dem Türcken zu machen, und wollen es viele Doctores nicht approbiren, allein man kan es eben so legitimiren: Denn ich will meinen Feind todt machen, da gilt mir es nun gleich viel, ob ihn der Türcke todt schlägt, oder ein anderer.
Unterschiedene Bedeutungen des Worts Ra- tio Status.
§. 22. Das vocabulum Ratio Status hat allerhand significatus bekommen, daher es auch einige Chameleontem nennen. Fürsten ha- ben ihre eigene maximen, wodurch sie sich suchen zu conserviren, und wenn es eine Aristocratie ist, so haben die Aristi wiederum besondere ma- ximen, wie wir bey Venedig und andern Republiquen sehen. Die arcana, wodurch sich Imperantes suchen zu conserviren, nennen einige raison d' etat. Thun sie es mediis licitis, so ist diese raison d' etat zu ap- probiren: denn ein Imperans hat mit bösen Unterthanen zu thun. Die bösen Unterthanen nenne ich diejenigen, welche nach dem Regiment greif- fen, da müssen freylich die Imperantes auf Künste dencken, sich zu erhal- ten. Viele Herren aber mainteniren sich auch durch böse Künste, als wie der Caligula gethan, welches man auch rationem Status genennet. Daher kommt es eben, daß Ratio Status von einigen gelobet, von andern getadelt wird, nicht anders, als wie es auch bey der Politic geschiehet.
Cap. III. de Incommodis, quae homines in omnibus Statibus premunt.
Connexio.
WEil nun unser Autor methodo medica gehet, welcher methodus auch andern gefallen, e. g. dem gelehrten Mathematico, Herrn von Tschirnhaus, der Medicinam mentis geschrieben, item dem Vincentio Placcio in Hamburg; so ist kein Wunder, wenn er zuerst die incommoda ansiehet. Denn wer will felicitatem in der Politic erhal- ten, muß auch erst wissen, worinnen die infelicitas bestehe. Daher hat der Autor hier die Klage-Lieder proponiret, welche theils wahr, theils aber sind es auch fictiones. In vielen Stücken hat er recht, aber man muß es doch alles cum grano salis ansehen.
Des Men- schen Zustand ist natürlicher Weise elend.
§. 1. Der Mensch ist zwar, wenn man ihn betrachtet, eine solche Creatur, dergleichen er nicht mehr neben sich hat. Wir sehen wohl, daß die Thiere auch eine connoisance haben, aber ihre connoisance ist sehr obscur. Der Hund kennet freylich seinen Herrn, und das Pferd
seinen
Cap. III. De Incommodis,
dem Tuͤrcken zu machen, und wollen es viele Doctores nicht approbiren, allein man kan es eben ſo legitimiren: Denn ich will meinen Feind todt machen, da gilt mir es nun gleich viel, ob ihn der Tuͤrcke todt ſchlaͤgt, oder ein anderer.
Unterſchiedene Bedeutungen des Worts Ra- tio Status.
§. 22. Das vocabulum Ratio Status hat allerhand ſignificatus bekommen, daher es auch einige Chameleontem nennen. Fuͤrſten ha- ben ihre eigene maximen, wodurch ſie ſich ſuchen zu conſerviren, und wenn es eine Ariſtocratie iſt, ſo haben die Ariſti wiederum beſondere ma- ximen, wie wir bey Venedig und andern Republiquen ſehen. Die arcana, wodurch ſich Imperantes ſuchen zu conſerviren, nennen einige raiſon d’ etat. Thun ſie es mediis licitis, ſo iſt dieſe raiſon d’ etat zu ap- probiren: denn ein Imperans hat mit boͤſen Unterthanen zu thun. Die boͤſen Unterthanen nenne ich diejenigen, welche nach dem Regiment greif- fen, da muͤſſen freylich die Imperantes auf Kuͤnſte dencken, ſich zu erhal- ten. Viele Herren aber mainteniren ſich auch durch boͤſe Kuͤnſte, als wie der Caligula gethan, welches man auch rationem Status genennet. Daher kommt es eben, daß Ratio Status von einigen gelobet, von andern getadelt wird, nicht anders, als wie es auch bey der Politic geſchiehet.
Cap. III. de Incommodis, quæ homines in omnibus Statibus premunt.
Connexio.
WEil nun unſer Autor methodo medica gehet, welcher methodus auch andern gefallen, e. g. dem gelehrten Mathematico, Herrn von Tſchirnhaus, der Medicinam mentis geſchrieben, item dem Vincentio Placcio in Hamburg; ſo iſt kein Wunder, wenn er zuerſt die incommoda anſiehet. Denn wer will felicitatem in der Politic erhal- ten, muß auch erſt wiſſen, worinnen die infelicitas beſtehe. Daher hat der Autor hier die Klage-Lieder proponiret, welche theils wahr, theils aber ſind es auch fictiones. In vielen Stuͤcken hat er recht, aber man muß es doch alles cum grano ſalis anſehen.
Des Men- ſchen Zuſtand iſt natuͤrlicher Weiſe elend.
§. 1. Der Menſch iſt zwar, wenn man ihn betrachtet, eine ſolche Creatur, dergleichen er nicht mehr neben ſich hat. Wir ſehen wohl, daß die Thiere auch eine connoiſance haben, aber ihre connoiſance iſt ſehr obſcur. Der Hund kennet freylich ſeinen Herrn, und das Pferd
ſeinen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0076"n="56"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq"><hirendition="#g"><hirendition="#k">Cap.</hi></hi> III. De Incommodis,</hi></fw><lb/>
dem Tuͤrcken zu machen, und wollen es viele <hirendition="#aq">Doctores</hi> nicht <hirendition="#aq">approbi</hi>ren,<lb/>
allein man kan es eben ſo <hirendition="#aq">legitimi</hi>ren: Denn ich will meinen Feind todt<lb/>
machen, da gilt mir es nun gleich viel, ob ihn der Tuͤrcke todt ſchlaͤgt,<lb/>
oder ein anderer.</p><lb/><noteplace="left">Unterſchiedene<lb/>
Bedeutungen<lb/>
des Worts <hirendition="#aq">Ra-<lb/>
tio Status.</hi></note><p>§. 22. Das <hirendition="#aq">vocabulum Ratio Status</hi> hat allerhand <hirendition="#aq">ſignificatus</hi><lb/>
bekommen, daher es auch einige <hirendition="#aq">Chameleontem</hi> nennen. Fuͤrſten ha-<lb/>
ben ihre eigene <hirendition="#aq">maxim</hi>en, wodurch ſie ſich ſuchen zu <hirendition="#aq">conſervi</hi>ren, und<lb/>
wenn es eine <hirendition="#aq">Ariſtocratie</hi> iſt, ſo haben die <hirendition="#aq">Ariſti</hi> wiederum beſondere <hirendition="#aq">ma-<lb/>
xim</hi>en, wie wir bey Venedig und andern Republiquen ſehen. Die<lb/><hirendition="#aq">arcana,</hi> wodurch ſich <hirendition="#aq">Imperantes</hi>ſuchen zu <hirendition="#aq">conſervi</hi>ren, nennen einige<lb/><hirendition="#aq">raiſon d’ etat.</hi> Thun ſie es <hirendition="#aq">mediis licitis,</hi>ſo iſt dieſe <hirendition="#aq">raiſon d’ etat</hi> zu <hirendition="#aq">ap-<lb/>
probi</hi>ren: denn ein <hirendition="#aq">Imperans</hi> hat mit boͤſen Unterthanen zu thun. Die<lb/>
boͤſen Unterthanen nenne ich diejenigen, welche nach dem <hirendition="#aq">Regiment</hi> greif-<lb/>
fen, da muͤſſen freylich die <hirendition="#aq">Imperantes</hi> auf Kuͤnſte dencken, ſich zu erhal-<lb/>
ten. Viele Herren aber <hirendition="#aq">mainteni</hi>ren ſich auch durch boͤſe Kuͤnſte, als<lb/>
wie der <hirendition="#aq">Caligula</hi> gethan, welches man auch <hirendition="#aq">rationem Status</hi> genennet.<lb/>
Daher kommt es eben, daß <hirendition="#aq">Ratio Status</hi> von einigen gelobet, von andern<lb/>
getadelt wird, nicht anders, als wie es auch bey der <hirendition="#aq">Politic</hi> geſchiehet.</p></div></div><lb/><divn="1"><head><hirendition="#b"><hirendition="#aq"><hirendition="#g"><hirendition="#k">Cap.</hi></hi> III.<lb/>
de<lb/>
Incommodis, quæ homines in omnibus<lb/>
Statibus premunt.</hi></hi></head><lb/><noteplace="left"><hirendition="#aq">Connexio.</hi></note><p><hirendition="#in">W</hi>Eil nun unſer <hirendition="#aq">Autor methodo medica</hi> gehet, welcher <hirendition="#aq">methodus</hi><lb/>
auch andern gefallen, <hirendition="#aq">e. g.</hi> dem gelehrten <hirendition="#aq">Mathematico,</hi> Herrn<lb/>
von <hirendition="#aq">Tſchirnhaus,</hi> der <hirendition="#aq">Medicinam mentis</hi> geſchrieben, <hirendition="#aq">item</hi> dem<lb/><hirendition="#aq">Vincentio Placcio</hi> in Hamburg; ſo iſt kein Wunder, wenn er zuerſt die<lb/><hirendition="#aq">incommoda</hi> anſiehet. Denn wer will <hirendition="#aq">felicitatem</hi> in der <hirendition="#aq">Politic</hi> erhal-<lb/>
ten, muß auch erſt wiſſen, worinnen die <hirendition="#aq">infelicitas</hi> beſtehe. Daher hat<lb/>
der <hirendition="#aq">Autor</hi> hier die Klage-Lieder <hirendition="#aq">proponi</hi>ret, welche theils wahr, theils<lb/>
aber ſind es auch <hirendition="#aq">fictiones.</hi> In vielen Stuͤcken hat er recht, aber man<lb/>
muß es doch alles <hirendition="#aq">cum grano ſalis</hi> anſehen.</p><lb/><noteplace="left">Des Men-<lb/>ſchen Zuſtand<lb/>
iſt natuͤrlicher<lb/>
Weiſe elend.</note><p>§. 1. Der Menſch iſt zwar, wenn man ihn betrachtet, eine ſolche<lb/>
Creatur, dergleichen er nicht mehr neben ſich hat. Wir ſehen wohl,<lb/>
daß die Thiere auch eine <hirendition="#aq">connoiſance</hi> haben, aber ihre <hirendition="#aq">connoiſance</hi> iſt<lb/>ſehr <hirendition="#aq">obſcur.</hi> Der Hund kennet freylich ſeinen Herrn, und das Pferd<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſeinen</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[56/0076]
Cap. III. De Incommodis,
dem Tuͤrcken zu machen, und wollen es viele Doctores nicht approbiren,
allein man kan es eben ſo legitimiren: Denn ich will meinen Feind todt
machen, da gilt mir es nun gleich viel, ob ihn der Tuͤrcke todt ſchlaͤgt,
oder ein anderer.
§. 22. Das vocabulum Ratio Status hat allerhand ſignificatus
bekommen, daher es auch einige Chameleontem nennen. Fuͤrſten ha-
ben ihre eigene maximen, wodurch ſie ſich ſuchen zu conſerviren, und
wenn es eine Ariſtocratie iſt, ſo haben die Ariſti wiederum beſondere ma-
ximen, wie wir bey Venedig und andern Republiquen ſehen. Die
arcana, wodurch ſich Imperantes ſuchen zu conſerviren, nennen einige
raiſon d’ etat. Thun ſie es mediis licitis, ſo iſt dieſe raiſon d’ etat zu ap-
probiren: denn ein Imperans hat mit boͤſen Unterthanen zu thun. Die
boͤſen Unterthanen nenne ich diejenigen, welche nach dem Regiment greif-
fen, da muͤſſen freylich die Imperantes auf Kuͤnſte dencken, ſich zu erhal-
ten. Viele Herren aber mainteniren ſich auch durch boͤſe Kuͤnſte, als
wie der Caligula gethan, welches man auch rationem Status genennet.
Daher kommt es eben, daß Ratio Status von einigen gelobet, von andern
getadelt wird, nicht anders, als wie es auch bey der Politic geſchiehet.
Cap. III.
de
Incommodis, quæ homines in omnibus
Statibus premunt.
WEil nun unſer Autor methodo medica gehet, welcher methodus
auch andern gefallen, e. g. dem gelehrten Mathematico, Herrn
von Tſchirnhaus, der Medicinam mentis geſchrieben, item dem
Vincentio Placcio in Hamburg; ſo iſt kein Wunder, wenn er zuerſt die
incommoda anſiehet. Denn wer will felicitatem in der Politic erhal-
ten, muß auch erſt wiſſen, worinnen die infelicitas beſtehe. Daher hat
der Autor hier die Klage-Lieder proponiret, welche theils wahr, theils
aber ſind es auch fictiones. In vielen Stuͤcken hat er recht, aber man
muß es doch alles cum grano ſalis anſehen.
§. 1. Der Menſch iſt zwar, wenn man ihn betrachtet, eine ſolche
Creatur, dergleichen er nicht mehr neben ſich hat. Wir ſehen wohl,
daß die Thiere auch eine connoiſance haben, aber ihre connoiſance iſt
ſehr obſcur. Der Hund kennet freylich ſeinen Herrn, und das Pferd
ſeinen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/76>, abgerufen am 24.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.