eines so erzogenen Menschen sicher,
die Hände, um mich so auszudrücken, verständi-
ger. Seine Imagination mit angenehmen Bildern

Q 2
Nachtſpiele.

Die Nacht iſt für die meiſten Menſchen fürchter-
lich. Vernunft, Aufklärung, Geiſt und Muth
ſchützen nur wenige gegen dieſe natürliche
Furcht. Raiſonneurs und ſtarke Geiſter, Phi-
loſophen und Krieger ſind am Tage unerſchüt-
terlich, und Zittern oft des Nachts, wenn ſich
ein Blättchen reget. Die Urſach liegt nicht in
Ammenmährchen, ſondern ſie iſt dieſelbe, ver-
möge welcher der Taube miſstrauiſch und das
Volk abergläubiſch iſt; ſie liegt in der Unkunde
der Dinge und Ereigniſſe um uns her. Heilung
iſt nur durch Gewöhnung möglich, denn dieſer
unterliegt die Imagination. Es iſt folglich ver-
gebens, dem Furchtſamen vor zuraiſonniren, wie
eitel ſeine Furcht ſey; wirkſamer, als alle philo-
ſophiſchen Gründe iſt es, ihn oft in die Finſter-
niſs zu führen. Der Dachdecker wird nicht mehr
ſchwindlicht, und wer ſich an Finſterniſs gewöhnt
hat, empfindet dabey keine Furcht mehr. Um die
Jugend dahin zu bringen, ſind Spiele ſehr bequem,
aber ſie müſſen mit Lachen und Scherz verbun-
den und geſellſchaftlich ſeyn. Dadurch werden
die Füſse eines ſo erzogenen Menſchen ſicher,
die Hände, um mich ſo auszudrücken, verſtändi-
ger. Seine Imagination mit angenehmen Bildern

Q 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0275" n="243"/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Nacht&#x017F;piele</hi></hi>.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">D</hi>ie Nacht i&#x017F;t für die mei&#x017F;ten Men&#x017F;chen fürchter-<lb/>
lich. Vernunft, Aufklärung, Gei&#x017F;t und Muth<lb/>
&#x017F;chützen nur wenige gegen die&#x017F;e natürliche<lb/>
Furcht. Rai&#x017F;onneurs und &#x017F;tarke Gei&#x017F;ter, Phi-<lb/>
lo&#x017F;ophen und Krieger &#x017F;ind am Tage uner&#x017F;chüt-<lb/>
terlich, und Zittern oft des Nachts, wenn &#x017F;ich<lb/>
ein Blättchen reget. Die Ur&#x017F;ach liegt nicht in<lb/>
Ammenmährchen, &#x017F;ondern &#x017F;ie i&#x017F;t die&#x017F;elbe, ver-<lb/>
möge welcher der Taube mi&#x017F;straui&#x017F;ch und das<lb/>
Volk abergläubi&#x017F;ch i&#x017F;t; &#x017F;ie liegt in der Unkunde<lb/>
der Dinge und Ereigni&#x017F;&#x017F;e um uns her. Heilung<lb/>
i&#x017F;t nur durch Gewöhnung möglich, denn die&#x017F;er<lb/>
unterliegt die Imagination. Es i&#x017F;t folglich ver-<lb/>
gebens, dem Furcht&#x017F;amen vor zurai&#x017F;onniren, wie<lb/>
eitel &#x017F;eine Furcht &#x017F;ey; wirk&#x017F;amer, als alle philo-<lb/>
&#x017F;ophi&#x017F;chen Gründe i&#x017F;t es, ihn oft in die Fin&#x017F;ter-<lb/>
ni&#x017F;s zu führen. Der Dachdecker wird nicht mehr<lb/>
&#x017F;chwindlicht, und wer &#x017F;ich an Fin&#x017F;terni&#x017F;s gewöhnt<lb/>
hat, empfindet dabey keine Furcht mehr. Um die<lb/>
Jugend dahin zu bringen, &#x017F;ind Spiele &#x017F;ehr bequem,<lb/>
aber &#x017F;ie mü&#x017F;&#x017F;en mit Lachen und Scherz verbun-<lb/>
den und ge&#x017F;ell&#x017F;chaftlich &#x017F;eyn. Dadurch werden<lb/>
die Fü&#x017F;se eines &#x017F;o erzogenen Men&#x017F;chen &#x017F;icher,<lb/>
die Hände, um mich &#x017F;o auszudrücken, ver&#x017F;tändi-<lb/>
ger. Seine Imagination mit angenehmen Bildern<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q 2</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[243/0275] Nachtſpiele. Die Nacht iſt für die meiſten Menſchen fürchter- lich. Vernunft, Aufklärung, Geiſt und Muth ſchützen nur wenige gegen dieſe natürliche Furcht. Raiſonneurs und ſtarke Geiſter, Phi- loſophen und Krieger ſind am Tage unerſchüt- terlich, und Zittern oft des Nachts, wenn ſich ein Blättchen reget. Die Urſach liegt nicht in Ammenmährchen, ſondern ſie iſt dieſelbe, ver- möge welcher der Taube miſstrauiſch und das Volk abergläubiſch iſt; ſie liegt in der Unkunde der Dinge und Ereigniſſe um uns her. Heilung iſt nur durch Gewöhnung möglich, denn dieſer unterliegt die Imagination. Es iſt folglich ver- gebens, dem Furchtſamen vor zuraiſonniren, wie eitel ſeine Furcht ſey; wirkſamer, als alle philo- ſophiſchen Gründe iſt es, ihn oft in die Finſter- niſs zu führen. Der Dachdecker wird nicht mehr ſchwindlicht, und wer ſich an Finſterniſs gewöhnt hat, empfindet dabey keine Furcht mehr. Um die Jugend dahin zu bringen, ſind Spiele ſehr bequem, aber ſie müſſen mit Lachen und Scherz verbun- den und geſellſchaftlich ſeyn. Dadurch werden die Füſse eines ſo erzogenen Menſchen ſicher, die Hände, um mich ſo auszudrücken, verſtändi- ger. Seine Imagination mit angenehmen Bildern Q 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796/275
Zitationshilfe: Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796/275>, abgerufen am 21.11.2024.