Im nördlichen Deutschlande, namentlich in Dit- marschen, haben die rüstigen Landleute ein jähr- liches Fest, vielleicht zu der Zeit, wann in vie- len andern festlosen deutschen Gegenden der Bauer Grillen fängt, -- wobey sie, auf muthigen Rossen, im vollen Gallopp reutend, nach einem Ringe stechen. Selbst die reichern Bewohner nehmen daran Theil, und Jung und Alt ahmt dieses Kampfspiel häufig, auch zu jeder andern Zeit, zu Fusse nach. Vergnügen, Aufregung der Thätigkeit, Bewegung des Körpers im Freyen, und Uebung des Augenmasses empfehlen dieses Spiel. Hier ist eine Beschreibung davon. Statt des Ringes hat man gewöhnlich eine hölzerne, noch besser eiserne Scheibe, siehe Zeichnung 11, von beliebiger Grösse. Sie ist mit 5 Löchern und oben bey a und b mit zwey Federn verse- hen, deren Strebkraft von einander abwärts ge- richtet ist. Zwängt man diese Federn in irgend eine Oeffnung, so dass sie etwas zusammen ge- drückt werden: so wird man sie nur mit einiger Gewalt wieder herausziehen können, weil sie an die Seitenwände andrücken. Man drehet eine hölzerne Kapsel oder Röhre, zwängt die Federn hinein, und hängt jene an einem Stricke auf, der
27. Das Ringrennen.
Im nördlichen Deutſchlande, namentlich in Dit- marſchen, haben die rüſtigen Landleute ein jähr- liches Feſt, vielleicht zu der Zeit, wann in vie- len andern feſtloſen deutſchen Gegenden der Bauer Grillen fängt, — wobey ſie, auf muthigen Roſſen, im vollen Gallopp reutend, nach einem Ringe ſtechen. Selbſt die reichern Bewohner nehmen daran Theil, und Jung und Alt ahmt dieſes Kampfſpiel häufig, auch zu jeder andern Zeit, zu Fuſse nach. Vergnügen, Aufregung der Thätigkeit, Bewegung des Körpers im Freyen, und Uebung des Augenmaſses empfehlen dieſes Spiel. Hier iſt eine Beſchreibung davon. Statt des Ringes hat man gewöhnlich eine hölzerne, noch beſſer eiſerne Scheibe, ſiehe Zeichnung 11, von beliebiger Gröſse. Sie iſt mit 5 Löchern und oben bey a und b mit zwey Federn verſe- hen, deren Strebkraft von einander abwärts ge- richtet iſt. Zwängt man dieſe Federn in irgend eine Oeffnung, ſo daſs ſie etwas zuſammen ge- drückt werden: ſo wird man ſie nur mit einiger Gewalt wieder herausziehen können, weil ſie an die Seitenwände andrücken. Man drehet eine hölzerne Kapſel oder Röhre, zwängt die Federn hinein, und hängt jene an einem Stricke auf, der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0230"n="198"/><divn="4"><head>27. Das Ringrennen.</head><lb/><p><hirendition="#in">I</hi>m nördlichen Deutſchlande, namentlich in Dit-<lb/>
marſchen, haben die rüſtigen Landleute ein jähr-<lb/>
liches Feſt, vielleicht zu der Zeit, wann in vie-<lb/>
len andern feſtloſen deutſchen Gegenden der<lb/>
Bauer Grillen fängt, — wobey ſie, auf muthigen<lb/>
Roſſen, im vollen Gallopp reutend, nach einem<lb/>
Ringe ſtechen. Selbſt die reichern Bewohner<lb/>
nehmen daran Theil, und Jung und Alt ahmt<lb/>
dieſes Kampfſpiel häufig, auch zu jeder andern<lb/>
Zeit, zu Fuſse nach. Vergnügen, Aufregung der<lb/>
Thätigkeit, Bewegung des Körpers im Freyen,<lb/>
und Uebung des Augenmaſses empfehlen dieſes<lb/>
Spiel. Hier iſt eine Beſchreibung davon. Statt<lb/>
des Ringes hat man gewöhnlich eine hölzerne,<lb/>
noch beſſer eiſerne Scheibe, ſiehe Zeichnung 11,<lb/>
von beliebiger Gröſse. Sie iſt mit 5 Löchern<lb/>
und oben bey a und b mit zwey Federn verſe-<lb/>
hen, deren Strebkraft von einander abwärts ge-<lb/>
richtet iſt. Zwängt man dieſe Federn in irgend<lb/>
eine Oeffnung, ſo daſs ſie etwas zuſammen ge-<lb/>
drückt werden: ſo wird man ſie nur mit einiger<lb/>
Gewalt wieder herausziehen können, weil ſie an<lb/>
die Seitenwände andrücken. Man drehet eine<lb/>
hölzerne Kapſel oder Röhre, zwängt die Federn<lb/>
hinein, und hängt jene an einem Stricke auf, der<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[198/0230]
27. Das Ringrennen.
Im nördlichen Deutſchlande, namentlich in Dit-
marſchen, haben die rüſtigen Landleute ein jähr-
liches Feſt, vielleicht zu der Zeit, wann in vie-
len andern feſtloſen deutſchen Gegenden der
Bauer Grillen fängt, — wobey ſie, auf muthigen
Roſſen, im vollen Gallopp reutend, nach einem
Ringe ſtechen. Selbſt die reichern Bewohner
nehmen daran Theil, und Jung und Alt ahmt
dieſes Kampfſpiel häufig, auch zu jeder andern
Zeit, zu Fuſse nach. Vergnügen, Aufregung der
Thätigkeit, Bewegung des Körpers im Freyen,
und Uebung des Augenmaſses empfehlen dieſes
Spiel. Hier iſt eine Beſchreibung davon. Statt
des Ringes hat man gewöhnlich eine hölzerne,
noch beſſer eiſerne Scheibe, ſiehe Zeichnung 11,
von beliebiger Gröſse. Sie iſt mit 5 Löchern
und oben bey a und b mit zwey Federn verſe-
hen, deren Strebkraft von einander abwärts ge-
richtet iſt. Zwängt man dieſe Federn in irgend
eine Oeffnung, ſo daſs ſie etwas zuſammen ge-
drückt werden: ſo wird man ſie nur mit einiger
Gewalt wieder herausziehen können, weil ſie an
die Seitenwände andrücken. Man drehet eine
hölzerne Kapſel oder Röhre, zwängt die Federn
hinein, und hängt jene an einem Stricke auf, der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796/230>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.