Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. III. De Incommodis,
dem Türcken zu machen, und wollen es viele Doctores nicht approbiren,
allein man kan es eben so legitimiren: Denn ich will meinen Feind todt
machen, da gilt mir es nun gleich viel, ob ihn der Türcke todt schlägt,
oder ein anderer.

Unterschiedene
Bedeutungen
des Worts Ra-
tio Status.

§. 22. Das vocabulum Ratio Status hat allerhand significatus
bekommen, daher es auch einige Chameleontem nennen. Fürsten ha-
ben ihre eigene maximen, wodurch sie sich suchen zu conserviren, und
wenn es eine Aristocratie ist, so haben die Aristi wiederum besondere ma-
xim
en, wie wir bey Venedig und andern Republiquen sehen. Die
arcana, wodurch sich Imperantes suchen zu conserviren, nennen einige
raison d' etat. Thun sie es mediis licitis, so ist diese raison d' etat zu ap-
probi
ren: denn ein Imperans hat mit bösen Unterthanen zu thun. Die
bösen Unterthanen nenne ich diejenigen, welche nach dem Regiment greif-
fen, da müssen freylich die Imperantes auf Künste dencken, sich zu erhal-
ten. Viele Herren aber mainteniren sich auch durch böse Künste, als
wie der Caligula gethan, welches man auch rationem Status genennet.
Daher kommt es eben, daß Ratio Status von einigen gelobet, von andern
getadelt wird, nicht anders, als wie es auch bey der Politic geschiehet.

Cap. III.
de
Incommodis, quae homines in omnibus
Statibus premunt.
Connexio.

WEil nun unser Autor methodo medica gehet, welcher methodus
auch andern gefallen, e. g. dem gelehrten Mathematico, Herrn
von Tschirnhaus, der Medicinam mentis geschrieben, item dem
Vincentio Placcio in Hamburg; so ist kein Wunder, wenn er zuerst die
incommoda ansiehet. Denn wer will felicitatem in der Politic erhal-
ten, muß auch erst wissen, worinnen die infelicitas bestehe. Daher hat
der Autor hier die Klage-Lieder proponiret, welche theils wahr, theils
aber sind es auch fictiones. In vielen Stücken hat er recht, aber man
muß es doch alles cum grano salis ansehen.

Des Men-
schen Zustand
ist natürlicher
Weise elend.

§. 1. Der Mensch ist zwar, wenn man ihn betrachtet, eine solche
Creatur, dergleichen er nicht mehr neben sich hat. Wir sehen wohl,
daß die Thiere auch eine connoisance haben, aber ihre connoisance ist
sehr obscur. Der Hund kennet freylich seinen Herrn, und das Pferd

seinen

Cap. III. De Incommodis,
dem Tuͤrcken zu machen, und wollen es viele Doctores nicht approbiren,
allein man kan es eben ſo legitimiren: Denn ich will meinen Feind todt
machen, da gilt mir es nun gleich viel, ob ihn der Tuͤrcke todt ſchlaͤgt,
oder ein anderer.

Unterſchiedene
Bedeutungen
des Worts Ra-
tio Status.

§. 22. Das vocabulum Ratio Status hat allerhand ſignificatus
bekommen, daher es auch einige Chameleontem nennen. Fuͤrſten ha-
ben ihre eigene maximen, wodurch ſie ſich ſuchen zu conſerviren, und
wenn es eine Ariſtocratie iſt, ſo haben die Ariſti wiederum beſondere ma-
xim
en, wie wir bey Venedig und andern Republiquen ſehen. Die
arcana, wodurch ſich Imperantes ſuchen zu conſerviren, nennen einige
raiſon d’ etat. Thun ſie es mediis licitis, ſo iſt dieſe raiſon d’ etat zu ap-
probi
ren: denn ein Imperans hat mit boͤſen Unterthanen zu thun. Die
boͤſen Unterthanen nenne ich diejenigen, welche nach dem Regiment greif-
fen, da muͤſſen freylich die Imperantes auf Kuͤnſte dencken, ſich zu erhal-
ten. Viele Herren aber mainteniren ſich auch durch boͤſe Kuͤnſte, als
wie der Caligula gethan, welches man auch rationem Status genennet.
Daher kommt es eben, daß Ratio Status von einigen gelobet, von andern
getadelt wird, nicht anders, als wie es auch bey der Politic geſchiehet.

Cap. III.
de
Incommodis, quæ homines in omnibus
Statibus premunt.
Connexio.

WEil nun unſer Autor methodo medica gehet, welcher methodus
auch andern gefallen, e. g. dem gelehrten Mathematico, Herrn
von Tſchirnhaus, der Medicinam mentis geſchrieben, item dem
Vincentio Placcio in Hamburg; ſo iſt kein Wunder, wenn er zuerſt die
incommoda anſiehet. Denn wer will felicitatem in der Politic erhal-
ten, muß auch erſt wiſſen, worinnen die infelicitas beſtehe. Daher hat
der Autor hier die Klage-Lieder proponiret, welche theils wahr, theils
aber ſind es auch fictiones. In vielen Stuͤcken hat er recht, aber man
muß es doch alles cum grano ſalis anſehen.

Des Men-
ſchen Zuſtand
iſt natuͤrlicher
Weiſe elend.

§. 1. Der Menſch iſt zwar, wenn man ihn betrachtet, eine ſolche
Creatur, dergleichen er nicht mehr neben ſich hat. Wir ſehen wohl,
daß die Thiere auch eine connoiſance haben, aber ihre connoiſance iſt
ſehr obſcur. Der Hund kennet freylich ſeinen Herrn, und das Pferd

ſeinen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0076" n="56"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">Cap.</hi></hi> III. De Incommodis,</hi></fw><lb/>
dem Tu&#x0364;rcken zu machen, und wollen es viele <hi rendition="#aq">Doctores</hi> nicht <hi rendition="#aq">approbi</hi>ren,<lb/>
allein man kan es eben &#x017F;o <hi rendition="#aq">legitimi</hi>ren: Denn ich will meinen Feind todt<lb/>
machen, da gilt mir es nun gleich viel, ob ihn der Tu&#x0364;rcke todt &#x017F;chla&#x0364;gt,<lb/>
oder ein anderer.</p><lb/>
          <note place="left">Unter&#x017F;chiedene<lb/>
Bedeutungen<lb/>
des Worts <hi rendition="#aq">Ra-<lb/>
tio Status.</hi></note>
          <p>§. 22. Das <hi rendition="#aq">vocabulum Ratio Status</hi> hat allerhand <hi rendition="#aq">&#x017F;ignificatus</hi><lb/>
bekommen, daher es auch einige <hi rendition="#aq">Chameleontem</hi> nennen. Fu&#x0364;r&#x017F;ten ha-<lb/>
ben ihre eigene <hi rendition="#aq">maxim</hi>en, wodurch &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;uchen zu <hi rendition="#aq">con&#x017F;ervi</hi>ren, und<lb/>
wenn es eine <hi rendition="#aq">Ari&#x017F;tocratie</hi> i&#x017F;t, &#x017F;o haben die <hi rendition="#aq">Ari&#x017F;ti</hi> wiederum be&#x017F;ondere <hi rendition="#aq">ma-<lb/>
xim</hi>en, wie wir bey Venedig und andern Republiquen &#x017F;ehen. Die<lb/><hi rendition="#aq">arcana,</hi> wodurch &#x017F;ich <hi rendition="#aq">Imperantes</hi> &#x017F;uchen zu <hi rendition="#aq">con&#x017F;ervi</hi>ren, nennen einige<lb/><hi rendition="#aq">rai&#x017F;on d&#x2019; etat.</hi> Thun &#x017F;ie es <hi rendition="#aq">mediis licitis,</hi> &#x017F;o i&#x017F;t die&#x017F;e <hi rendition="#aq">rai&#x017F;on d&#x2019; etat</hi> zu <hi rendition="#aq">ap-<lb/>
probi</hi>ren: denn ein <hi rendition="#aq">Imperans</hi> hat mit bo&#x0364;&#x017F;en Unterthanen zu thun. Die<lb/>
bo&#x0364;&#x017F;en Unterthanen nenne ich diejenigen, welche nach dem <hi rendition="#aq">Regiment</hi> greif-<lb/>
fen, da mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en freylich die <hi rendition="#aq">Imperantes</hi> auf Ku&#x0364;n&#x017F;te dencken, &#x017F;ich zu erhal-<lb/>
ten. Viele Herren aber <hi rendition="#aq">mainteni</hi>ren &#x017F;ich auch durch bo&#x0364;&#x017F;e Ku&#x0364;n&#x017F;te, als<lb/>
wie der <hi rendition="#aq">Caligula</hi> gethan, welches man auch <hi rendition="#aq">rationem Status</hi> genennet.<lb/>
Daher kommt es eben, daß <hi rendition="#aq">Ratio Status</hi> von einigen gelobet, von andern<lb/>
getadelt wird, nicht anders, als wie es auch bey der <hi rendition="#aq">Politic</hi> ge&#x017F;chiehet.</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">Cap.</hi></hi> III.<lb/>
de<lb/>
Incommodis, quæ homines in omnibus<lb/>
Statibus premunt.</hi> </hi> </head><lb/>
        <note place="left"> <hi rendition="#aq">Connexio.</hi> </note>
        <p><hi rendition="#in">W</hi>Eil nun un&#x017F;er <hi rendition="#aq">Autor methodo medica</hi> gehet, welcher <hi rendition="#aq">methodus</hi><lb/>
auch andern gefallen, <hi rendition="#aq">e. g.</hi> dem gelehrten <hi rendition="#aq">Mathematico,</hi> Herrn<lb/>
von <hi rendition="#aq">T&#x017F;chirnhaus,</hi> der <hi rendition="#aq">Medicinam mentis</hi> ge&#x017F;chrieben, <hi rendition="#aq">item</hi> dem<lb/><hi rendition="#aq">Vincentio Placcio</hi> in Hamburg; &#x017F;o i&#x017F;t kein Wunder, wenn er zuer&#x017F;t die<lb/><hi rendition="#aq">incommoda</hi> an&#x017F;iehet. Denn wer will <hi rendition="#aq">felicitatem</hi> in der <hi rendition="#aq">Politic</hi> erhal-<lb/>
ten, muß auch er&#x017F;t wi&#x017F;&#x017F;en, worinnen die <hi rendition="#aq">infelicitas</hi> be&#x017F;tehe. Daher hat<lb/>
der <hi rendition="#aq">Autor</hi> hier die Klage-Lieder <hi rendition="#aq">proponi</hi>ret, welche theils wahr, theils<lb/>
aber &#x017F;ind es auch <hi rendition="#aq">fictiones.</hi> In vielen Stu&#x0364;cken hat er recht, aber man<lb/>
muß es doch alles <hi rendition="#aq">cum grano &#x017F;alis</hi> an&#x017F;ehen.</p><lb/>
        <note place="left">Des Men-<lb/>
&#x017F;chen Zu&#x017F;tand<lb/>
i&#x017F;t natu&#x0364;rlicher<lb/>
Wei&#x017F;e elend.</note>
        <p>§. 1. Der Men&#x017F;ch i&#x017F;t zwar, wenn man ihn betrachtet, eine &#x017F;olche<lb/>
Creatur, dergleichen er nicht mehr neben &#x017F;ich hat. Wir &#x017F;ehen wohl,<lb/>
daß die Thiere auch eine <hi rendition="#aq">connoi&#x017F;ance</hi> haben, aber ihre <hi rendition="#aq">connoi&#x017F;ance</hi> i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ehr <hi rendition="#aq">ob&#x017F;cur.</hi> Der Hund kennet freylich &#x017F;einen Herrn, und das Pferd<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;einen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0076] Cap. III. De Incommodis, dem Tuͤrcken zu machen, und wollen es viele Doctores nicht approbiren, allein man kan es eben ſo legitimiren: Denn ich will meinen Feind todt machen, da gilt mir es nun gleich viel, ob ihn der Tuͤrcke todt ſchlaͤgt, oder ein anderer. §. 22. Das vocabulum Ratio Status hat allerhand ſignificatus bekommen, daher es auch einige Chameleontem nennen. Fuͤrſten ha- ben ihre eigene maximen, wodurch ſie ſich ſuchen zu conſerviren, und wenn es eine Ariſtocratie iſt, ſo haben die Ariſti wiederum beſondere ma- ximen, wie wir bey Venedig und andern Republiquen ſehen. Die arcana, wodurch ſich Imperantes ſuchen zu conſerviren, nennen einige raiſon d’ etat. Thun ſie es mediis licitis, ſo iſt dieſe raiſon d’ etat zu ap- probiren: denn ein Imperans hat mit boͤſen Unterthanen zu thun. Die boͤſen Unterthanen nenne ich diejenigen, welche nach dem Regiment greif- fen, da muͤſſen freylich die Imperantes auf Kuͤnſte dencken, ſich zu erhal- ten. Viele Herren aber mainteniren ſich auch durch boͤſe Kuͤnſte, als wie der Caligula gethan, welches man auch rationem Status genennet. Daher kommt es eben, daß Ratio Status von einigen gelobet, von andern getadelt wird, nicht anders, als wie es auch bey der Politic geſchiehet. Cap. III. de Incommodis, quæ homines in omnibus Statibus premunt. WEil nun unſer Autor methodo medica gehet, welcher methodus auch andern gefallen, e. g. dem gelehrten Mathematico, Herrn von Tſchirnhaus, der Medicinam mentis geſchrieben, item dem Vincentio Placcio in Hamburg; ſo iſt kein Wunder, wenn er zuerſt die incommoda anſiehet. Denn wer will felicitatem in der Politic erhal- ten, muß auch erſt wiſſen, worinnen die infelicitas beſtehe. Daher hat der Autor hier die Klage-Lieder proponiret, welche theils wahr, theils aber ſind es auch fictiones. In vielen Stuͤcken hat er recht, aber man muß es doch alles cum grano ſalis anſehen. §. 1. Der Menſch iſt zwar, wenn man ihn betrachtet, eine ſolche Creatur, dergleichen er nicht mehr neben ſich hat. Wir ſehen wohl, daß die Thiere auch eine connoiſance haben, aber ihre connoiſance iſt ſehr obſcur. Der Hund kennet freylich ſeinen Herrn, und das Pferd ſeinen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/76
Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/76>, abgerufen am 30.12.2024.